Haushaltsbeschlüsse fehlen – Wegen fehlender Fördergelder: Leipziger Cinémathèque droht Zahlungsunfähigkeit

Weil bislang weder Leipzig noch Sachsen beschlossene Haushalte für das Jahr 2025 haben, fehlen zahlreichen Kulturbetriebe dringend nötige Fördergelder. So auch der Cinémathèque, der im Juni deshalb die Zahlungsunfähigkeit drohen könnte.

Die Leipziger Cinémathèque schränkt ihren Spielbetrieb ein – und könnte womöglich bald zahlungsunfähig sein. Das teilte der dahinter stehende Verein am Dienstag mit. Grund dafür sei, dass es für das laufende Jahr bislang weder einen bestätigten Haushalt auf kommunaler noch auf Landesebene gebe.

Dadurch fehlen für zahlreiche kulturelle Einrichtungen in Leipzig und Sachsen Fördermittel, auf die sie für einen reibungslosen Betrieb angewiesen sind. Die Stadt Leipzig will am 12. März einen Haushaltsplan verabschieden, im sächsischen Landtag soll das vor der parlamentarischen Sommerpause im Juni geschehen. „Doch bis dahin haben die fehlenden Beschlüsse weitreichende Folgen: Unter anderem schränkt es den Kulturbetrieb ein und gefährdet den Fortbestand einiger Institutionen“, so der Cinémathèque Leipzig e.V.

„Das geht nicht nur uns so“

Der Verein zeigt seit den 1990ern unter anderem in der naTo, im Sommerkino am Conne Island und, seit Ende 2023, in einem eigenen Kino in der Karl-Liebknecht-Straße 109 ein kuratiertes Programm aus lokalen und internationalen Filmen, veranstaltet Regie- und Expertengespräche. Bislang gab es dafür eine institutionelle Förderung vom Kulturamt der Stadt Leipzig und vom sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus. Diese fehlt derzeit.

Die Folgen könnten drastisch sein: „Aktuell rechnen wir mit einer drohenden Zahlungsunfähigkeit im Juni, weil durch die vorläufige Haushaltsführung bei Stadt und Land für das erste Halbjahr derzeit nur ein Teil der Abschläge in Höhe von 30 Prozent vom Land und 40 Prozent von der Stadt in Aussicht gestellt wurden. Dass man davon nicht durchs erste Halbjahr kommt, lässt sich einfach nachrechnen“, teilt Sarah Peglow, Verwaltungsmitarbeiterin der Cinémathèque, mit. „Das geht nicht nur uns so. Daher wünschen wir uns zuverlässige Lösungen aus der Politik, wie Kulturbetriebe nachhaltig finanziert werden können.“

Auswirkungen wohl noch bis Ende des Jahres spürbar

Seit Anfang des Jahres veranstalte man deshalb weniger Filmgespräche, kaum Sonderreihen und Kooperationen. Ab April müsse auch die Produktion des Programmheftes ausgesetzt werden. „Auswirkungen auf das Programm werden bis zum Ende des Jahres spürbar bleiben“, heißt es weiter. Auch ein temporärer Verzicht auf Teile der Gehälter und Stundenreduzierungen bei Mitarbeitenden seien geplant. Außerdem könne man weniger Aufträge an lokale Unternehmen erteilen und weniger bis keine Honorare für Künstler und Experten zahlen.

Darüber hinaus fürchtet der Verein, dass es auf Landesebene Kürzungen geben könnte. „Das ignoriert steigende Betriebskosten, Inflation und Lohnanpassungen und macht eine nachhaltige Entwicklung der Institutionen unmöglich“, heißt es.

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Dominic Welters und Klaus Staeubert
12.02.2025

Protest vor der Stadtratssitzung
Freie Kulturszene und Jugendhilfe-Träger warnen in Leipzig vor Haushaltskürzungen

Wie der Leipziger Doppelhaushalt für 2025/26 genau ausfällt, ist noch unklar. Doch CDU, AfD und BSW hatten zuletzt Kürzungen bei der Freien Szene beantragt. Vor der Stadtratssitzung am Mittwoch protestierte deshalb ein Aktionsbündnis gegen drohende finanzielle Einschnitte.

Noch ist gar nicht klar, wie der Leipziger Doppelhaushalt für die Jahre 2025 und 2026 aussieht. Doch da Etatanträge aus den Fraktionen CDU, AfD und BSW zuletzt Kürzungen bei der Freien Kulturszene vorsahen, hat es am Mittwoch vor der Februar-Sitzung des Stadtrates eine weitere Protestaktion der Initiative „Leipzig plus Kultur“ gegeben.
Rund 250 Menschen warnten still und mit solistischen Beiträgen mehrerer Musikerinnen und Musiker vor finanziellen Einschnitten in der Leipziger Kulturlandschaft – auch wenn fast alle Anträge aus den Fraktionen von der Stadtverwaltung inzwischen abgelehnt wurden und es nach wie vor keine Klarheit gibt, wie viel Geld am Ende tatsächlich in die Freie Szene fließt.

Akteure der Jugendhilfe protestieren auch

Der Aktion in der Oberen Wandelhalle des Neuen Rathauses schlossen sich Akteurinnen und Akteure der Arbeitsgemeinschaft Freier Träger der Jugendhilfe in Leipzig an. Auch sie befürchten, dass für ihre Arbeit, darunter die Betreuung junger Menschen im Rahmen von Schulsozialarbeit und Familienschulzentren, die finanziellen Mittel fehlen könnten.

„Wer an der Kultur sägt, fällt die Zukunft“ oder „An der Kultur zu sparen, ist viel zu teuer“: Mit diesen und anderen Plakaten und Transparenten tat die Freie Szene kund, was sie von den drohenden Kürzungen im Kulturbereich hält.
Initiative spricht von „akuter Bedrohung“

„Die aktuelle unklare Haushaltssituation auf allen Ebenen, die Nicht-Einführung der vom Stadtrat beschlossenen Basisförderung sowie der Wegfall der sogenannten Sonderdynamisierung in den Jahren 2023 und 2024 für institutionell geförderte Einrichtungen sind Themen, die uns akut bedrohen“, sagte Dana Ersing, Sprecherin der Initiative „Leipzig plus Kultur“.

Ziel der Aktion sei es, unentschlossenen Stadträtinnen und Stadträten die Wichtigkeit und den Mehrwert von Kultur innerhalb der Leipziger Stadtgesellschaft „noch einmal aufzuzeigen und auf die Bedarfe und die Bedrohung der Kulturszene aufmerksam zu machen“, begründete Dana Ersing die „nurmitkultur“-Aktion der Initiative.
Nächste Protestaktion ist für den 12. März geplant

Zur Stadtratssitzung am 12. März würden sie und ihre Mitstreiterinnen und ihre Mitstreiter wiederkommen, kündigte Sprecherin Dana Ersing an. Dann will die Ratsversammlung den Leipziger Doppelhaushalt 2025/26 verabschieden.
Im Haushaltsentwurf waren bislang rund 12 Millionen Euro für die Freie Kunst- und Kulturszene vorgesehen – gegenüber dem Doppeletat 2023/24 eine Steigerung um 2,5 Prozent. Die kommunalen Einrichtungen der sogenannten Hochkultur – Oper, Gewandhaus, Schauspiel sowie das Theater der Jungen Welt – werden in diesem Jahr wohl rund 110 Millionen Euro aus der Stadtkasse erhalten.

Hochkultur-Budget macht ein Zehnfaches aus

Das Budget für die Freie Szene macht also in etwa ein Zehntel der Hochkultur-Förderung aus. Dafür zieht diese Szene nahezu doppelt so viele Interessenten an. Im Jahr 2023 registrierten Oper, Gewandhaus & Co. rund 530.000 Besucher. Im selben Jahr wurden Veranstaltungen im Kontext der Freien Szene, darunter Angebote der Stadtteil- und Soziokultur, von knapp einer Million Gästen wahrgenommen.

Nach Informationen der LVZ haben Grüne, Linke und SPD im Zuge der Sitzung des erweiterten Finanzausschusses am vergangenen Samstag einen gemeinsamen Antrag formuliert, der die Freie Kunst- und Kulturszene in diesem und im nächsten Jahr mit 1,3 Millionen Euro zusätzlich ausstatten will. Das Geld soll unter anderem der Kompensation steigender Kosten anstelle der wegfallenden Sonderdynamisierung aus den Jahren 2023 und 2024 sowie der Erinnerungskultur dienen.

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Klaus Staeubert
15.01.2025

Debatte zum Haushalt 2025/26
Schlagabtausch im Leipziger Stadtrat zur freien Kulturszene

In der ersten Lesung zum Haushaltsentwurf 2025/26 prallten am Mittwoch die Grundpositionen der Ratsfraktionen zur künftigen Finanzplanung der Stadt Leipzig aufeinander. Sie sind so verschieden, dass ein Kompromiss bis zum März nur schwer vorstellbar ist.

In zwei Monaten will der Leipziger Stadtrat den Doppelhaushalt für 2025/26 verabschieden. Zweimal schon wurde die erste Lesung des Etatentwurfs der Verwaltung verschoben. Am Mittwoch fand die Aussprache nun statt – und zeigte, dass es schwer wird, in den nächsten Wochen einen Kompromiss zu finden. Ein Streitpunkt dabei sind die freie Kulturszene und die Jugendhilfe, für die die Arbeitsgemeinschaft Freier Träger mit Kindern und Jugendlichen bei einer Protestaktion vor dem Sitzungssaal im Neuen Rathaus mehr Geld einforderte.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Weickert erinnerte daran, dass sich die finanziellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seit der Vorstellung des Haushaltsentwurfs im Oktober deutlich verschlechtert hätten.

Doppelhaushalt droht Defizit von 110 Millionen Euro

Die Schwäche der deutschen Wirtschaft, die mit Steuerausfällen und steigenden Sozialausgaben bis in die Kommunen durchschlägt, birgt für die Haushaltsjahre 2025/26 in Leipzig Risiken von insgesamt 110 Millionen Euro. Angesichts dessen vermisste er allerdings eine Orientierung durch die Stadtverwaltung, wie Leipzig „aus dieser Misere“ herausfinden kann. „Von Ihnen kommt nichts“, warf er Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) vor.

Zwischenzeitlich sind aus dem Stadtrat, den Ortschafts- und Stadtbezirksbeiräten sowie der Bürgerschaft knapp 400 Haushaltsanträge eingegangen. Über die muss die Ratsversammlung zwar erst noch beraten. Die Verwaltung aber hat schon den Daumen über sie gesenkt – auch wenn sie Einsparvorschläge enthielten.

CDU: „Das Unpopuläre, aber das Richtige durchsetzen“

Leipzig habe in den vergangenen Jahren zu viel für Konsum ausgegeben, stellte Weickert fest. Die Stadt habe auch zu viel Personal eingestellt, ohne dass die Leipziger dadurch schneller einen Führerschein oder einen Termin im Bürgerbüro bekämen. Es sei daher an der Zeit, „das Unpopuläre, aber das Richtige durchzusetzen“. Soll heißen: den Rotstift an gesetzlich nicht vorgeschriebene Leistungen und am Personalbestand anzusetzen.

Das sieht man bei der Linken ganz anders. Für die Fraktionsvorsitzende Franziska Riekewald stehen vielmehr Bund und Land in der Pflicht. „Wer bestellt, muss auch zahlen“, sagte sie und spielte damit darauf an, dass eine Vielzahl staatlicher Aufgaben, die an die Kommunen übertragen wurden, bis heute nicht vollständig bezahlt werden.

Nach Angaben von Kämmerer Torsten Bonew (CDU) fehlten für eine auskömmliche Finanzierung staatlicher Leistungen, etwa beim Wohngeld oder Unterhaltsvorschuss, in den Jahren 2025 und 2026 zwischen 60 und 70 Millionen Euro in der Stadtkasse.

Solange das so ist, sieht die Linke keinen Grund für Etatkürzungen. Die Fraktion will angesichts des noch immer zum Teil schlimmen Zustandes von Schulen vielmehr dort Investitionen verstärken und mehr Personal in Kitas in sozialen Brennpunktgebieten einsetzen.

„Einen Kahlschlag im sozialen und Kulturbereich wird es mit uns nicht geben“, kündigte Riekewald an und dürfte damit den Demonstranten vor dem Sitzungssaal aus dem Herzen gesprochen haben.

2,5 Prozent mehr für Soziokultur eingeplant – AfD will 2 Millionen Euro kürzen
Tatsächlich sieht der Haushaltsentwurf vor, auch in der freien Kulturszene die Förderungen um 2,5 Prozent aufzustocken. Dies soll insbesondere inflationsbedingte Kostensteigerungen auffangen.

Die AfD will stattdessen die kommunalen Zuschüsse an die Soziokultur kürzen, konkret den linksalternativen Zentren Conne Island, Werk 2 und Nato zwei Millionen Euro entziehen, wie der Fraktionsvorsitzende Tobias Keller hervorhob. Seine Fraktion plädiere für eine Begrenzung der kommunalen Ausgaben und eine Konzentration der städtischen Mittel auf wichtige Vorhaben wie den Bau neuer Wohnungen, die Stärkung der Wirtschaft und die Modernisierung der Infrastruktur.

Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) unterstützt eine Prüfung der Förderungen von Conne Island, Nato und Werk 2. „Freiwillige kommunale Aufgaben können auf Dauer nicht von Schulden getragen werden“, betonte der Fraktionsvorsitzende Eric Recke. Nötig seien vielmehr „sinnvolle, wirtschaftliche und steuerwirksame Investitionen“.
Sven Morlok von der Freien Fraktion erteilte den Angriffen auf die freie Szene eine klare Absage. „Kulturelle Vielfalt ist ein Wesensbestandteil einer freien Gesellschaft“, schrieb er AfD und BSW ins Stammbuch. „Eine Gesellschaft, die sich nur auf Staatskultur und Mainstream stützt, ist nicht frei.“

Grüne: Zuschüsse an Preisentwicklung anpassen

Tobias Peter warnte vor „einer Politik der Abrissbirne“. Diese verstärke Unsicherheit und spalte die Stadt, sagte der Vorsitzende der Grünen-Fraktion. Mühsam über Jahre aufgebaute Strukturen dürften nicht gefährdet werden. Deshalb schlug Peter eine Anpassung der Mittel für die freie Kulturszene an die tatsächliche Preisentwicklung vor und damit weit über die bislang eingeplante Erhöhung.

Die SPD will den Vereinen Sicherheit geben und sprach sich für eine verlässliche „Basisförderung im Kulturbereich“ aus. Die Fraktionsvorsitzende Anja Feichtinger nannte Jugend-, Kultur- und Sportvereine den „Kitt“ einer Gesellschaft. „Wenn sie einmal weg sind, kommen sie nicht so schnell wieder“, warnte Feichtinger und warb trotz aller finanziellen Nöte für eine „Politik mit Augenmaß und Sachverstand“.