Fehlender Brandschutz: Stadt untersagt Nutzung von WG in der Demmeringstraße

Der Zustand der WG in der Leipziger Demmeringstraße hat sich weiter verschlechtert: Es gibt einen Wasserschaden, zwei Tage lang war der Strom weg. Die Stadt verhängt ein Nutzungsverbot. Wie geht es jetzt für die Mieter weiter?
Seit Monaten ist sie prekär, zuletzt hatte sich die Wohnsituation in der WG der Leipziger Demmeringstraße weiter verschlechtert: Die Bewohner waren zwei Tage von der Stromversorgung abgeschnitten, und es gibt einen Wasserschaden. In dieser Woche zieht die Stadt Konsequenzen aus den Missständen.
Das erste Problem offenbart sich von außen. Vor dem Eingang des Objekts im Leipziger Westen bilden Müllsäcke einen täglich wachsenden Berg. „Der Abfall wird seit Wochen nicht mehr abgeholt“, sagt Sascha, einer der momentan vier Bewohner.
Wasserschaden und Schimmel
In der ersten Etage aus 13 kleinen WG-Zimmern sowie Küche und Bad liegen Pfützen im Küchenbereich, Schimmel kriecht die Wände hoch, als Folgen eines Wasserschadens. „Der Boiler ist undicht“, so Sascha.
Von Sonntag bis Dienstag bezog die WG außerdem keinen Strom mehr. „Die anderen WG-Bewohner haben die Hausverwaltung angeschrieben“, so der junge Mann aus der Ukraine. Inzwischen funktioniert die Elektrik wieder.
Anfragen der LVZ an Hausverwaltung und den Eigentümer sind seit Wochen unbeantwortet. Die Bewohner sind entnervt. „Ich möchte einfach nur noch raus“, sagt Ahmad. Die Beendigung des Mietvertrages sei laut älterer Mitteilung des Vermieters vorfristig nur möglich, wenn er einen Nachmieter präsentiere. „Niemand wird so verrückt sein, hier einzuziehen“, so der 23-Jährige.
Schwer zu ertragende Zustände, und das bei einer Miete jenseits des Durchschnitts – ein Raum mit elf Quadratmetern kostet monatlich 330 Euro. Eigentümer sind die schon lange in der Kritik stehenden Immobilienhändler Sven Schwarzat und Kevin Rader.
„Es ist untragbar, dass diese Unternehmer die Rechte von Mieterinnen und Mietern seit Jahren mit Füßen treten“, sagt Juliane Nagel (Linke). Die Stadträtin und Landtagsabgeordnete betont, die Stadt dürfe die Betroffenen in dieser Situation nicht allein lassen.
„Ich erwarte mir aus dem Rathaus mehr Engagement“, so Nagel. „Die Mieter der Demmeringstraße sollten Ersatzwohnraum angeboten bekommen oder zumindest Unterstützung bei der Suche.“
Seit Ende März beschäftigt sich die Stadt mit dem Objekt, für dessen Umbau kein Bauantrag eingereicht wurde. Bei einer Begehung stellte das Bauordnungsamt Mängel fest. Ein Bauexperte, der beim Umbau tätig werden sollte und wegen Bedenken absagte, nannte gegenüber der LVZ unter anderem klare Verstöße gegen den Brandschutz.
Schon vor fünf Wochen erwog das Amt ein Nutzungsverbot. Kurz darauf schaltete sich ein Anwalt des Eigentümers ein und verlangte Akteneinsicht. Nun aber soll die Untersagung verhängt werden, so die Stadt auf Anfrage.
Den genauen Tag konnte Sprecher Matthias Hasberg nicht nennen, es solle aber noch diese Woche passieren. „Für die Mieter bleibt eine mehrmonatige Frist, um eine neue Wohnung zu finden.“ Gibt es Unterstützung dabei? Im Zweifel würde das Sozialamt den jungen Leuten helfen, heißt es.
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Jens Rometsch 05.05.2025
Leipziger Mieter erfolgreich: Hausbesitzer Schwarzat zieht Räumungsklage zurück
Der viel kritisierte Immobilienunternehmer Sven Schwarzat ist mit einer Räumungsklage vor Gericht gescheitert. Außerdem will die Stadt Leipzig seine 14-Zimmer-WG in der Demmeringstraße schließen.
Es brauchte nur wenige Minuten, um die Räumungsklage in ein Debakel für Sven Schwarzat zu verwandeln. Der 30-jährige Jurist und Immobilienunternehmer war zuletzt von Mietern aus verschiedenen Häusern in Leipzig stark kritisiert worden. Nun ging er mit einer Räumungsklage baden.
Im Amtsgericht an der Bernhard-Göring-Straße war Schwarzat allein erschienen. Mit seiner Klage wollte er durchsetzen, dass ein langjähriger Mieter in Gohlis seine Wohnung verlassen muss. Über diesen Fall, der den derzeit berufsunfähigen Christian Deutsch betrifft, hatte die LVZ bereits berichtet.
Besitzer wollte Kaufpreis verdreifachen
Der gelernte Informatiker und sein Sohn leben seit 2009 in einer 60-Quadratmeter-Wohnung. Die Schwarzat Capital GmbH hatte sie im Juli 2024 für weniger als 55.000 Euro gekauft – und außerdem noch 20 weitere Wohnungen in dem Objekt. Wenige Monate später kündigte der neue Besitzer den Mietvertrag mit der Begründung, er könne die Wohnung nur „im Leerzustand“ für etwa 180.000 Euro weiter verkaufen.
Der Mieter ließ sich das nicht gefallen. Seine Anwältin Claudia Weigand führte vor Gericht mehrere Gründe an, weshalb die Kündigung und Räumungsklage keine Berechtigung hatten. „Kauf bricht nicht Miete. Wenn er mit dem wirtschaftlichen Ertrag der Immobilie unzufrieden ist, hätte er sie erst gar nicht kaufen müssen“, sagte sie der LVZ.
Stattdessen habe er schon angefangen, Mieter rauszuwerfen, obwohl er wahrscheinlich noch nicht mal im Grundbuch stand. „Das war alles sehr dubios. Deswegen habe ich auch seine Eigentümerstellung bestritten.“
Richter Volkhard Wehrhahn äußerte sich ähnlich. „Abgesehen von der Begründung wäre die Klage schon daran gescheitert, dass der Kläger keinen Grundbuchauszug vorlegen konnte“, sagte er.
Die von Schwarzat angestrebte Verwertungskündigung (nach Paragraf 573 Abs. 2 Nr.3 BGB) sei nicht zur Gewinnmaximierung gedacht, sondern für ganz andere Fälle, die hier nicht vorlagen: „Zum Beispiel wäre das vielleicht anders zu diskutieren, wenn jemand ein marodes Haus geerbt hat, das nur saniert werden kann, wenn die letzte verbliebene Mietpartei zuvor auszieht.“
Verwertungskündigung chancenlos
Der Richter machte bei dem Gütetermin klar, dass die Kündigung unwirksam ist und die Räumungsklage keine Aussicht auf Erfolg hat. Daraufhin zog Immobilienunternehmer Schwarzat beides zurück. Anwältin Weigand sagte im Anschluss, sie freue sich am meisten, weil „die ganze Sache damit für meinen Mandanten abgeschlossen ist“.
Mieter Christian Deutsch erinnerte an andere Mieter, die ebenfalls
Verwertungskündigungen von Schwarzat erhalten hatten. „Ich hoffe, er gibt nun Frieden und zieht überall seine Kündigungen zurück.“ Schwarzat reagierte in den vergangenen Wochen auf mehrere LVZ-Anfragen nicht. Auf einem Business-Portal rühmte er sich im letzten Herbst, er habe sein Immobiliengeschäft in Leipzig ohne Eigenkapital aufgebaut und besitze nun schon 300 Objekte.
Vielleicht wollte Schwarzat mit dem Rückzug seiner Klage einen Präzedenzfall verhindern. Schließlich hatte er ganz ähnliche Verwertungskündigungen in jüngerer Vergangenheit unter anderem auch an weitere Mieter in der Georg-Schumann-Straße, in der Arthur-Hoffmann-Straße und in der William-Zipperer-Straße verschickt. Mit der Zustellung der Schreiben beauftragte er stets einen Gerichtsvollzieher, was nur wenige Euro kostet.
In dem Haus in der William-Zipperer-Straße hätten alle Bewohner eine „Verwertungskündigung“ erhalten, berichten Mieter. Er habe das Haus „vor einigen Woche gekauft“, schrieb Schwarzat einer Familie. Wenn die Familie nicht ausziehe, könne er ihre Wohnung nur für etwa 48.000 Euro weiter veräußern, unbewohnt hingegen für etwa 192.000 Euro.
Nutzungsverbot für 14-Zimmer-WG in Leipzig
Er bot der Familie 6000 Euro Abfindung an. „Bitte bewahren Sie über die Höhe des Angebots Stillschweigen, da ich dieses etwas höher als das Angebot an Ihre Nachbarn ausgestaltet habe.“ Die Mieter wollten sich nicht gegen ihre Nachbarn ausspielen lassen, sagt einer von ihnen. „Wir haben unser ganzes Leben in Leutzsch und Lindenau verbracht. Wir wollen hier nicht weg.“
Offenbar versucht Schwarzat häufiger, Wohnungen mit geringen Mieten zu kaufen, um sie dann in einzeln vermietbare Zimmer für eine Wohngemeinschaft (WG) von Studenten oder Auszubildenden umzuwandeln. Dadurch lassen sich die Mieteinnahmen vervielfachen – und die Wohnungen später gegebenenfalls viel teurer weiter verkaufen.
Zuletzt hatten Schwarzat und sein langjähriger Geschäftspartner Kevin Rader durch eine 14-Zimmer-WG in der Demmeringstraße von sich Reden gemacht. Dort klagten Mieter über miserable Zustände – trotz hoher WG-Mieten. Unter anderem kritisierten sie Mängel bei Brandschutz, Elektrik, Müllentsorgung, Heizung.
Nach einer Kontrolle durch das Bauordnungsamt will die Stadt Leipzig nun zeitnah eine „Nutzungsuntersagung“ für diese 14-Zimmer-WG in der Demmeringstraße verhängen. Das teilte Stadtsprecher Matthias Hasberg auf LVZ-Nachfrage mit. „Für die Mieter bleibt dann eine mehrmonatige Frist, um eine neue Wohnung zu finden.“
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Jens Rometsch 20.04.2025
Dubiose Kündigungen: Leipziger Mieter berichten, wie sie aus ihren Wohnungen vertrieben werden
Der Leipziger Wohnungsmarkt ist in Aufruhr – Mieter berichten, mit welch teils dubiosen Methoden sie vertrieben werden sollen. Im Mittelpunkt der Vorwürfe stehen zwei Männer: Ihre Spur führt von einer 14-Zimmer-WG mit miserablen Zuständen in mehrere Stadtteile.
In Leipzig testen offenbar zwei Jungunternehmer die Grenzen der Gesetze. Es geht um jene Gesetze, die Mieter vor dem Verlust ihrer Wohnung schützen sollen. Die Beiden heißen Sven Schwarzat und Kevin Rader. Jüngst erregten sie bundesweit Aufmerksamkeit wegen einer 14-Zimmer-Wohngemeinschaft (WG) in der Demmeringstraße.
Schwarzat und Rader hatten das Hinterhaus 2023 im ungenutzten Zustand gekauft. Preis: 455.000 Euro. Ohne Genehmigung der Stadt bauten sie eine Etage der früheren Rauchwarenfärberei so um, dass 14 Einzelzimmer entstanden. Das Haus neben einer Bahntrasse wurde zur WG mit hohen Mieten. Doch bei Toilette, Müllabfuhr, Elektrik, Brandschutz, Heizung gab es erhebliche Mängel. Bewohner kritisierten die Zustände als katastrophal. Auf LVZ-Nachfragen äußern sich die beiden Immobilienunternehmer bislang nicht.
Günstige Wohnungen werden zu teuren WG-Zimmern
Die Demmeringstraße ist freilich nur Teil eines Problems, das in Leipzig schnell wächst. Betroffene berichten, dass Schwarzat und Rader oder deren Firmen immer wieder preisgünstige Wohnungen kaufen und entmieten, um daraus teure WG-Zimmer zu machen. Auch erkrankte oder behinderte Personen würden dabei nicht verschont.
Ein Beispiel ist Christian Deutsch. Der gelernte Informatiker nimmt zurzeit aus gesundheitlichen Gründen an einer beruflichen Reha-Maßnahme teil. Seit 2009 lebt er in einem Gründerzeithaus an der Georg-Schumann-Straße. Er und sein Sohn teilen sich dort 60 Quadratmeter: Die Warmmiete beträgt 429 Euro. Im Juli 2024 verkauften die Vorbesitzer diese Wohnung und 20 weitere in dem Objekt an die Schwarzat Capital GmbH. Preis insgesamt: 1,54 Millionen Euro.
Sechs Monate später erhielt Deutsch die Kündigung seines Mietvertrags. „Ich habe mir Annoncen angeschaut. Eine gleich große Wohnung in Gohlis würde heute mindestens doppelt so viel kosten.“ Hinzu kämen Ausgaben für den Umzug. „Die 5000 Euro Abfindung, die er uns für einen freiwilligen Auszug angeboten hat, wären nach einem Jahr alle.“
Räumungsklage verhandelt Amtsgericht Ende April
Er ist in diesem Fall Geschäftsführer Sven Schwarzat. Im Februar 2025 folgte die Räumungsklage. Sie wird nun Ende April am Amtsgericht verhandelt. Der neue Eigentümer begründet die Kündigung damit, dass er die Wohnung weiter verkaufen wolle. Im „Leerzustand“ seien 180.000 Euro zu erzielen. Bewohnt liege der Preis viel niedriger.
„Durch das bestehende Mietverhältnis wird somit das volle wirtschaftliche Potenzial der Immobilie blockiert, und ich erleide einen erheblichen finanziellen Nachteil bei der Verwertung der Immobilie“, schreibt Schwarzat in der Kündigung. Unerwähnt lässt er, dass seine Firma für genau diese Wohnung im Juli 2024 selbst nur knapp 55.000 Euro bezahlt hatte. Er will den Preis also in kurzer Zeit mehr als verdreifachen. Dabei stören ihn die Mieter.
Schwarzat ist erst 30 Jahre alt. Nach eigenem Bekunden zog er einst zum Abschluss seines Jura-Studiums nach Leipzig. Hier habe er sein Geschäft ohne jedes Eigenkapital angefangen, erzählte er jüngst einem Business-Portal. Inzwischen gehörten ihm 300 Immobilien.
Sein Mieter, Herr Deutsch, hält die sogenannte Verwertungskündigung der Gohliser Wohnung für unrechtmäßig. „Kauf bricht nicht Miete“, wiederholt er einen Grundsatz aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Spekulation und Profitstreben seien keine Kündigungsgründe. Er habe eine Anwältin gefunden, die mit ihm gemeinsam den Hausbesitzer stoppen wolle.
Einraumwohnungen mit Trennwand versehen
Vielleicht seien die Verkaufspläne auch nur vorgeschoben, vermutet der Mieter. In den letzten Monaten habe Schwarzat in dem Gohliser Objekt schon einige Wohnungen umbauen lassen zu Studenten-WGs. „Zum Beispiel wurde bei den Einraumwohnungen im Hinterhaus einfach eine Trennwand in die Wohnküche eingezogen und somit zwei Zimmer mit minimaler Koch- und Duschmöglichkeit geschaffen. Das erinnert an die Wohnbüchse in der Demmeringstraße.“
In seiner Küche könne man das Kinderlärmen von einer benachbarten Kita hören, erzählt Deutsch. Abends singe im Hinterhaus oft ein Musiker zusammen mit einer befreundeten Sängerin. „Da geht mir das Herz auf. Auch deshalb will ich hier nicht weg.“ Jedoch habe Schwarzat auch die Wohnung des Musikers gekündigt.
Szenenwechsel: In der Arthur-Hoffmann-Straße erhielt eine Dreier-WG vor drei Monaten die Kündigung. Das Gebäude in der Südvorstadt hatte die Vorbesitzerin aus Altersgründen verkauft, teilte sie den Mietern im Mai 2023 mit. Zahlungen seien künftig auf ein Konto der Hausverwaltung LeiWo bei der Sparkasse Leipzig zu leisten.
LeiWo wurde 2022 von Schwarzat und Rader gegründet, die damals noch Gesellschafter des umstrittenen Leipziger Immobilienunternehmens United Capital RE waren. Mieter aus der Arthur-Hoffmann-Straße berichten, dass für die Hausverwaltung fortan verschiedene Leute auftraten – im Juli 2024 auch Sven Schwarzat. Die Kündigung unterschrieben habe aber jemand anderes – mit einer unleserlichen Wellenlinie.
Hausverwaltung LeiWo im März 2024 aufgelöst
Solche Details könnten wichtig sein, denn Schwarzat und Rader stiegen schon 2023 aus bei der LeiWo. Ein neuer Gesellschafter aus Bad Elster löste die Firma im März 2024 auf. „Das Kündigungsschreiben stammte also von einer Firma in Liquidation“, stellt André Klinge fest. Der Leipziger Bauingenieur unterstützt einige Mieter in dem Gebäude, das Schwarzat und Rader bis vor Kurzem auch als Geschäftsadresse für einen Teil ihrer Firmen angaben – obwohl sie dort nur einen Briefkasten, aber kein Büro unterhielten.
Der Kündigungstext für die Dreier-WG in der Arthur-Hoffmann-Straße ist in weiten Teilen exakt wortgleich mit dem Text der Kündigung in der Georg-Schumann-Straße. Nur wird für die Wohnung in der Südvorstadt behauptet, sie lasse sich „im Leerzustand“ für 320.000 Euro versilbern.
Angesichts des Bauzustands seien solche Preise absurd, sagt Klinge. Die Kündigung enthalte viele Textblöcke und Verweise auf Gerichtsurteile, die man leicht im Internet finden und kopieren könne. „Ich glaube nicht, dass sowas vor Gericht Bestand hätte.“
Vielleicht gehe es den Eigentümern aber weniger um die Rechtslage als darum, ständig Druck auf Mieter auszuüben. Irgendwann geben die meisten entnervt auf, akzeptieren eine eher geringe Abfindung und ziehen gewissermaßen „freiwillig“ aus, befürchtet der Ingenieur. Gewinner sei dann am Ende der Eigentümer.
Auch junge Familie mit Baby und Rentner gekündigt
Trotzdem sei es verständlich, dass schon mehrere Bewohner eingelenkt hätten. Im letzten Winter habe zweimal tagelang die Heizung im Haus nicht funktioniert, weil das Öl alle war. Mülltonnen seien über mehr als vier Wochen nicht geleert worden. Fast alle Haushalte hätten Verwertungskündigungen bekommen – auch eine junge Familie mit Baby und ein Rentner, berichtet Klinge.
Kurz vor Ostern teilten die Leipziger Wasserwerke den verblieben Haushalten mit, dass die Wasserversorgung am 28. April eingestellt wird, ergänzt Mieter Altaweel Suhel. Er ist fassungslos über die Begründung: Der Hausbesitzer habe Rechnungen für Trink- und Abwasser über längere Zeit nicht bezahlt.
Dabei habe der jetzige Eigentümer schon freie Wohnungen in einzeln vermietbare WG-Zimmer umgewandelt. Die seien viel teurer als die bisher gewohnten Miethöhen. Zudem wurde Christian Hallmann mitgeteilt, dass der Gewerbemietvertrag für seinen beliebten Käseladen im Erdgeschoss nicht mehr verlängert wird.
Verwertungskündigungen scheinen ein neuer Trend in Leipzig zu sein. Dabei sind sie eigentlich an strenge Voraussetzungen geknüpft, was Mieter vor Immobilienspekulationen schützen soll. Daneben erlaubt das Gesetz eigentlich nur noch einen anderen Weg, um Mieter aus der Wohnung zu drängen. Dieser Weg heißt Eigenbedarf. Albina Gräfe kennt ihn nur zu gut.
Im Jahr 2021 musste sie ihre Wohnung in der Möbiusstraße in Reudnitz verlassen. „Kevin Rader von United Capital hat damals die Wohnung erworben. Er behauptete, dass er selbst einziehen wolle“, berichtet sie.
Mieterin erkannte alte Wohnung in WG-Anzeige wieder
Rader hatte in Stuttgart Bank- und Finanzdienstleistungen studiert. Er ist jetzt 34 Jahre alt. Vor wenigen Tagen erkannte Albina Gräfe die von ihm beanspruchte Wohnung bei einer Anzeige auf WG-gesucht im Internet wieder. Für ein Zimmer mit 13 Quadratmetern wurden nun 485 Euro warm verlangt. „Früher kostete die Wohnung insgesamt 481 Euro warm und hatte drei Zimmer. Jetzt gibt es dort vier Zimmer.“ Alle vier zusammen würden rund 1900 Euro Warmmiete kosten.
Anbieter sei die SC Hausverwaltung. Das klinge nicht nur nach der Schwarzat Capital GmbH – beide Firmen hätten sehr ähnliche Internetseiten und obendrein Querverbindungen im technischen Hinterland der Seiten, so Ex-Mieterin Gräfe. Sie fühle sich von Rader getäuscht.
Wieder Szenenwechsel: In der Arnoldstraße in Stötteritz hatte Schwarzat Wohnungen gekauft. Laut einer Mieterin sagte er ihr im Beisein von Rader, sie müsse bald ausziehen wegen Eigenbedarfs. Die alleinerziehende Mutter wandte sich schließlich an einen Anwalt. Sie wollte die Wohnung schon wegen der vertrauten Umgebung für ihren autistischen Sohn nicht verlassen.
Letztlich habe Schwarzat ihr Zuhause dann an jemanden aus Hamburg verkauft, der ebenfalls Eigenbedarf signalisierte. „Das wurde mir zu viel. Nochmal zwei Jahre wollte ich nicht so ein Theater erleben.“ Deshalb habe sie zugegriffen als sich die Chance ergab, in die Nähe des Ausbildungsbetriebes ihres Sohnes umzuziehen. „Auf zwei Betriebskostenabrechnungen meiner alten Wohnung warte ich bis heute. Auch ist die Kaution in dem ganzen Durcheinander angeblich verschwunden.“
Keine Reaktion auf detaillierte Nachfragen der LVZ
Im Zuge der Recherchen hat die LVZ Rader und Schwarzat einen detaillierten Fragekatalog zugeschickt – mit der Bitte, auf die einzelnen Mietervorwürfe einzugehen und ihre Sicht der Dinge zu schildern. Bislang gab es dazu keinerlei Reaktion.
Vor längerer Zeit hatten sie beteuert, niemals Eigenbedarf vorzutäuschen.
Verständlich: Denn das könnte als Betrug gewertet werden und strafbar sein – falls sich ein Vorsatz dazu nachweisen lässt.
In einem Fall aus der Chopinstraße hatte Schwarzat bald nach dem Wohnungskauf selbst eine Eigenbedarfskündigung unterschrieben, erzählt die damals betroffene Mieterin. Das habe wegen Mängeln bei der anschließenden Räumungsklage aber keine Auswirkung gehabt. Nach viel Stress sei sie im August 2022 „freiwillig“ ausgezogen.
Gleich in den nächsten Wochen habe der Besitzer den Flur zur Küche umfunktioniert, dadurch ein Zimmer mehr erhalten und dann alles über LeiWo „zum Dreifachen des bisherigen Preises als WG-Zimmer neu vermietet.“
Man ahnt es: Schwarzat zog nicht selbst im Zentrum-Ost ein. Er wohnt heute an einem anderen Ort unweit der City. Die Ex-Mieterin aus der Chopinstraße verklagte er später noch mal. Angeblich hatte sie ihre Wohnung nicht ordnungsgemäß übergeben. Die Sache endete per Vergleich vor Gericht. Sie warte aber noch immer auf ihre Kaution und auf Rückzahlungen bei den Betriebskosten, sagt die alleinerziehende Mutter: „Jetzt habe ich die verklagt. Das ist gerade aktuell.“
Der Leipziger Mieterverein sieht das Vorgehen der beiden Geschäftspartner schon länger sehr kritisch, sagt die Vorsitzende Anke Mateika. Betroffene sollten unbedingt von Fachleuten prüfen lassen, ob Kündigungen rechtmäßig sind. „Zum Beispiel für Verwertungskündigungen gelten hohe Anforderungen. Sie sind nicht für Spekulationsgeschäfte oder die Steigerung der Rendite gedacht.“ Dennoch: Den Ausschlag für ein Gericht würden stets die Umstände des konkreten Einzelfalls geben.
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Mark Daniel 10.04.2025
Unhaltbare Zustände in Leipziger WG – Anwalt schaltet sich ein
Seit dem Ortstermin des Bauordnungsamtes wegen miserabler Zustände in einer WG im Leipziger Westen steht ein Nutzungsverbot im Raum. Der viel kritisierte Vermieter hatte eine Anhörungsfrist. Jetzt hat sich dessen Anwalt eingeschaltet.
Der aktuelle Zustand ist nicht tragbar. Zu dieser Erkenntnis kamen Mitarbeiter des Bauordnungsamtes zu Beginn der vorvergangenen Woche in der Leipziger Demmeringstraße. Dort hatte die miserable Wohnsituation einer WG bereits in verschiedenen Medien für hohe Aufmerksamkeit gesorgt.
Die Experten aus dem Rathaus hätten erhebliche Mängel festgestellt, so hieß es aus dem Rathaus. Zu den besonders kritischen Punkten dürfte der fehlende Brandschutz gehören. Das bestätigte ein Bau-Fachmann, der 2023 das Haus erschließen sollte, aber von dem Auftrag zurücktrat – weil er die Pläne als „dubios und moralisch nicht in Ordnung“ einstufte, wie er gegenüber der LVZ sagte.
Erst einmal Akteneinsicht
Bis zum vergangenen Freitag hatte der Eigentümer Zeit, sich gegenüber der Kommune zum kritisierten Zustand der Immobilie zu äußern – unter anderem auch dazu, warum er für die Einrichtung der 14 WG-Zimmer keinen Bauantrag gestellt hatte.
„Denkbar ist eine Nutzungsuntersagung“, sagte letzte Woche ein Sprecher. Wie das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege nun auf LVZ-Anfrage mitteilt, ist in der Sache trotz der abgelaufenen Frist noch keine Entscheidung gefallen. „Der Eigentümer der Immobilie hat einen Anwalt beauftragt, der zunächst Akteneinsicht nehmen will“, so das Amt. „Dies wird weitere Zeit beanspruchen.“
Seit der ersten LVZ-Berichterstattung Ende März hat sich in dem Haus kaum etwas getan. Noch immer stehen vor dem Objekt keine ordnungsgemäßen Mülltonnen. Lediglich zwei für den Wohnbereich gedachte Abfallkörbe stehen am Eingang.
Die Schlösser an den Türen wurden gewechselt. Zuvor hatte in jede ein und derselbe Schlüssel gepasst. Die eine defekte von zwei Toiletten wurde inzwischen repariert, informiert ein WG-Bewohner. Aber: „Die Heizung funktioniert noch immer nicht.“
Die aktuell fünf Bewohner leiden seit Monaten vor allem unter der Kälte – bei einer exorbitant hohen Miete: Für das kleinste Zimmer von sieben Quadratmetern zahlt man 265 Euro. Das sind 37 Euro pro Quadratmeter, knapp das Vierfache des Durchschnitts für Kaltmiete in Leipzig (9,45 Euro). Die einzelnen Zimmer sind lediglich durch dünne Gipskartonwände voneinander getrennt.
Bei den Haus-Eigentümern handelt es sich um Kevin Rader und Sven Schwarzat, wie aus Unterlagen hervorgeht, die der LVZ vorliegen. Gegen deren Unternehmen „United Capital RE“ gibt es seit Langem Vorwürfe wegen baurechtlicher Verstöße.
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Mark Daniel 01.04.2025
WG-Haus in Lindenau droht ein Nutzungsverbot – Frist bis Freitag
Dem Leipziger WG-Haus, dessen miserable Zustände durch die Medien gehen, droht ein Nutzungsverbot. Gegenüber der LVZ äußert sich der Mitarbeiter einer Baufirma, die von ihrem Auftrag zurücktrat: „Das war uns zu dubios.“
Nach einem LVZ-Bericht über die miserable Wohnsituation einer WG im Leipziger Westen haben am Montag Mitarbeiter der Stadt die Immobilie besichtigt. Das Bauordnungsamt stellte erhebliche Mängel fest, wie aus dem Rathaus zu erfahren war.
Dem Vermieter wurde ein Ultimatum gestellt. „Bis spätestens Freitag hat er eine Anhörungsmöglichkeit“, so ein Sprecher. Der aktuelle Zustand ist jedenfalls offenbar prekär: „Es steht eine Nutzungsuntersagung im Raum.“
Bau-Fachmann benennt Mängel
Details der Begehung nannte der Sprecher nicht, doch im Fokus dürften vor allem fehlender Brandschutz und unzureichende Rettungswege stehen. Das bekräftigt der Angestellte eines Bauunternehmens, der vom Eigentümer mit der Erschließung des Hauses beauftragt worden war und nach rund drei Monaten das Handtuch geworfen hatte.
„Wie dort vorgegangen wurde und was geplant war, konnten wir weder mit unserem Berufsethos noch unserem Gewissen vereinbaren“, sagt Michael Gerber. Außerdem hätten die Eigentümer dringend benötigte Unterlagen vorenthalten.
Bei den Hausbesitzern handelt es sich um Kevin Rader und Sven Schwarzat. Das geht auch aus Unterlagen hervor, die der LVZ vorliegen. Gegen deren Unternehmen „United Capital RE” gibt es seit langem Vorwürfe wegen baurechtlicher Verstöße.
Michael Gerber, dessen wahren Namen wir zu seinem Schutz nicht nennen, hatte vor über eineinhalb Jahren den Auftrag von Rader bekommen. Im Sommer 2023 hatte er einen ersten Termin mit ihm.
Von Beginn an, so der Bau-Fachmann, lief der Informationsfluss unbefriedigend. Im Mailverkehr, über den die LVZ ebenfalls verfügt, hatte Gerber mehrfach nach Auskünften zu Bestandsplänen zum Objekt nachgefragt, ebenso zur Anzahl der Wohneinheiten und der Entnahmestellen, unter anderem der Anzahl der Bäder.
Grundriss statt Bauplan bekommen
Außerdem wollte Gerber wissen, ob Rader Angebote zur Erschließung für Medien, Zuwasser, Abwasser, Elektro und Heizung vorlägen und ob es Angebote für Tiefbauarbeiten gäbe. „Ich habe entweder keine Antworten bekommen oder nicht zufriedenstellende”, berichtet der Bau-Fachmann. Statt eines Bauplans erhielt er lediglich einen Grundriss.
Zur Herstellung eines Wasseranschlusses benötigten die Wasserwerke unter anderem Nummer und Datum der Baugenehmigung. Gerber bat wiederholt um Zusendung. Ohne Erfolg. Große Bedenken kamen dem Planer bei einem Termin vor Ort. „Da waren schon Wände eingezogen, allesamt nicht fachgemäß angebracht, ohne Dämmung, ohne Schallschutz und ohne Brandschutz. Ich habe das bemängelt und dringend eine Veränderung angemahnt.“
Dann hörte er davon, dass etwa 20 Menschen in das Objekt ziehen sollten und bekam einen Einblick in die Höhe der Mieten. „Das fand ich regelrecht unanständig. Letzten Endes stand in unserer Firma fest, dass wir das nicht mittragen wollen.“ Im November gab das Bau-Unternehmen den Auftrag zurück. „Das war uns zu dubios.“
Jetzt, bei einer Begegnung vor Ort knapp eineinhalb Jahre später, ist er entsetzt. „Es gibt keinen Brandschutz”, konstatiert er. „Bricht hier ein Feuer aus, brennt alles wie Zunder. Ich weiß nicht, wie die Eigentümer angesichts dieses Desasters ruhig schlafen können.“ Die für jedes Zimmer installierte Tür sei ebenso wenig brandsicher wie die Decken- und Wandverkleidung.
Bewohner weiter ohne Heizung
Schlafen und wohnen müssen die bislang fünf Bewohner auch weiterhin ohne Heizung, bei einem Mietpreis zwischen 30 und 37 Euro pro Quadratmeter. Das kleinste Zimmer misst sieben, das größte elf Quadratmeter. Benutzbar ist nur eine von zwei Toiletten, die unmittelbar an die Küche grenzen. „Skrupellos und unmenschlich“ findet Gerber diese Bedingungen.
Am vergangenen Wochenende, an dem der LVZ-Bericht veröffentlicht wurde, bekamen die Mieter Besuch. „Eine Frau war da und hat angekündigt, dass die Heizungen in wenigen Tagen repariert würden“, sagt Sascha, einer der Bewohner.
Abfallkörbe statt Mülltonnen
Zwei weitere Veränderungen: Die Schlösser an den Türen wurden gewechselt – von den sehr schlichten, in die ein und derselbe Schlüssel passte, zu individuellen. Im Hof, in dem bis vor kurzem mangels Mülltonnen ein Berg aus Abfalltüten stand, stehen jetzt zwei Abfallkörbe, die eher für Wohnbereiche gedacht sind.
„Ein Hinweis darauf, dass bei der Stadtreinigung noch immer nichts angemeldet wurde“, so Gerber. Die Stadt hatte bereits gegenüber der LVZ bestätigt, dass für die Einrichtung der 14 WG-Zimmer in der Demmeringstraße kein Bauantrag gestellt worden sei.
Bis zu 30.000 Euro Strafe drohen
Dabei hätte der Eigentümer „jede Form der baulichen Änderung“ im Rathaus beantragen und sich vorab genehmigen lassen müssen, sagt der Sprecher. Die Demmeringstraße liegt im Bereich einer Sozialen Erhaltungssatzung („Milieuschutz“), die seit Juli 2020 gilt. Bei Verstößen drohen hier Strafen von bis zu 30.000 Euro. Auch auf wiederholte Anfragen an Hausverwaltung und Eigentümer bekam die LVZ keine Antwort.
Sollte es zu einem Nutzungsverbot des Gebäudes durch die Stadt kommen, muss geklärt werden, wo die fünf Bewohner untergebracht werden. „Bislang konnten wir keinen Kontakt aufnehmen“, sagt der Stadtsprecher. „Aber im Zweifel werden sie von der Stadt nicht hängengelassen.“
Bündnis-Grüne fordern Konsequenzen
Die Stadtrats-Fraktion der Bündnis-Grünen fordert in dem Fall Demmeringstraße eine umfassende Prüfung und harte Konsequenzen. Der Fraktionsvorsitzende und wohnungspolitische Sprecher Tobias Peter sagt: „Das Beispiel der WG in Lindenau ist der in Leipzig übelste bislang bekannt gewordene Fall von Mietwucher.“ Man brauche wirksame Instrumente dagegen, „mit denen wir derartige Auswüchse aufdecken und konsequent stoppen und im Rahmen des rechtlich Möglichen bestrafen können“.
Juliane Nagel, Linke-Stadträtin und Landtagsmitglied, betont: „Wir müssen nach Mitteln und Wegen suchen, die dem schamlosen Ausnutzen des Mangels an bezahlbaren Wohnungen für Studierende und Azubis einen Riegel vorschieben.“
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Mark Daniel 28.03.2025
37 Euro pro Quadratmeter, 14 Zimmer und ein Klo: Deutschland entsetzt über Leipziger WG
In Leipzig-Lindenau steht ein Wohnhaus an den Bahngleisen, das vom Vermieter als „Cooles Haus voller junger Menschen“ beworben wurde. Was sich darin wirklich abspielt, ist kaum zu fassen.
Winzige, völlig überteuerte Zimmer. Angeblich keine Fenster. Küche, Dusche und Toilette in einem Raum. In sozialen und in Nachrichten-Medien kursieren Schilderungen eines WG-Hauses in Leipzig, dessen Zustand unter anderem als „menschenverachtend“ kommentiert wird.
Deutschlandweit schaut man gerade auf ein Wohnobjekt im Westen der Stadt, nachdem unter anderem die Frankfurter Rundschau einen Post in den sozialen Netzwerken aufgriff. Die Blase der Empörung wächst und wächst, unter anderem auf dem Social-News-Portal „Reddit“. Doch die beschriebenen Zustände bleiben ungeprüft. Stimmen die Angaben? Ein LVZ-Besuch vor Ort in der Demmeringstraße sorgt für ein klares Bild. Es ist ein erschütterndes.
Leipzig-Lindenau: Miete bis zu 37 Euro pro Quadratmeter
Betrat man bis zum vergangenen Mittwoch den Hof am Ende einer langen Straße in Lindenau, fiel gleich der Berg aus Müllsäcken ins Auge. „Wir haben leider keine Mülltonnen“, sagt Sascha. Seit Anfang März wohnt der junge Ukrainer hier. Wie vier andere junge Männer ist er mit zahlreichen widrigen Umständen konfrontiert.
Zum Beispiel mit einer überzogenen Miete. Laut dem bei „Reddit” veröffentlichten Grundriss zahlt man für das kleinste Zimmer 265 Euro. Das sind 37 Euro pro Quadratmeter – knapp das Vierfache des Durchschnitts für Kaltmiete in Leipzig (9,45 Euro). Für einen 11-Quadratmeter-Raum liegt der Preis bei 330 Euro. Die Mieter bestätigen das. 14 winzige Zimmer plus Küche, die ans Klo grenzt. Für die knapp 158 Quadratmeter kalkuliert der Vermieter des Objektes mit insgesamt 4225 Euro Mieteinnahmen im Monat.
Wohnungsverwaltung reagiert nicht
Die Zahlen inkludieren die Nebenkosten, also auch die für eine Heizung. Die allerdings funktioniert nicht, in keinem der bislang fünf bezogenen von insgesamt 14 Zimmern. „Besonders nachts ist es unerträglich kalt“, sagt Sascha. Das hat der 18-Jährige auch der zuständigen Wohnungsverwaltung geschrieben. In der E-Mail, die der LVZ vorliegt, bemängelt er zudem die defekten Steckdosen. Ohne Reaktion, sagt er.
Weitere Unzulänglichkeiten: Die vom Vermieter nicht möblierten WG-Räume trennen dünne Wände aus Gipskarton, durch die jedes Geräusch über das Nachbarzimmer hinaus zu hören ist. „Schnarcht einer von uns, kriegen wir es alle mit“, bemerkt Sascha.
Kabel hängen ungesichert von der Decke
Unter anderem die Verkleidung von Wänden und Decken wurde nicht fachgerecht angebracht, sie ist locker und uneben. Der Flur gleicht einer Baustelle. Es fehlen Lampen, Kabel hängen ungesichert von der Decke.
Auffällig und kurios ist die Aufteilung der Nische am Ende des langen Flurs: Sie besteht aus Küche, Bad und WC in quasi einem Raum. Für 14 Mieter konzipiert. Auf einer Zeile reihen sich Waschmaschine, Küchengeräte und Arbeitsplatte. Direkt gegenüber – etwa einen Meter entfernt – befinden sich die Toiletten, lediglich durch Türen von der Küche abgetrennt. Das riecht buchstäblich nach hygienischer Problematik.
Kündigung erst für September möglich
Eines der beiden WCs ist schon lange defekt. Auch dieses Manko haben die Bewohner gemeldet, ohne dass sich etwas änderte. Ahmad, ein Student aus Syrien, möchte die Zustände nicht mehr ertragen. „Es gibt keine Worte dafür, wie schlecht das Leben in dieser Wohnung ist“, schrieb er an die Hausverwaltung und signalisierte das Vorhaben, zu kündigen.
Das allerdings ist nicht einfach. Im Mietvertrag, der der LVZ ebenfalls vorliegt, steht: „In den ersten vier Jahren ab Unterzeichnung (…) ist es ausschließlich möglich, zum Ablauf des jeweiligen Septembers zu kündigen.“ In einer Antwort an den 23-Jährigen klärt die Hausverwaltung ihn auf, er müsse bei einer vorzeitigen Beendigung einen Nachmieter benennen.
Leipziger Student hat erfolglos nach Alternativen gesucht
Bloß: Wie findet man jemanden, der zu diesen Bedingungen wohnen will? Und überhaupt: Warum haben sich die jungen Männer das angetan? „Ich hatte keine Wahl, der Wohnungsmarkt ist dicht“, sagt Ahmad. Er habe zuvor vorübergehend in der Eisenbahnstraße wohnen können, dann aber lange erfolglos eine Alternative gesucht. Sascha geht es ebenso wie Rakesh (Name geändert), der aus Indiens Metropole Mumbai zum Informatik-Studium nach Leipzig gezogen ist.
Auf der Seite „WG-gesucht“ entdeckte Ahmad das Angebot in Leipzig-Lindenau. „Es blieb mir nichts übrig, als zuzusagen und zu unterschreiben, sonst wäre ich auf der Straße gelandet.“ Sascha sagt: „Ich wusste, was ich unterschreibe und welche Bedingungen damit verbunden sind.“ Er könne sich mit allem arrangieren, außer dem Müllproblem und der nicht laufenden Heizung.
„Die ganze Niedertracht menschlicher Existenz“
Nun leben die jungen Leute in einem Objekt, das alles andere als ein Wohn- oder gar Wohlgefühl vermittelt. Sie sind Opfer vom immer knapper werdenden finanzierbaren Wohnraum. Das Netz ist sich einig. „Der Wohnungsmarkt zeigt die ganze Niedertracht menschlicher Existenz“, schreibt ein User auf „Reddit“.
Entsprechend fallen die Kommentare auf „Reddit“ zum Leipziger WG-Haus aus. Angeprangert werden „menschenverachtende“ Umstände, es werden Vergleiche zu „Wohnkäfigen in Hongkong“ gezogen. Einzig unwahr ist die auf dem Portal genannte Angabe von fensterlosen Räumen. Fenster hat jeder Raum. Allerdings dringen laut den Bewohnern Kälte und Wind hindurch.
Leiwo Hausverwaltung schweigt
Die LVZ konfrontierte die Leiwo Hausverwaltung mit den Mängeln und den Vorwürfen. Im Vertrag ist sie als Vertretung des namentlich nicht genannten Eigentümers genannt. Ebenfalls kontaktiert wurde die im Schriftverkehr der Bewohner aufgeführte Hausverwaltung. Von der kam eine automatische Bestätigung des E-Mail-Erhalts. Doch geantwortet hat niemand.
Bis vor Kurzem war das Objekt in der Demmeringstraße bei „WG-gesucht“ als „Cooles Haus voller junger Menschen“ beworben worden. Schon vor der LVZ-Recherche war die Annonce vom Portal verschwunden.
Für die Mieter Sascha, Ahmad, Rakesh und zwei weitere Personen hängt die Zukunft voller Fragezeichen. „Ich hoffe, aus diesem Dilemma wieder herauszukommen“, sagt Ahmad. „Und dass ich bald irgendwo menschenwürdig wohnen kann.“ Ein kleiner Lichtblick für die WG: Fünf Stunden nach der LVZ-Anfrage war der Müllberg am Eingang verschwunden.