Die politische Alltagskultur in Ostdeutschland ist rechts – Sächsische Grenzgänge
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) versucht, der AfD durch eine besonders harte Linie gegen Migration die Wählerstimmen abspenstig zu machen. So schlug er zuletzt vor, eine eigene sächsische Grenzpolizei zu schaffen.
Die rechtsextremen Parteien, die weltweit und besonders in Europa Erfolge feiern, schöpfen ihre Kraft nicht zuletzt aus der Furcht, die sie verbreiten. Weil die öffentlichen Debatten beständig um die Frage kreisen, ob die Rechtsextremen an die Macht kommen werden, stehen sie und ihre Lieblingsthemen immerzu im Mittelpunkt.
Der gegenwärtige Wahlkampf in Sachsen ist da keine Ausnahme. Wie schon bei der vorigen Landtagswahl im Jahr 2019 konzentrieren die Medien ihre Berichterstattung auf die vermeintlich entscheidende Frage, ob die CDU oder die AfD auf Platz eins landen wird. Beide liegen in Umfragen bei etwa 30 Prozent.
Für die kleinen Parteien, zu denen in Sachsen auch die Linkspartei, die Grünen und die SPD zählen, ist es schwer, überhaupt wahrgenommen zu werden. Alle drei genannten Parteien könnten an der Fünfprozenthürde scheitern und den Einzug ins Landesparlament verpassen.
Eine Neuerung gegenüber den Wahlen von 2019 ist der Antritt des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Die neue Partei kann mit dem Einzug in den Landtag rechnen, auch wenn die Parteivorsitzende selbst nicht antritt.
Sächsische AfD »gesichert rechtsextremistisch«
Es gibt gute Gründe, einen weiteren Machtzuwachs der AfD zu fürchten, die seit ihrem Erfolg bei den Kommunalwahlen im Juni auf lokaler Ebene vielerorts de facto schon mitregiert. Der Landesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende im Sächsischen Landtag, Jörg Urban, gehört zu den treuen Gefolgsleuten Björn Höckes, obgleich er weniger schrill auftritt. »Zwischen Sachsen und Thüringen gibt es keine inhaltlichen Differenzen«, stellte Urban auf einem AfD-Parteitag im August 2023 klar. Urban unterstützte auch die unter dem Schlagwort »Remigration« initiierte Kampagne zur millionenfachen Deportation von Menschen mit Migrationsgeschichte.
Der Landesverfassungsschutz hat die sächsische AfD – nach Jahren der Ignoranz und Verharmlosung – im Dezember 2023 als »gesichert rechtsextremistisch« eingestuft. Die Einschätzung hielt auch einer gerichtlichen Überprüfung stand, beeindruckt die Wählerschaft der Partei aber in keiner Weise. Die AfD wählt man in Sachsen längst nicht mehr aus Protest, sondern aus Überzeugung.
In den ländlichen Regionen ist inzwischen jene kulturelle Hegemonie Wirklichkeit, von der neurechte Ideologen seit Alain de Benoist träumen. Andersdenkende werden in Dörfern und kleinen Städten so lange eingeschüchtert, bis sie schweigen oder wegziehen. Mit den »Freien Sachsen« – Neonazis, die sich als sächsische Separatisten tarnen – gibt es inzwischen sogar eine Partei, die an der AfD noch rechts vorbeiziehen möchte.
Kretschmer von der CDU schlingerte durch den Wahlkampf
Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU schlingerte durch den Wahlkampf im Bemühen, die Konkurrenz von AfD und BSW abzuwehren. Indem er wiederholt laut gegen die auf Bundesebene regierende Ampelkoalition zeterte, verschaffte er sich bundesweite Bekanntheit und Sympathie in Sachsen, heizte jedoch auch die Wut in seinem Bundesland weiter an.
Zugleich sorgte er selbst dafür, dass Themen der Landespolitik nur eine untergeordnete Rolle im Wahlkampf spielten. In der Frage des russischen Angriffskriegs wich er vom Kurs seiner eigenen Partei ab und forderte, die Waffenlieferungen an die Ukraine zu verringern. Auch beim Thema Migration gab er dem Druck von AfD und BSW nach und versuchte, mit demonstrativer Härte zu punkten. So unterbreitete er kurz vor Ende des Wahlkampfs noch den Vorschlag, eine eigene »sächsische Grenzpolizei« an der Grenze des Bundeslandes einzusetzen, um Migranten daran zu hindern, nach Sachsen einzureisen.
Zugleich beharrte er darauf, nie mit der AfD zusammenzuarbeiten. Die verwies hämisch darauf, dass es für diese Abgrenzung inhaltlich keine Gründe mehr gebe. Es spricht einiges dafür, dass Kretschmer letztlich die Landesregierung weiterführen wird – das BSW hat sich für eine Koalition bereits angeboten.
Grüne und SPD als Mehrheitsbeschaffer der CDU
So gut wie keine Hoffnung auf Wahlerfolge gibt es bei der sächsischen Wahl aus linker Perspektive. Der AfD gelang es nicht nur, die auch von der CDU angetriebene Migrationsdebatte zu dominieren, sondern zudem, die Forderung nach Frieden nationalistisch zu okkupieren.
Grüne und SPD bestritten ihren Wahlkampf damit, sich als Mehrheitsbeschaffer der CDU zu empfehlen. Petra Köpping, die Spitzenkandidatin der SPD, ließ sogar ein Plakat drucken, das sie mit dem CDU-Ministerpräsidenten zeigt. Die Linkspartei setzte mit ihrer Spitzenkandidatin Susanne Schaper, einer gelernten Krankenschwester, auf klassische Sozialpolitik, zum BSW wandern die Wähler allerdings wegen den Themen Migration und Russland ab.
In Sachsen zeigt sich im Extrem das, was in ganz Deutschland droht. Stärker noch als anderswo in Deutschland sorgt in Sachsen der wachsende Einfluss der extremen Rechten in Alltagskultur und sozialen Medien dafür, dass linke Positionen politisch immer seltener eine Rolle spielen.