Was will Sachsens Polizei mit Maschinengewehren?
Die Kriegswaffen können mehrere Hundert Schuss pro Minute abgeben. Nicht jeder Streifenwagen soll eine bekommen. Aber deren Besatzungen werden mit mehr Sturmgewehren aus dem Militärsektor ausgestattet als ursprünglich geplant.
Dresden Die sächsische Polizei rüstet auf und kauft dabei auch Kriegswaffen wie Maschinengewehre. Dies teilt der Sprecher des Innenministeriums Richard Baldeweg auf Anfrage der „Freien Presse“ mit. Die Polizei habe inzwischen zwei Maschinengewehre erworben. Die Waffen sind für den Einsatz in Spezialeinheiten vorgesehen. „Sie werden für den äußersten Fall gebraucht, von dem wir hoffen, dass er nie eintritt“, sagt Baldeweg.
Denkbar sind etwa Anti-Terror-Einsätze oder gefährliche Lagen wie der Einsatz der Polizei und der Spezialeinheit GSG 9 gegen einen Sportschützen 2018 in der Königsbrücker Heide nördlich von Dresden, der sich nach einem Tötungsdelikt 20 Stunden lang in einem ehemaligen Kommandanturgebäude eines früheren Truppenübungsplatzes verschanzt hatte und dabei auf Polizisten geschossen hatte.
Das sächsische Polizeivollzugsdienstgesetz erlaube die Anschaffung und den Einsatz von Maschinengewehren, so Ministeriumssprecher Baldeweg, ebenso wie den Erwerb von Handgranaten, die ebenfalls als Kriegswaffen gelten. Der sächsische Verfassungsgerichtshof hatte den entsprechenden Passus im Gesetz in einem Urteil im Januar bestätigt.
Linken-Abgeordnete: Polizei ist keine Armee und darf es auch nicht werden
Um welchen Typ es sich bei dem Maschinengewehr handelt, mit dem sächsische Spezialeinheiten ausgestattet werden, dazu wollte das Innenministerium sich „grundsätzlich“ nicht äußern. Naheliegend ist das Modell MG5 des deutschen Herstellers Heckler & Koch, das bei der Bundeswehr den älteren Typ MG3 ablöste, weil sich die Länderpolizeien oft an der Truppe orientieren.
Mit der vollautomatischen Waffe können der Bundeswehr zufolge bis zu 800 Schuss pro Minute auf eine Distanz bis zu 1200 Metern abgefeuert werden. Im polizeideutsch ist das Maschinengewehr „eine Langdistanzwaffe, um auf größere Menschenmengen einzuwirken“. Auch das Minimi MK3 des belgischen Herstellers FN Herstal käme infrage. Dies ist bereits bei gepanzerten Fahrzeugen der bayerischen Polizei im Einsatz. Die Beschaffung von Handgranaten und weiterer Maschinengewehre sei aber „derzeit nicht vorgesehen“, so der Ministeriumssprecher Baldeweg.
Exakt so lautete auch die Antwort des Innenministeriums auf eine kleine Anfrage der Linken-Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz. In dem Schreiben vom 27. Februar war jedoch nur von einem bisher gekauften Maschinengewehr die Rede. Das Ministerium habe anscheinend erst in jüngster Zeit weiter aufgerüstet, sagt Köditz.
„Maschinengewehre sind Kriegswaffen, die Polizei ist aber keine Armee und darf es auch nicht werden.“ Es sei ihres Wissens in Sachsen noch nie bei einem Einsatz ein Maschinengewehr benötigt worden.
„Ich frage mich, welche Bürgerkriegs-Phantasien hier im Spiel sind. Ich halte das für völlig verantwortungslos“, so Köditz. Maschinengewehre seinen keine Präzisionswaffen, wegen der Streuwirkung der Schüsse sei es in einem echten Einsatz kaum zu vermeiden, dass Unbeteiligte getötet würden.
Polizei kauft auch deutlich mehr Sturmgewehre als ursprünglich geplant
Dem Gelsenkirchender Polizeiwissenschaftler und Dozenten Frank Kawelovski zufolge hatte die frühere Bundesrepublik Maschinengewehre und Handgranaten als Polizeiwaffen 1980 per Gesetzesänderung abgeschafft.
Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA sowie Anschlägen vor allem des letzten Jahrzehnts in Deutschland sehen Sicherheitsbehörden offenbar wieder den Bedarf, die Polizei stärker für solche Einsatzlagen auszurüsten.
In Sachsen gilt das inzwischen auch für Streifenwagen-Besatzungen. Seit einigen Jahren werden die bisherigen Maschinenpistolen MP5 des Herstellers Heckler & Koch durch Sturmgewehre des Typs CR 223 des Suhler Herstellers Haenel ersetzt – ebenfalls, um im Fall von Terroranschlägen oder Amokläufen auch auf große Distanz eingreifen zu können. Auch die Bundeswehr hatte solche Gewehre geordert, griff dann aber doch auf den traditionellen Waffenlieferanten Heckler & Koch zurück.
Hatte das zum Innenministerium gehörende Polizeiverwaltungsamt zunächst 2300 Stück beschafft, wurde der Rahmenvertrag mit dem Hersteller inzwischen auf 3000 Sturmgewehre erhöht. 160 Exemplare müssen wegen eines Patentstreits der Firma Haenel mit Heckler & Koch zurückgegeben und neu beschafft werden. Der Patenstreit hatte Anfang 2023 für Schlagzeilen gesorgt, weil zunächst unklar war, ob die Polizei die zu diesem Zeitpunkt bereits gelieferten 2200 Gewehre zurückgeben muss.