Razzia in Leipzig – Das „Ende der Hinhaltetaktik“: Aus der schillernden Figur Gröner wird eine tragische

Am Konzernsitz in Leipzig-Eutritzsch wurden am Mittwoch Firmenräume des Bauunternehmers Christoph Gröner von Ermittlern durchsucht. Der zentrale Straftatverdacht der Insolvenzverschleppung ist der vorläufige Gipfel eines eigenwilligen Weges des 56-Jährigen durch die Krisen der Branche.

Die Leipziger Staatsanwaltschaft läutet in der Krise des bundesweit aktiven Immobilienriesen Christoph Gröner das nächste Kapitel ein. Und das auf eindeutige Art. Am Mittwoch um 7.15 Uhr verschickte die Ermittlungsbehörde eine Pressemitteilung, laut der kurz zuvor umfangreiche Durchsuchungen am Konzernsitz des bekannten Bauunternehmers begonnen hatten.

In der Leipziger Haferkornstraße 7/9 waren zu dem Zeitpunkt schon ein Dutzend Polizeiwagen zu sehen. Büroräume wurden durchsucht. Zugänge gesperrt. Nicht nur in der Haferkornstraße sind die Beamten im Einsatz. Es gibt an diesem Tag Durchsuchungen in mehreren Büros der Gruppe bundesweit.

Aus der schillernden Figur eines Immobilien-Moguls, der sich gern neben schicken Sportwagen und als Gönner gesellschaftlicher Stadtereignisse (Opernball) zeigte, ist eine Schicksalsfigur geworden. Immer neue Nachrichten zu Insolvenzanträgen oder Zahlungsverzügen bei Wasser- oder Stromversorgern sind, so scheint es, die Spitze eines Kraftaktes, mit dem sich der Bauherr durch die Krisenzeiten seiner Branche kämpfte. Diesen Kampf reizte Gröner oft bis zur letzten Sekunde aus. Der Kampf gipfelt nun vorläufig in einem Verfahren wegen des Verdachts auf Insolvenzverschleppung.

Zeitpunkt einer möglichen Zahlungsunfähigkeit entscheidend

Ziel der Razzia am Mittwochmorgen sei das Auffinden von Geschäfts- und Buchhaltungsunterlagen. Augenzeugen am Konzernsitz im Leipzig-Eutritzsch berichteten, dass die dortigen Beschäftigten von der Aktion sehr überrascht waren. Die Einsatzkräfte sperrten alle Ein- und Ausgänge zu dem gelben Klinkerbau ab, der sich in einem Hof zwischen der Haferkornstraße und dem Gleisvorfeld vom Hauptbahnhof befindet. Zutritt erhielten nur Personen, die sich ausweisen und den Grund ihres Besuchs nennen konnten.

Zeitgleich erhielten auch Wohnadressen des Managements und andere Geschäftsräume unangekündigten Besuch. Aus Justizkreisen verlautete, es seien auch Adressen in Berlin betroffen gewesen. „Gegen die jeweiligen Verantwortlichen einzelner Gesellschaften der Gröner Unternehmensgruppe besteht der Anfangsverdacht einer Insolvenzverschleppung. Soweit Beiträge der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung zumindest nicht fristgemäß an die jeweiligen Krankenkassen abgeführt wurden, besteht außerdem der Verdacht für ein Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“, erklärte die Staatsanwaltschaft. „Entsprechende Ermittlungen wurden zum Teil bereits im August 2024 eingeleitet.“

Auch an diesem Mittwoch nannte die Behörde keine Namen, zu welchen Personen aus dem Management ermittelt wird. Dies lässt sich aber zum Teil aus dem Zusammenhang der aktuellen Verlautbarungen erkennen. Im August hatte das Leipziger Amtsgericht Insolvenzprüfungsverfahren zu mehreren Leipziger Handwerksfirmen eingeleitet, die Gröners Initialen CG im Namen führen. Gleiches galt für die Holding Gröner Group GmbH, bei welcher der 56-jährige Konzernchef alleiniger Geschäftsführer ist. Ihm gehören auch 92 Prozent der Gesellschafteranteile.

Die LVZ berichtete exklusiv, dass Auslöser dieser Verfahren Forderungen der Krankenkasse AOK plus gewesen waren. Gröners Firmen sollen Versicherungsbeiträge in insgesamt sechsstelliger Höhe für ihre Beschäftigten nicht rechtzeitig abgeführt haben. Nach und nach wurden die Außenstände aber doch noch bezahlt, so die AOK plus. Anschließend stellte das Gericht alle Prüfungsverfahren wieder ein.

Eigenen Insolvenzantrag erst Tage später gestellt

Zwei Monate später brach eine neue Welle von Insolvenzanträgen los. Diesmal stammten sie alle von der Investment-Firma Emerald Advisory GmbH, die gegen den Baukonzern Forderungen über 83 Millionen Euro fällig gestellt hatte. Aufgrund der Emerald-Anträge eröffnete das Leipziger Amtsgericht am 30. Oktober ein neues Insolvenzprüfungsverfahren gegen die schon einmal betroffene Gröner Group GmbH. Erst fünf Tage später reichte die Holding dann selbst einen Insolvenzantrag ein.

Hinzu kamen ein halbes Dutzend Prüfungsverfahren gegen verschiedene Projektgesellschaften zur Entwicklung von Gewerbe-Immobilien – überwiegend mit Sitz in Leipzig. Für sämtliche Prüfungen wurde der Berliner Rechtsanwalt Philipp Hackländer als vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt. Die Staatsanwaltschaft führe ihre strafrechtlichen Ermittlungen parallel zu seinen insolvenzrechtlichen Ermittlungen, erläuterte Hackländer. „Dort gibt es zwangsläufig Überschneidungen, wenngleich die Staatsanwaltschaft auch gegen die Organe von Gesellschaften der Gröner-Gruppe ermittelt, für die mir derzeit keine Insolvenzanträge bekannt sind.“

Erst am Dienstag hatte das Leipziger Amtsgericht ein „allgemeines Verfügungsverbot“ für die Gröner Group GmbH erlassen. „Es dient der Sicherung vermögensrechtlicher Ansprüche der künftigen Insolvenzmasse“, erläuterte Hackländer dazu. Zugriff auf etwaige Vermögenswerte dieser Gesellschaft habe damit ab sofort allein der Insolvenzverwalter.

Gröners Anwalt Ben Irle bestätigte die Hausdurchsuchungen, von denen Gesellschaften und Organe der Gröner-Gruppe betroffen gewesen seien. „Soweit sich aus den uns vorliegenden Durchsuchungsbeschlüssen allein ergibt, dass wegen des Vorwurfes der Insolvenzverschleppung ermittelt wird, weisen wir diesen Vorwurf entschieden als unbegründet zurück und gehen sicher davon aus, dass die Ermittlungen zu keinem anderen Ergebnis gelangen werden.“

Operatives Geschäft soll unverändert weiterlaufen

Der Konzern habe noch keine Kenntnis zu den Anlässen, Hintergründen und etwaigen schon bestehenden Ermittlungsergebnissen. Deswegen könne man derzeit nicht inhaltlich zu den Vorwürfen Stellung nehmen. „Das gesamte, in der CG Group GmbH gebündelte operative Geschäft der Gröner-Gruppe bleibt durch diese Ermittlungsverfahren unbeeinträchtigt und läuft unverändert weiter“, versicherte Irle.

Seit Monaten hat der Konzern immer wieder durch Zahlungsschwierigkeiten von sich reden gemacht oder durch Streit um Zahlungen. Nach Recherchen diese Zeitung war bei der Staatsanwaltschaft schon am 12. Juli 2024 eine Strafanzeige eines Gläubigers aus Leipzig gegen mehrere Manager der Gröner-Gruppe eingereicht worden. Der Gläubiger forderte von Gröners Firmen einen sechsstelligen Betrag. Auch hier zielten die Tatvorwürfe bereits in Richtung Insolvenzverschleppung.

Nach Angaben des Gläubigers stellte die Staatsanwaltschaft ihre Prüfungen zunächst ergebnislos wieder ein. Dagegen ging der Gläubiger in Widerspruch: Diesen solle er in den nächsten Tagen schriftlich begründen.

Auch Handwerksbetriebe in Leipzig, Merseburg sowie in westdeutschen Städten warten auf Geld von Christoph Gröner, das sie nach erbrachten Leistungen nicht bekommen hätten. Viele Handwerker sind deshalb wütend auf den 56-jährigen Unternehmer, andere zeigen aber auch Verständnis für dessen schwierige Lage. Der lange Zeit erfolgreiche Projektentwickler sei auch nur ein Opfer der seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Branchenkrise im Bau- und Immobiliensektor, ist dort zu hören.

Etliche Bauprojekte in Dresden und in Leipzig

Der Gröner-Konzern gehörte in der Vergangenheit zu den größten Bauprojektentwicklern in Deutschland. Zum Beispiel sanierte er in Dresden das ehemalige Postgebäude am Postplatz und baute auch das Quartier Hoym nahe der Frauenkirche. In Leipzig gehörten die früheren Bleichert-Werke in Gohlis, die Plagwitzer Höfe oder das LKG-Wohnensemble an der Prager Straße zu den bekanntesten und gelungenen Bauvorhaben.

In den vergangenen Tagen und Wochen kam es wiederholt zu Ankündigungen der Leipziger Wasserwerke, die Versorgung für einzelne Immobilien des Baukonzerns zu unterbrechen. Anlass waren auch dort laut Aushängen offene Forderungen, die nicht beglichen wurden. Betroffen war etwa das Elsterforum an der Forstraße in Leipzig-Plagwitz. Erst am Montag hatte das Gröner Family Office auf Anfrage mitgeteilt, dass Rechnungen zum Elsterforum jüngst bezahlt worden seien. Daher drohe keine Versorgungsunterbrechung mehr.

Verschiedene Gläubiger meinten am Mittwoch, Gröner müsse aufgrund des Eingreifens der Staatsanwaltschaft nun seine Strategie ändern. In den vergangenen Monaten habe sein Konzern fast alles versucht, um Zeit zu gewinnen, Rechnungen nur noch bezahlt, wenn es gar nicht mehr anders ging. Eine solche „Hinhaltetaktik“ sei nicht nur verheerend für die Arbeitsplätze in den Firmen, denen man Geld schuldet, sondern auch strafrechtlich höchst riskant für die handelnden Personen. Das habe die Staatsanwaltschaft mit ihrer Razzia am Mittwoch unmissverständlich klargemacht.

Zur Person

Christoph Gröner wurde 1968 in Köln geboren, wuchs in Karlsruhe auf und zog 1995 mit einer kleinen Baufirma um nach Leipzig. In der Messestadt gehören ihm noch immer große Gewerbe-Immobilien wie die Plagwitzer Höfe oder der einstmals größte Postbahnhof der Welt im Stadtteil Schönefeld. Die Zahl der Beschäftigten des Konzerns wurde zuletzt mit rund 400 angegeben.