Sachsenring – Treffpunkt der rechten Szene?
Auf dem Sachsenring in Hohenstein-Ernstthal ist dieses Jahr beim MotoGP abermals ein neuer Besucherrekord aufgestellt worden. Mehr als 252.000 Gäste zählten die Veranstalter – rund 20.000 mehr als vergangenes Jahr. Doch unangenehm fällt auf, dass demokratiefeindliche, rassistische und sexistische Symbole von einigen Campern offen auf dem Ankerberg zur Schau gestellt werden. Ist das kein Widerspruch zur nach außen getragenen Weltoffenheit der international beliebten Veranstaltung?
Zehntausende Motorsportbegeisterte haben dieses Jahr auf dem Sachsenring ihren Idolen zugejubelt. Auch auf dem Ankerberg sind MotoGP-Fans aus aller Welt zusammengekommen, um gemeinsam den Sport zu genießen, zu campen und beim Ankerberg-Festival zu feiern. Neben all der guten Laune, hatten wir Reporter mitunter ein mulmiges Gefühl auf dem Ankerberg. Wie auch vergangenes Jahr stellten Camper ohne Scheu Objekte zur Schau, die offen demokratie- oder fremdenfeindlich und sexistisch auf uns wirkten.
Reichsflaggen flattern übers ganze Wochenende
Wie schon letztes Jahr haben wir mehrere Reichsfahnen aus dem Deutschen Kaiserreich, einige mit Eisernem Kreuz, gesehen. Zudem trugen einige Camper auf Hemden oder tätowiert einen Lorbeerkranz. Diese Symbole sind zwar nicht verboten, sind aber in der rechtsextremen Szene verbreitet. Der Leipziger Historiker Martin Baumert erklärt dazu: „Die Reichsfahne ist in allen möglichen rechten Gruppierungen verbreitet und symbolisiert die Ablehnung der schwarz-rot-goldenen Flagge als Symbol für die demokratische Bundesrepublik.“
Militaristische Symbole zur Schau gestellt
Auch das Eiserne Kreuz in Kombination mit der schwarz-weiß-roten Reichsflagge – auf dem Ankerberg mehrfach sichtbar – ist für Historiker Baumert ein „demokratiefeindliches Symbol“. „Das Symbol ist auch bei Reichsbürgern, Querdenkern und Monarchisten sehr beliebt.“
Polizei stellt keine verbotenen Zeichen fest
Die Polizei verwies auf Nachfrage von MDR SACHSEN darauf, dass keine verbotenen Symbole auf dem Ankerberg festgestellt worden seien. Der Campingplatz-Betreiber könne von seinem Hausrecht Gebrauch machen, um unerwünschte Zeichen anzuzeigen beziehungsweise entfernen zu lassen, hieß es weiter.
Campingplatz-Betreiber will Reichsflaggen untersagen
Wieso aber ging der Campingplatz-Betreiber bisher nicht gegen die Reichsflaggen vor? In der Campingplatz-Ordnung vom vergangenen MotoGP-Wochenende war dazu keine Regelung zu finden. Auf Anfrage von MDR SACHSEN geht der Betreiber des Campingplatzes nicht direkt darauf ein. Aber: Es sei veranlasst worden, dass künftig die besagten Flaggen verboten werden.
Rassistische Parolen auf Pullover
Ein Motiv, das ein Camper auf seinem Pullover trug, wirkte auf uns besonders befremdlich. Darauf ist ein Flugzeug mit den Figuren des „Refugees Welcome“-Symbol zu sehen. Darunter prangert groß die Aufschrift „Rückkehrmanager“ und darunter „born to hate“. Historiker Baumert sagt dazu: „Seit den Veröffentlichungen von Correctiv zu dem Remigrationstreffen in Potsdam sind solche Sprüche recht beliebt.“
Für Friedemann Brause von der SLpB ist das Motiv eindeutig: Menschenfeindliche und asylkritische Symbole wie „Rückreisemanager“ mit „NS“-Symbol ließen sich eindeutig dem neonazistischen Spektrum zuordnen.
Gefahr der „Normalisierung“ demokratiefeindlicher Symbolik
Solche Flaggen, Symbole und Codes gehören für SLpB-Referent Friedemann Brause zum „bewussten Versteckspiel“ rechter Personen, das auszunutzen, was rechtlich gerade noch möglich ist. Hierbei sieht Brause die Gefahr einer zunehmenden Verharmlosung: „Wenn solche im Kern demokratiefeindlichen Symbole unhinterfragt zur Schau gestellt werden können, trägt das zu deren Normalisierung bei.“
Campingplatz-Betreiber: Ankerberg ist kein rechter Treffpunkt
Zu der Frage, ob der Ankerberg zu einem Treffpunkt der rechten Szene geworden sein könnte, sagt der Betreiber deutlich: „Das Festival und der Campingplatz sind aus unserer Sicht kein Treffpunkt der rechten Szene.“ In Bezug auf die Flaggen und Symbole auf eine rechte Gesinnung der Personen zu schließen, halte der Veranstalter für komplett überzogen.
Dahingehend verweist dieser auf das Persönlichkeitsrecht und die Meinungsfreiheit eines jeden Einzelnen. Bei Zehntausenden Besuchern gebe es ohnehin keine Garantie, dass jedes T-Shirt oder Tattoo überprüft werden könne.
Keine Störungen wegen Symbolik gemeldet
Störungen könnten jederzeit beanstandet werden, heißt es vom Betreiber: „In solchen Fällen greift unser Team auch entschieden ein.“ Am MotoGP-Wochenende habe sich wegen der besagten Symbolik niemand gestört gefühlt. Man spreche sich klar gegen verfassungsfeindliche Äußerungen und generelle Störungen aus.
Verfassungswidrige Zeichen mehrfach gezeigt
Der Veranstalter nennt einen Platzverweis vom Ankerberg gegen sechs Personen. Diese hatten laut Polizei unter anderem Security-Mitarbeiter und Polizeibeamte beleidigt und bedroht. Eine Person dieser Gruppe sei bereits vorher durch das Zeigen verfassungswidriger Zeichen aufgefallen.
Auf Anfrage teilte die Polizei mit, dass in diesem Zusammenhang drei weitere Fälle bekannt und strafrechtlich verfolgt wurden. Es könne jedoch von keiner Häufung gesprochen werden. Vom Veranstalter heißt es dazu: „Dass sich nicht jedes Fehlverhalten unterbinden lässt, ist ein Umstand, der bei Großveranstaltungen dieser Art bedauerlicherweise ertragen werden muss.“
Stadt: Campingplatz-Genehmigung erfolgte mit Auflage
Die Städte Hohenstein-Ernstthal und Oberlungwitz weisen auf Anfrage darauf hin, dass bei ihnen keine Beschwerden zu der Thematik bisher eingegangen seien. Die Stadt Oberlungwitz – auf deren Flur sich der Ankerberg befindet – betont: „Wir distanzieren uns von jeglichem rechten Gedankengut und möchten in unserer Stadt keinen Platz dafür bieten.“
Dem Campingplatz-Betreiber sei mit dem Genehmigungsbescheid zur Errichtung des Campingplatzes die Auflage erteilt worden, dass das Anbringen und die öffentliche Darstellung von verfassungswidrigen Symbolen und Zeichen sowie das Abspielen jugendgefährdender, insbesondere nationalsozialistischer Lieder verboten ist und strafrechtlich verfolgt werden kann. Verstöße sollten dokumentiert und angezeigt werden.
Sex- und Schaufensterpuppen machen frauenfeindlichen Eindruck
Wie auch vergangenes Jahr sind uns auch Objekte ins Auge gefallen, die einen sexistischen bis frauenfeindlichen Eindruck bei uns erweckt haben. So hatten einige Camper Sexpuppen oder weibliche, teils unbekleidete Schaufensterpuppen platziert. Einer Schaufensterpuppe wurde ein Plastikweihnachtsbaum zwischen die Beine gesteckt. Auf Plakaten war der Spruch „Muschis rasieren“ zu lesen, daneben waren knapp bekleidete Pin-Up-Girls als Comicfiguren abgebildet. MDR SACHSEN konfrontierte den Betreiber mit diesen Beobachtungen. Eine Anfrage dazu ließ dieser unbeantwortet.
Campingplatz-Betreiber betont Weltoffenheit
Abschließend betont der Betreiber nochmal, dass die MotoGP ein weltoffenes Event mit vielen internationalen Besuchern aus aller Welt ist. „Unser Fokus ist darauf gerichtet, allen Menschen ein friedliches Rennwochenende zu ermöglichen. Wir werden auch künftig immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Beschwerden unserer internationalen Gäste haben.“