Rechtsextreme fahnden öffentlich nach neuer Privatadresse von Mittelsachsen-Landrat Neubauer
Die rechtsextremen „Freien Sachsen“ mobilisieren gegen den mittelsächsischen Landrat Dirk Neubauer. Nachdem bekannt wurde, dass der seinen Wohnort verlegt hat, fordern sie Hinweise. Ein Tabubruch.
Freiberg.Mittelsachsens Landrat Dirk Neubauer (parteilos) ist erneut Ziel der extrem rechten „Freien Sachsen“: In einem Aufruf auf Telegram fordern sie, ihnen Hinweise zu dessen neuem Wohnort zukommen zu lassen. „Wir wollen doch den nächsten Autokorso planen“, heißt es.
Die „Sächsische Zeitung“ (SZ) hatte zuvor berichtet, dass Neubauer seinen bisherigen Wohnort in Hohenfichte nahe Augustusburg aufgegeben habe. Mit seinem Umzug wolle er seine Familie, aber auch die Menschen in Hohenfichte schützen, obwohl er sich als Landrat nicht verbergen wolle oder könne. Er könne und wolle sich allerdings auch nicht damit abfinden, dass Anfeindungen ihn bis ins Private verfolgen würden. „In der Stellenbeschreibung stand nicht drin, dass ich mich bepöbeln, belagern, beschimpfen und bedrohen lassen muss.“
Rechtsextreme mobilisierten mehrfach gegen Landrat
Die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Kleinstpartei „Freie Sachsen“ hatte mehrfach kommentiert, dass Neubauer sich nach eigenen Worten als Bürger und gegen Rechtsextremismus zu Wort gemeldet hatte.
Nachdem eine Recherche des gemeinwohlorientierten Medienhauses „Correctiv“ das Treffen und die Pläne von Rechtsextremisten mit Politikern der AfD und der CDU Anfang 2024 öffentlich gemacht hatte, waren auch in Mittelsachsen Menschen für Demokratie und Vielfalt auf die Straße gegangen – darunter Dirk Neubauer. So hatte er im Februar an einer Demonstration teilgenommen, zu der unter anderem das Bürgerbündnis „Freiberg für alle“ (FFA) aufgerufen hatte.
Die Rechtsaufsichtsbehörde des Landratsamtes hatte Freibergers OB Sven Krüger empfohlen, aus Gründen der Neutralitätspflicht in Vorwahlzeiten nicht an der Demonstration teilzunehmen. Zumindest wenn er nach außen nicht klar erkennbar nur als Privatpersonen Stellung beziehe.
Autokorsos und Wahlkampf im Wohnort des Landrats
Dirk Neubauer hingegen begründete seine Teilnahme damit, dass er für eine Bürgerpflicht halte, „gegen Extremismus und für Zusammenhalt, Menschlichkeit und Mut für die Zukunftsaufgaben und ja, am Ende vor allem zur Verteidigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung, für unsere Demokratie auf die Straße zu gehen“. Als „Mensch, Bürger, Vater und auch Landrat“, betonte er. Er halte es für „überdenkenswürdig“, ob Neutralitätspflicht für Wahlbeamte noch zeitgemäß sei, sagte er jetzt der „SZ“.
Mit Autokorsos, die in drei Fällen zum damaligen Heimatdorf führten, wollten die „Freien Sachsen“ ihn vor den Kommunalwahlen an ebendiese Neutralitätspflicht erinnern. Videomitschnitte, die sie davon auf Telegram teilten, zeigen Wahlkampfauftritte der Extremrechten. In denen geht es viel um die Bundespolitik, wenig um Neubauers Verantwortungsbereich. Er wird als „Volksfeind“ geschmäht, der zum „Altparteienkartell“ gehöre. Laut Polizeidirektion Chemnitz kam es bei den Korsos zu keinen strafrechtlich relevanten Taten.
Übergriff bleibt vorerst unkommentiert
„Aber vielleicht vertreiben wir ihn ja auch irgendwann. In eine andere Ecke. Oder ganz raus aus Sachsen“, sagt ein Redner nahe Neubauers Privatadresse eine Woche vor der Kommunalwahl am 9. Juni. Laut „SZ“ hatte Neubauer da seinen Wohnsitz schon aufgegeben. Es mache etwas mit einem, wenn man wie er in Sträflingskleidung im Internet oder auf Plakaten dargestellt werde, sagte Dirk Neubauer der „SZ“. Sicherheitsbedenken, die er jetzt habe, würden ihm Energie für seine eigentliche Arbeit nehmen.
Den jetzt veröffentlichten Aufruf, seine neue Privatadresse durchzustellen, wollte Neubauer, der im Urlaub ist, auf Nachfrage der „Freien Presse“ am Donnerstag nicht kommentieren. Laut Polizei ist der Aufruf, eine Adresse zu teilen, an sich noch nicht strafbar, wenn keine Melderegister oder ähnliches missbraucht werden.
Diese Angriffe auf das private Wohnumfeld gehörten zu den Bedrohungs- und Angstszenarien, die Rechtsextremisten und Delegitimierer des Staates nutzten, sagte Patricia Vernhold, Sprecherin des Landesamts für Verfassungsschutz.
Auch die „Freien Sachsen“ schürten so Angst, „um Personen wie den Landrat einzuschüchtern und Amts- und Mandatsträgern immer wieder klar zu machen: ‚Wir haben euch im Blick‘“.