Zwei Events, ein Thema: Erinnern an den Polizeikessel vom „Tag X“

Quelle: LVZ

In Leipzig erinnern am Samstag zwei Veranstaltungen an den „Tag X“, den 3. Juni 2023. Bei beiden wollten die Anwesenden Solidarität bekunden und der Debatte um die Ereignisse des Tages, wie den stundenlangen Polizeikessel, neuen Schwung verleihen.

Die Bilder des 3. Juni 2023, des „Tag X“ sind einigen Leipzigerinnen und Leipzigern in Erinnerung geblieben: Der rote Rauch, der über den Wasserwerfern in der Luft hing, die Menschen auf der Straße, die vielen Polizisten, die einen Ring um den Alexis-Schumann-Platz bildeten. Rund drei Monate später erinnerten zwei Veranstaltungen nun an die Ereignisse des 3. Juni. Das „Tag X Festival“ auf dem Schumann-Platz und der „Rave against Repression“ auf dem Richard-Wagner-Hain. Im Gespräch berichten eine Veranstalterin und ein Betroffener, warum sie öffentlich an den Tag erinnern.

„Kampf der Klassenjustiz“ vom Schatten aus

An diesem Samstag stehen am Alexis-Schuhmann-Platz wieder Polizeiwagen, wenn auch nur wenige. Als das „Tag X Festival“ dort um 13.30 Uhr beginnt, ist noch nicht besonders viel los. Rund um die Wiese sind Stände aufgebaut. „Gegen Nazis“, „Free X Antifa“ und „Kampf der Klassenjustiz“ heißt es von den Transparenten. Die meisten haben sich in den Schatten begeben und hören von dort den Redebeiträgen oder zwischenzeitlich einem Hip-Hop-Duo zu. Arthur steht auch im Schatten, wo er am Stand der „Förderation Klassenkämpferischer Organisationen“, FKO, Flyer und Infomaterial ausgibt.

„Ich habe doch gar nichts gemacht“

Arthur ist 19 Jahre alt und erzählt, er habe am 3. Juni etwa zehn Stunden im Kessel verbracht. An den Tag erinnert er sich mit einem unguten Gefühl: das lange Ausharren, die Unklarheit, ein Ohnmachtsgefühl. Er berichtet von Gewalt gegen andere Menschen im Kessel, undurchschaubar sei es gewesen und er habe sich kriminalisiert gefühlt. „Ich habe doch nichts gemacht“, sagt er, der sich nun wegen schweren Landfriedensbruchs verantworten muss. „Demonstrieren gehen, dachte ich, ist doch legitim. Teilweise wird man halt behindert, wenn man sich für eine gerechtere Welt einsetzt“, sagt der junge Mann.

Für Arthur und die anderen am Stand der FKO ist es wichtig, noch mal ein Zeichen zu setzen: Auch wenn man sich nicht grundsätzlich hinter alles stelle, was „aus der linken Szene heraus“ am 3. Juni passiert sei, sich solidarisch zeigen und gegen Rechts starkmachen sei ihnen wichtig.

Zwei Veranstaltungen, zwei Generationen

Der Altersdurchschnitt bei der FKO beim „Tag X Festival“ müsste bei etwa 18 liegen. Eine ältere Generation linker Aktivistinnen und Aktivisten trifft sich ab 15 Uhr am Richard-Wagner-Hain aus dem gleichen Anlass. Auch hier ist mittags noch nicht besonders viel los, einige Grüppchen, die die direkte Sonne meiden, Kuchen und Suppen gegen Spenden ausgeben.

Auch hier will man sich beim „Rave against Repression“ solidarisch gegenüber den Eingekesselten zeigen, Spenden für Verfahrenskosten sammeln – und vor allem zeigen, dass das Thema „Tag X“, obwohl nicht mehr so präsent, für sie nicht erledigt ist. Deswegen ist Rena von „Eltern gegen Polizeigewalt“ da.

Rave noch bis in die Nacht

Rena meint „es ist grundsätzlich bei der Polizei etwas falsch, auch nicht nur in Sachsen“. Das habe sich, so Rena, 3. Juni und auch am 1. Mai in Leipzig, durch „Repression durch die Polizei“, deutlich gezeigt. Es fehle ein Schutzkonzept, eine unabhängige Instanz auf Demonstrationen, die neutral beobachten und auch der Polizei auf die Finger schauen könne.

Beim „Rave against Repression“ waren neben den „Eltern gegen Polizeigewalt“ auch der Verein „Say it loud“, sowie das Aktionsbündnis Leipzig nimmt Platz vor Ort. Der Rave mit unterschiedlichen DJ-Sets soll bis in die Nacht dauern.


08.09.2023

Rave für Solidarität nach „Tag X“ – Aktionsbündnis sammelt Spenden für Betroffene des Kessels

Der „Tag X“ und der Polizeikessel sind Anlass für einen Rave am Samstag, den 9. September. Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ will Spenden für Betroffene sammeln.

Das Aktionsbündnis „Leipzig nimmt Platz“ veranstaltet am Samstag, 9. September, einen „Rave gegen Repression“ im Leipziger Westen. Ziel der Tanzveranstaltung ist laut den Veranstalterinnen und Veranstaltern, „Polizeiübergriffe und Rechtsbeugung“ aufzuarbeiten, Spenden für die Verfahrenskosten Betroffener zu sammeln und sich solidarisch zu zeigen. Erinnert wird insbesondere an den Polizeikessel des „Tag X“ in Leipzig.

Der Rave soll am Samstag im Richard-Wagner-Hain um 15 Uhr stattfinden. Neben Redebeiträgen ist Live-Musik geplant und es legen zwei DJs auf.

Versammlungen am 1. Mai und 3. Juni 2023: Veranstalter erinnern an Repression

Irena Rudolph-Kokot vom Aktionsnetzwerk sieht eine Entwicklung, wonach „Behörden friedliche Versammlungen mit Repressionen“ überzögen. Dabei bezog sie sich nicht nur auf den 3. Juni 2023, der als „Tag X“ bekannt ist, sondern auch auf den 1. Mai dieses Jahres. Dass es bei beiden Versammlungen zu einem Polizeikessel gekommen sei, im Juni mit vielen Minderjährigen, zeige, wie vehement Behörden gegen alles vorgingen, was vermeintlich links sei, so Rudolph-Kokot.

„Das Ereignis hat mich stark traumatisiert“

In der Mitteilung des Aktionsbündnisses wird der 17-jährige Felix Konrad zitiert, der sich innerhalb des Kessels befunden haben soll: „Das Ereignis hat mich stark traumatisiert. Ich wurde über elf Stunden ohne Zugang zu sanitären Anlagen oder Essen und Trinken mit über 1300 weiteren Menschen am 3./4. Juni von der Polizei in einem Kessel buchstäblich eingepfercht, ohne dass ich wusste, warum.“

Außerdem haben sich auch die „Eltern gegen Polizeigewalt“ beim Rave im Leipziger Westen mit einem Redebeitrag angekündigt. Der Verein „Say it loud“ möchte vor Ort Spenden sammeln für die Personen, die Verfahrenskosten nicht alleine tragen können.