Iraker in Eilenburg nach der Wahl: „Egal, wie sehr wir uns anstrengen, es reicht nie aus“

Der Iraker Mahmood Al Rahmani wohnt mit seiner Familie in Eilenburg. Er wartet auf die Einbürgerung, ist integriert, fühlt sich aber zunehmend nicht gewollt. Wie geht es ihm nach der Bundestagswahl, bei der die AfD in Nordsachsen als deutlicher Sieger hervorging?
Mahmood Al Rahmani will immer einen guten Eindruck machen. Rollkragen- statt Kapuzenpullover, Jeans statt Jogginghose. „Mir ist es wichtig, anständig auszusehen, höflich und ordentlich zu wirken.“ Der 21-Jährige sagt das nicht aus Eitelkeit, sondern um den Menschen auf der Straße, im Supermarkt, auf der Arbeit keine Angriffsfläche zu bieten. Dennoch treffen ihn zunehmend mehr abschätzige Blicke, nicht selten auch unvermittelte Anfeindungen. „Die Menschen sehen in mir nur den Iraker, den Ausländer. Sie kennen mich nicht, aber urteilen schon – sie lesen nur den Titel, aber nicht das Buch.“
Das sei schon mit seiner Ankunft in Deutschland vor acht Jahren so gewesen. Doch insbesondere der Bundeswahlkampf, bei dem das Thema Migration wie kein anderes diskutiert wurde, habe die Situation für seine Familie in Nordsachsen zugespitzt, der ‚Erdrutschsieg‘ der AfD im Landkreis das übrige getan. „Die Menschen, die uns nicht hier haben wollen, sagen das jetzt viel offener.“ Und die Wahl habe für ihn gezeigt, wie viele das sind.
AfD-Kandidat holt in Eilenburg 45,9 Prozent der Stimmen
Mahmood wohnt mit seinen Geschwistern und Eltern seit drei Jahren in Eilenburg. Eigentlich, sagt er, fühle er sich hier wohl. Er hat einen Job in der Logistik, mag die Stadt, hat hier Freunde gefunden. Nach der Wahl hat sich das für ihn uns seine ältere Schwester Aya aber geändert: 45,9 Prozent der Eilenburger gaben dem AfD-Kandidaten René Bochmann ihre Stimme. Bochmann, als Teil des als gesichert rechtsextrem eingestuften Landesverbandes, zog auch mit der Forderung nach „Remigration“ in den Wahlkampf. Jetzt zieht er für den Wahlkreis 150 Nordsachsen erneut als Direktmandat in den Deutschen Bundestag ein.
„Es hat mich ehrlich gesagt nicht überrascht“, sagt Aya. Die 22-Jährige hat den Wahlkampf verfolgt, auch wenn sie und Ihr Bruder selbst nicht wählen dürfen. Was sie schockiert hat, waren nicht die Worte der AfD, die sie schon lange kennt, sondern die der CDU – eine Partei der Mitte. „Man fühlt sich angesprochen. Es verunsichert und man denkt dann: Die wollen uns nicht, die wollen uns unbedingt abschieben.“
Unsicherheit und Angst: Mehr Abschiebungen in den Irak
Seit sechs Jahren hat die Familie einen befristeten Aufenthaltstitel, ein unbefristeter wird derzeit von den Behörden bearbeitet. „Ich weiß, dass es bei uns nicht so einfach geht, dass wir eigentlich keine Angst haben brauchen“, sagt Aya. Trotzdem ist Sorge ihr stetiger Begleiter, wenn sie liest, dass irakische Staatsangehörige abgeschoben werden. 2024 waren es in Sachsen 51 Menschen.
„Die Zahl der Abschiebungen in den Irak nimmt zu. Viele Menschen aus dem Irak fühlen sich verunsichert, sowohl durch die zunehmende Möglichkeit der Abschiebung als auch durch die Intransparenz des Abkommens zwischen dem Irak und der Bundesregierung“, erklärt Osman Oğuz, Pressesprecher des Sächsischen Flüchtlingsrates.
Abschiebungen seien zu einem politischen Instrument geworden. „Und es wird in der Öffentlichkeit als Strafmaßnahme kommuniziert, ohne dass es dafür eine rechtliche Grundlage gibt.“ So läge auf der Hand, dass die Angst unter den Menschen mit Fluchthintergrund wächst, unabhängig von deren Aufenthaltstitel.
Mehr Sicherheit durch Einbürgerung?
Viel Hoffnung setzten die Geschwister Al Rahmani deshalb auf ihre Einbürgerung. Die 22-jährige Aya hat ihren Antrag vor rund zwei Wochen beim Amt für Migration und Ausländerrecht Nordsachsen gestellt. Mahmood muss noch sechs Monate warten. Laut dem Landratsamt beträgt die Wartezeit für einen Termin, um die Einbürgerung beantragen zu können, rund acht Monate. Weitere sieben Monate benötigt die Bearbeitung. Über ein Jahr wird es also noch dauern, bis Mahmood überhaupt weiß, ob er die deutsche Staatsbürgerschaft bekommt oder nicht. Grund dafür ist die steigende Anzahl an Einbürgerungsanträgen und Beratungen, wie das Landratsamt auf Nachfrage erklärt.
Eine Einbürgerung wird den Geschwistern zwar Sicherheit geben, dass diese ihre Situation aber verbessert, glauben sie nicht. „Wir sind gut integriert, wir sprechen fließend Deutsch, gehen arbeiten, zahlen Steuern, aber dennoch werden wir nicht als Bürger gesehen“, sagt sie. Ihr Bruder fügt an: „Deutschland ist unser zu Hause, aber egal wie sehr wir uns anstrengen, es reicht nie aus.“ Daran werde auch die Einbürgerungsurkunde nichts ändern.
Trotzdem will das Geschwisterpaar in Eilenburg bleiben. Aya ihr Abitur nachholen und Jura oder Medizin studieren. Mahmood träumt von der Selbstständigkeit. Er will sein eigener Chef sein – zeigen, was er kann, ohne sich beobachtet fühlen zu müssen. „Ich lade jeden ein, mich und meine Familie kennenzulernen. Wir stehen für so viele anständige Familien in Deutschland. Wir gehören hierher, deswegen bleiben wir.“