Gegen Spekulation und Leerstand: Leipzig will Angebote von Airbnb und Co. beschränken
Internetportale wie Airbnb bieten in Leipzig Hunderte Unterkünfte für Reisende an. Wegen der Wohnungsnot will das Leipziger Rathaus dieses Geschäft stärker regulieren.
Weil der Wohnraum in Leipzig immer knapper wird, will das Rathaus nun deutlich strenger gegen spekulative Leerstände und auch gegen touristische Vermietungen vorgehen. Ab 1. Juli 2024 soll im ganzen Stadtgebiet ein sogenanntes Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum gelten. Betroffen davon wären zum Teil auch Vermieter von Ferienwohnungen (Fewo) oder von Zimmern, die über Internetportale wie Airbnb für Kurzaufenthalte in Leipzig angeboten werden.
Wie viele Wohnungen in Leipzig zweckentfremdet genutzt werden, dazu gibt es keine aktuellen Daten. Nach einer Initiative der SPD hatte die Stadtverwaltung im Jahr 2019 eine Grobschätzung durchführen lassen. Demnach standen seinerzeit 12.000 Wohnungen dauerhaft leer. Für 600 Wohnungen stellte die Studie eine ständige Nutzung als Ferienapartment fest – also nicht nur gelegentliche Vermietungen zu Zeiten, wenn die Hauptmieter gerade verreist sind.
Bis zu 650 Airbnb-Unterkünfte
Die Autoren gingen von stark steigenden Zahlen bei den touristischen Vermietungen aus. Pro Jahr könne Leipzig bis zu 500 Wohnungen durch weitere Zweckentfremdungen verlieren, warnten sie. Eine aktuelle Stichprobe der LVZ ergab jedoch, dass die Entwicklung wohl nicht ganz so dramatisch verlaufen ist. Derzeit werden auf Airbnb für ein normales Wochenende in Leipzig (zwei Personen von Freitag bis Sonntag) in der Spitze bis zu 650 Unterkünfte angeboten. Dieser Höchstwert gilt dabei für eher unbeliebte Reisezeiten wie den November 2024. An normalen Arbeitstagen sind in aller Regel deutlich weniger Offerten verfügbar. An dem jetzt bevorstehenden Wochenende wären in Leipzig noch mehr als 450 Unterkünfte frei – davon 185 mit Zimmerpreisen unter 100 Euro pro Nacht.
Am Wochenende der Buchmesse (21. bis 24. März) sieht die Lage freilich anders aus. Für diesen besonders begehrten Zeitraum sind auf Airbnb nur noch etwa 50 Unterkünfte in Leipzig zu finden – darunter vier mit Zimmerpreisen unter 100 Euro pro Nacht. Eines der vier Angebote ist ein Wohnwagen. Generell liegt bei vielen Inseraten tatsächlich der Verdacht nahe, dass es sich um Zweckentfremdungen handeln könnte. Zum Beispiel vermittelt ein „erfahrener Vermieter“ seit sechs Jahren in der Nähe des Hauptbahnhofs eine „gemütliche Gästewohnung“ mit zwei Schlafzimmern, drei Doppelbetten und zwei Bädern für bis zu sechs Personen – samt Reiniungsgebühr von 70 Euro, Frühbucherrabatt von 36 Euro und Wohnungszugang per App.
Etwa 15 Prozent der Wohnungen in der City gelten als zweckentfremdet. Weitere Hotspots sind vor allem Lagen unweit von größeren Seen und vom Auenwald. Künftig sollen gewerbliche Vermietungen von Wohnraum nur noch erlaubt sein, wenn der Anbieter dafür eine Genehmigung der Stadt Leipzig hat. Nicht von den neuen Bestimmungen und Kontrollen erfasst werden Wohnungen, die von Tagesmüttern und -vätern, von Arztpraxen, Kanzleien oder ähnlichen Dienstleistern genutzt werden. Laut der Studie von 2019 waren das in Leipzig rund 8400 Stück. Solche Modelle will die Kommune nicht antasten, um eine wohnortnahe Versorgung der Bürgerinnen und Bürger zu erhalten.
100.000 Euro Strafe möglich
Grundlage des Zweckentfremdungsverbotes ist ein Gesetz, das der sächsische Landtag (nach jahrelangem Ringen in der Regierungskoalition) am 31. Januar 2024 beschlossen hatte. Demnach dürfen Städte mit angespanntem Wohnungsmarkt – konkret Leipzig und Dresden – nun eigene Satzungen erlassen, um Mietshäuser vor anderen Nutzungen zu schützen. Laut den Vorgaben des Freistaates kann das intakte Wohnungen betreffen, die länger als zwölf Monate leer stehen. Auch wer eine Wohnung länger als zwölf Wochen pro Jahr als Ferienapartment vermieten möchte, braucht in Zukunft eine Genehmigung der Stadt. Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu 100.000 Euro. Wer sich nicht an die ebenfalls neue Auskunftspflicht hält, dem drohen Bußgelder von bis zu 50.000 Euro.
Bei den Details sind die Abgrenzungen aber oft kompliziert. So greift das Verbotsgesetz nicht bei Wohnungen, die wegen ihres Bauzustandes unbewohnbar sind und ebenfalls nicht bei Gewerbebauten. Ebenso dürfen Familien etwa ein früheres Kinderzimmer weiterhin auch länger als drei Monate an zum Beispiel Studierende untervermieten – denn in solchen Fällen dient der Platz ja weiterhin als Wohnraum. Für bereits zweckentfremdete Ferienapartments soll es hingegen Übergangsfristen geben, in denen sie noch ohne Genehmigung weiterhin genutzt werden dürfen.
Alle Details muss die Stadt nun rechtssicher in ihre kommunale Satzung gießen. Auf Anfrage der Linken und der SPD teilte das Baudezernat soeben mit, dass diese Satzung bereits in Arbeit sei. Der Stadtrat könne das Papier in seiner Sitzung am 19. Juni 2024 beschließen, womit das Zweckentfremdungsverbot in Leipzig dann ab 1. Juli gelten würde. Und zwar im gesamten Stadtgebiet, denn der Wohnungsmangel betreffe ja auch die gesamte Stadt, erklärte das Dezernat.
SPD drängt auf mehr Tempo
Die SPD hatte gehofft, die Satzung könne schon im Frühling beschlossen werden, so Fraktionschef Christopher Zenker. „Die Inhalte des angekündigten Landesgesetzes waren ja schon länger bekannt. Bereits Mitte 2023 hatten wir das Baudezernat darauf mit einer Anfrage aufmerksam gemacht.“ Abgesehen vom Zeitplan reiche es jedoch nicht aus, ein Papier zu beschließen. „Wir schlagen deshalb vor, dass zum 1. Januar 2025 weitere sechs Stellen in der Verwaltung geschaffen werden, um die Satzung auch umzusetzen.“
Schließlich gehe es hier nicht um eine Lappalie, sondern um insgesamt bis zu 15 000 Wohnungen, von denen viele zurück auf den Mietmarkt geholt werden könnten, so Zenker. Die Verwaltung solle auch eine Zusammenarbeit mit staatlichen Finanzbehörden anstreben, weil solche Behörden am ehesten in der Lage seien, von Portalen wie Airbnb Auskünfte über einzelne Vermieter zu erhalten. Für ein Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum hatten sich schon lange auch die Leipziger Linke und die Grünen eingesetzt.
Jens Rometsch 06.02.2024
Das ist in Leipzig gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum geplant
In Leipzig wurde es lange erwartet: Ein neues Gesetz soll in sächsischen Großstädten Spekulationen mit Wohn-Immobilien einschränken. Auch die Umnutzung von Wohnraum zu Ferienquartieren wird erschwert.
Es hat lange gedauert, aber nun beschloss der Sächsische Landtag doch noch ein „Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum in Sachsen“ – so der offizielle Titel. Bereits in den Koalitionsverhandlungen vor vier Jahren hatten Bündnis 90/Die Grünen auf eine solche Regelung gedrängt.
„Wohnungen sind keine Hotels. Dort, wo in den Städten teils ganze Häuser nur noch aus durchnummerierten Ferienwohnungen bestehen, können die Kommunen nun eingreifen und gezielt für mehr Wohnraum sorgen“, sagt Thomas Löser, wohnungspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion. Zudem helfe die Neuregelung gegen Spekulationen am Immobilienmarkt.
Zwölf-Wochen-Frist bei Ferienapartments
Allerdings müssen Städte, die das Zweckenfremdungsverbot nutzen wollen, zunächst einen Mangel an Wohnungen nachweisen und dann noch eine eigenen Satzung mit konkreten Festlegungen für die jeweilige Kommune beschließen, fährt Löser fort. In Betracht komme das zunächst vor allem für Leipzig und Dresden. In Leipzig gebe es nach Schätzungen mehrere Tausend Wohnungen, die derzeit zweckentfremdet sind.
Die neuen Regeln könnten alle Eigentümer betreffen, die eine Wohnung länger als zwölf Wochen pro Jahr als Ferienapartment vermieten – zum Beispiel über Internet-Plattformen wie Airbnb. Auch wer eine intakte Wohnung länger als zwölf Monate leer stehen lässt, braucht dafür künftig eine Genehmigung der Stadt.
Das Leipziger Baudezernat will dazu schnellstmöglich eine eigene Satzung mit Detailregelungen vom Stadtrat beschließen lassen, hatte es schon zuvor mitgeteilt. Für die Umsetzung rechnet das Dezernat mit einem Bedarf von acht bis zehn Vollzeitstellen.
Eigentümer müssen Auskünfte erteilen
Verstöße von Eigentümern dürfte die Kommune dann als Ordnungswidrigkeit behandeln und mit Geldstrafen von bis zu 100.000 Euro belegen. Wer sich nicht an die ebenfalls neue Auskunftspflicht zu dem Thema hält, dem drohen Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro.
Jedoch greift das Verbotsgesetz nicht bei unbewohnbaren Wohnungen und auch nicht bei Gewerbebauten. Deshalb würde es keine Lösung für beispielsweise die Ludwigstraße 71 und andere stillgelegte Häuser bringen, die schon wegen Besetzungsaktionen in die Schlagzeilen gerieten, erläuterte das Baudezernat. Bei ruinierten Bauten müsse die Stadtverwaltung weiter mit Instandsetzungsgeboten arbeiten.
Als Beginn des Leerstehenlassens von Wohnraum gilt laut dem neuen Gesetz grundsätzlich das Ende des letzten Mietverhältnisses, bei Neubauten der Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit. Betroffen könnte demnach ein mehrfach preisgekrönter Neubau am Lindenauer Hafen mit 56 Wohnungen sein. Dieses wirklich schicke Ensemble steht seit mehr als zwei Jahren leer, weil die Berliner Bauherren-Firma Thamm & Partner lange keinen Käufer zu akzeptablen Konditionen fand.
Übergangszeit von bis zu zwei Jahren
Bei Ferienwohnungen wird eine Übergangszeit festgeschrieben. Das heißt: Wer ein solches Quartier bereits „zweckentfremdet“ nutzt, dies aber innerhalb von drei Monaten nach Beschluss einer kommunalen Satzung im Rathaus meldet, darf die Nutzung insgesamt zwei Jahre fortführen.
Nicht sonderlich euphorisch fielen die Reaktionen im Leipziger Stadtrat aus. Grünen-Fraktionschef Tobias Peter spach von einem überfälligen Schritt. „Seit fünf Jahren diskutieren wir in Leipzig die Zweckentfremdung von Wohnungen durch Ferienwohnungen, Leerstand und Gewerbe. Spekulativer Leerstand muss grundsätzlich unterbunden werden“, meinte er.
Für die Linke-Fraktion verglichen Juliane Nagel und Mathias Weber das Gesetz mit einem Tiger, der oft müde ist und etliche Zahnlücken hat. „Wir hätten uns gewünscht, dass das Gesetz auch die gewerbliche Umnutzung von Wohnraum sowie Verwahrlosung und Abriss reglementiert. Immerhin werden in unserer Stadt jährlich 200 bis 300 Wohnungen als Gewerbe umgenutzt“, schrieben sie in einer gemeinsamen Erklärung. „Wir werden auch im Land weiterhin den Druck erhöhen, damit das Zweckentfremdungsverbot evaluiert und nachgeschärft wird.“
„Ein Zweckentfremdungsverbot ist ein weiterer Baustein, um die starken Steigerungen der Wohnungsmieten abzumildern“, erklärte Anja Feichtinger, wohnungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. „Der Stadtrat hatte bereits 2018 auf Antrag unserer Fraktion die Stadt Leipzig beauftragt, die notwendige Datengrundlage für Maßnahmen gegen die Zweckentfremdung von privatem Wohnraum zur Verfügung zu stellen.“ Dem sei die hiesige Verwaltung im Rathaus seinerzeit auch nachgekommen. Die Stadt Leipzig stehe nun in den Startlöchern, um die neuen Mittel anzuwenden.