Doxing nach dem Kreistag – Darf ein Bautzener Kreisrat Fotos aus der Bürgerfragestunde veröffentlichen?

Der rechtsextremistische Kreisrat Benjamin Moses hat ein Foto eines Bürgers aufgenommen und veröffentlicht, der in der Fragestunde des Kreistages gesprochen hat. Das ist vermutlich nicht nur rechtswidrig, sondern folgt auch einer bewussten Strategie.

Dass Einwohner des Landkreises Bautzen ihre Anliegen direkt im Kreistag vortragen, kommt regelmäßig vor und ist gewünscht. Zu Beginn der Sitzungen gibt es dafür die Bürgerfragestunde. Dass ein Kreisrat allerdings ein Foto davon macht und auf seinem Instagram-Kanal veröffentlicht, ist neu.

In der jüngsten Sitzung des Kreistages am 31. März fragte ein junger Mann, warum der Landkreis das Bundesprogramm „Partnerschaften für Demokratie“ beenden wolle. Gerade solche Programme seien wichtig, um die gesellschaftlichen Gräben zuzuschütten. Im weiteren Verlauf beendete der Kreistag mehrheitlich auf Vorschlag der Verwaltung das Förderprogramm.

Mobiltelefone für Bautzener Kreisräte eigentlich untersagt

Dafür stimmte unter anderen Kreisrat Benjamin Moses von der Liste Bündnis Oberlausitz/Freie Sachsen. Ein Foto vom Abstimmungsergebnis postete er auf seinem Telegram-Kanal. Bei dem Programm handele es sich um Steuerverschwendung. Und noch ein Foto veröffentlichte er in einer Story auf einem seiner Instagram-Kanäle: Es zeigte den jungen Fragesteller gut erkennbar von der Seite.

Dazu schrieb Benjamin Moses: „Ihr könnt doch nicht einfach die Kohle kürzen … die bösen Rechten …“ Der betroffene junge Mann aus der Bürgerfragestunde will sich gegenüber Sächsische.de nicht dazu äußern.

Der Landkreis Bautzen kennt den Vorfall und erklärt, dass die Nutzung von Mobiltelefonen „die Durchführung der Sitzung nicht stören dürfen.“ So sei es in der Geschäftsordnung des Kreistages geregelt und von den Kreisräten am 19. August 2024 beschlossen worden. „Wir gehen davon aus, dass alle Kreisräte diese Geschäftsordnung auch kennen“, sagt eine Sprecherin.

Da verschiedene Kreisräte regelmäßig ihre Mobiltelefone in der Sitzung etwa für Social Media nutzen, werde sich der Ältestenrat mit dem Thema befassen. Laut Angaben des Landratsamtes kommen die Fraktions- und Gruppenvorsitzenden dazu wieder am 2. Juni 2025 zusammen.

Womöglich gegen Recht am eigenen Bild verstoßen

Der Sprecher der Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten erklärt allgemein, dass die Geschäftsordnung des Kreistages Bautzen den Kreisräten die Nutzung ihrer Mobiltelefone und damit auch der integrierten Kameras verbiete. Björn-Henrik Lehmann verweist dazu auf Paragraf 10 der Geschäftsordnung. „Die Kreisräte verzichten zur ungestörten Durchführung der Sitzungen auf die Benutzung von Mobiltelefonen“, heißt es dort.

Zudem sei bereits die Aufnahme „von Personen ohne deren Einverständnis oder gar heimlich grundsätzlich nicht zulässig.“ Das ergebe sich aus dem Recht am eigenen Bild sowie aus dem Kunsturhebergesetz. Dieses regelt auch gewisse Aufnahmen, etwa wenn es um Bilder von Versammlungen oder um Themen der Zeitgeschichte geht.

Kreisrat Benjamin Moses mit rechtsextremistischer Gesinnung

Kreisrat Benjamin Moses fällt hier nicht das erste Mal auf. Seit August sitzt er im Kreistag und trägt in den Sitzungen etwa Kleidung der rechtsextremistischen Kampfsportveranstaltung „Kampf der Nibelungen“ (KdN). Laut dem Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen ist „das Tragen des T-Shirts der Marke KdN mit den beiden Aufdrucken ‚Kampf der Nibelungen‘ und ‚Disziplin ist alles!‘ eindeutiger Ausdruck einer rechtsextremistischen Gesinnung.“

Benjamin Moses gehört zur Gruppe „Balaclava Graphics“, die Bilder und Videos bei rechtsextremistischen Versammlungen erstellt und verbreitet sowie Flyer oder Cover für diese Szene, etwa Bands, anbietet. Der Verfassungsschutz stuft „Balaclava Graphics“ als neonationalsozialistisch ein.

Auf Anfrage zu seinem Beitrag mit dem jungen Fragesteller erklärt Benjamin Moses: „Ich wollte wahrscheinlich mit der Story auf unterhaltsame Weise zeigen, wie erstaunlich groß das Interesse an regionaler Politik plötzlich ist – zumindest dann, wenn es um mögliche Kürzungen bei dubiosen Projekten geht.“

Strategie, um politische Gegner einzuschüchtern

Für das mobile Beratungsteam des Kulturbüros Sachsen für die Landkreise Bautzen und Görlitz geht es neben dem rechtlichen Aspekt noch um Folgendes: „die gezielte Markierung politischer Gegner“. Davon gebe es vergleichbare Fälle vor allem von rechtsextremen oder demokratiefeindlichen Akteuren. „Solche Inszenierungen verfolgen das Ziel, politische Gegner*innen zu diskreditieren, zivilgesellschaftliches Engagement lächerlich zu machen und Einzelne durch öffentliche Bloßstellung einzuschüchtern“, sagt Christian Schäfer vom Kulturbüro.

Bei diesen Fällen würden Personen gezielt bloßgestellt, diskreditiert oder verzerrt dargestellt. „Fachlich lässt sich dies unter Begriffen wie Delegitimierung demokratischer Diskurse, digitale Gewalt oder Doxing fassen“, sagt Schäfer.

In diesem konkreten Fall sei relevant, „dass Benjamin Moses in der Vergangenheit bereits mehrfach mit ähnlichen Verhaltensweisen aufgefallen ist.“ So habe er etwa bei einer Montagsversammlung der sogenannten „Mahnwache Bautzen“ gezielt das Wohnhaus einer von ihm zur politischen Gegnerin erklärten Person gefilmt und in dem Video namentlich kommentiert. „Solche Handlungen überschreiten aus unserer Sicht die Grenze zwischen politischer Auseinandersetzung und gezielter persönlicher Diffamierung deutlich“, erklärt das Kulturbüro.

Zumindest auf Instagram haben Benjamin Moses und die Gruppe „Balaclava Graphics“ offenbar kaum noch Chancen, ihre Inhalte zu verbreiten. Denn der Meta-Konzern hatte deren Kanäle dort zuletzt immer wieder gesperrt. Wie Benjamin Moses in seinem jüngsten Podcast sagt, liste Meta ihn mittlerweile sogar als gefährliche oder terroristische Organisation. Für ihn sei das aber „reine Willkür“.