„Erschreckende Zahl“ Tag X: Mehr Menschen im Kessel als bekannt

Zwei Monate ist „Tag X“ in Leipzig her. Nun hat das sächsische Innenministerium die Zahl der von der Polizei eingekesselten Demonstrierenden auf 1.323 nach oben korrigiert.

Die Polizei hat am 3. Juni in Leipzig etwa 300 mehr Demonstrierende für mehrere Stunden eingekesselt als bisher angekommen. Das geht aus einer Anfrage der Linken-Politikerin und Landtagsabgeordneten Juliane Nagel an das sächsische Innenministerium hervor. Statt der bislang kommunizierten Zahl von 1.040 Menschen waren demnach 1.323 Menschen im Polizeikessel am Alexis-Schumann-Platz, darunter zwei Kinder, wie Innenminister Armin Schuster angibt.

Die Demonstration fand aufgrund der Verhaftung von Lina E. statt und wurde von Teilen der linken Szene als „Tag X“ getauft. Nach Steinwürfen und aufgrund vermummter Personen kesselte die Polizei schließlich die Demonstrierenden ein – darunter viele Minderjährige und augenscheinlich friedliche und nicht vermummte Menschen.

Fast 400 beschlagnahmte Handys

Gegen alle 1.321 strafmündigen Personen aus dem Kessel laufen nun Ermittlungen wegen besonders schweren Landfriedensbruchs, zudem sind nach Informationen der Leipziger Volkszeitung weiterhin 383 Handys beschlagnahmt. Insgesamt wurden 84 Strafanträge gestellt. „Die Zahl ist erschreckend“, sagt Juliane Nagel auf Anfrage von t-online.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Polizei ihre Angaben zum „Tag X“ nach oben korrigiert. Zunächst ging sie von 400 Demonstrierenden aus, danach von 1.000 Menschen. „Ich wundere mich über das Schätzungsvermögen der Polizei“, sagt Nagel und fordert eine Komplettübersicht der Ermittlungen und nicht „häppchenweise Informationen“.

Polizei räumte Fehler ein

Bis zu elf Stunden dauerte der Kessel, um die Personalien der Demonstrierenden aufzunehmen. Die Länge des Einsatzes, die hohe Zahl der eingekesselten Menschen sowie die mangelnde Versorgung vor Ort brachten der Einsatzleitung viel Kritik ein. Auch das Festhalten von minderjährigen Personen wurde kritisiert.

„Egal ob es 1.000 oder 1.300 Menschen waren – grundsätzlich stellt sich die Frage, ob gegen so viele Menschen ermittelt werden muss. Das ist unverhältnismäßig“, sagt Nagel. Polizeipräsident René Demmler sagte dem MDR im Nachgang des Einsatzes, dass auf der Demonstration 200 Menschen als „gewaltbereit“ beziehungsweise „gewaltsuchend“ eingeschätzt worden sind. Dabei räumte er Fehler ein – unter anderem, dass die Polizei von weniger Menschen im Kessel ausging.


23.07.2023

Soli-Konzert verläuft friedlich

Am 03. Juni wurden in Leipzig im Zuge einer Demonstration 1.000 Menschen für mehrere Stunden von der Polizei gekesselt. Nun fand ein Solidaritätskonzert für die Betroffenen statt.

Die Vorgehensweise der Polizei brachte viel Kritik hervor: Nach der Verurteilung von Lina E. kam es am 03. Juni zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden. Daraufhin kesselte die Polizei 1.000 Menschen für mehrere Stunden. Unter ihnen befanden sich mehrere Minderjährige, außerdem soll die Verpflegung schlecht gewesen sein.

Am Samstag veranstalteten die Initiativen „Dazusetzen“ und „Kesselmusik“ ein Solidaritätskonzert, um sich mit den eingekesselten Menschen zu solidarisieren und auf die Geschehnisse rund um den „Tag X“, wie der Tag im Vorfeld von der linken Szene genannt worden ist, aufmerksam zu machen.

„Kesselmusik“: 3.000 Euro Spenden

Bis in den Abend spielten Bands und Solokünstler, „Kesselgulasch“ wurde ausgegeben und eine Tombola organisiert. Bis zu 300 Menschen sammelten sich auf dem Alexis-Schumann-Platz, lauschten der Musik und tanzten. Zwischenfälle gab es keine: Das Konzert verlief friedlich und laut Veranstalter erfolgreich. Ein Sprecher sagte der Leipziger Volkszeitung, dass grob 3.000 Euro eingenommen worden sind.

Veranstaltungsort war der Alexis-Schumann-Platz, wo die Demonstrierenden eingekesselt wurden. Der Ort sei bewusst ausgewählt worden, wie es in einem Twitter-Post heißt. „Das Konzert wird von und mit Betroffenen organisiert & durchgeführt. Der Platz wurde gewählt, um ihn wieder positiv zu belegen“, schreibt die Initiative „Dazusetzen“.