Diakonie Sachsen kritisiert Abschaffung der Weihnachtsamnestie

Die sächsische Justiz streicht die vorzeitigen Entlassungen von Strafgefangenen zu Weihnachten. Für die Diakonie Sachsen ist das ein falsches Signal. Ohne vorzeitige Entlassungen hätten viele Häftlinge schlechtere Chancen auf Wohnung und Arbeit.

Die Diakonie Sachsen kritisiert den Wegfall der sogenannten Weihnachtsamnestie im Freistaat. Damit werde eine Resozialisierung straffällig gewordener Menschen erschwert, erklärte der evangelische Wohlfahrtsverband am Mittwoch in Radebeul bei Dresden. Die Diakonie appelliere daher an das sächsische Justizministerium, diese Entscheidung für die kommenden Jahre kritisch zu überprüfen.

Die Referentin für Straffälligenhilfe der Diakonie Sachsen, Rotraud Kießling, erklärte, viele Behörden seien in den Tagen nach Weihnachten geschlossen. Damit verzögere sich etwa die Wohnungs- und Arbeitssuche. Oberstes Ziel des Strafvollzugs sei die Resozialisierung. „Dazu gehört, Haftentlassungen so zu gestalten, dass Menschen reale Chancen haben, wieder Fuß zu fassen“, erklärte Kießling. Eine Entlassung kurz vor oder direkt nach Weihnachten verschlechtere diese Chancen erheblich.

Praxis war seit 2020 üblich

Justizministerin Constanze Geiert (CDU) hatte im Oktober angekündigt, dass es 2025 keine vorzeitigen Entlassungen von Strafgefangenen anlässlich des Weihnachtsfestes geben wird. Die seit dem Jahr 2020 im Freistaat geübte Praxis der Weihnachtsamnestie werde abgeschafft. Strafe sei keine Frage des Kalenders, sondern der Gerechtigkeit, hieß es.

Zuletzt waren 2024 elf Gefangene zu Weihnachten vorzeitig entlassen worden. In vielen Bundesländern werden Strafgefangene, deren Entlassungstermin in die Weihnachtszeit fällt, bis zu mehrere Wochen früher entlassen. Laut Ministerium gibt es derzeit in Sachsen knapp 3000 Gefangene.

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Andrea Schawe
21.10.2025

Sachsen schafft Weihnachtsamnestie im Strafvollzug ab

Seit 2020 konnten Strafgefangene vorzeitig aus der Haft entlassen werden, um Weihnachten zu Hause zu verbringen. Das wird es künftig nicht mehr geben. Sachsens Justizministerin Constanze Geiert verspricht sich davon mehr Gerechtigkeit – und auch Bürokratieabbau.

In Sachsen wird es in diesem Jahr keine vorzeitigen Haftentlassungen für Strafgefangene vor Weihnachten geben. Die Weihnachtsamnestie wird im Freistaat abgeschafft, teilt Justizministerin Constanze Geiert (CDU) am Dienstag nach der Kabinettssitzung mit.

„Strafe ist keine Frage des Kalenders, sondern der Gerechtigkeit“, sagte Geiert. „Wer Unrecht begangen hat, muss dafür einstehen – unabhängig davon, zu welcher Jahreszeit die Strafvollstreckung erfolgt. Unser Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass Gleichheit vor dem Gesetz und Verlässlichkeit staatlichen Handelns immer Vorrang haben.“

2020 von den Grünen eingeführt

Die bisherige Praxis habe jedoch zu einer Bevorzugung geführt, die sich in einem modernen Rechtsstaat mit dem Prinzip der Gleichbehandlung aller Gefangenen nur schwer rechtfertigen ließe. „Strafen, die als staatliche Reaktion auf strafbare Verfehlungen verhängt werden, müssen nach unseren verfassungsrechtlichen Prinzipien einen gerechten Schuldausgleich bewirken und die individuelle Schuld des Täters angemessen abgelten.“
Die Weihnachtsamnestie wurde 2020 von der damaligen Grünen-Justizministerin Katja Meier eingeführt. Wie in mehreren anderen Bundesländern wurden Strafgefangene, deren Entlassungstermin in die Weihnachtszeit fällt, traditionell bis zu mehrere Wochen früher entlassen.

Strafbehörden müssen jeden Einzelfall prüfen

Dabei handelte es sich um Gnadenentscheidungen im Einzelfall. Staatsanwaltschaften und Jugendgerichte mussten die Gefangenen auf eine Eignung für die vorweihnachtliche Entlassung prüfen. Neben dem Zeitpunkt des Strafendes zählte auch die Straftat als Kriterium. Ausgeschlossen waren Strafgefangene, die eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verbüßten, Gewalt- oder Sexualdelikte begangen haben oder bei denen ausländerrechtliche Maßnahmen wie Abschiebungen anstanden.

Gerade diese Behörden seien „stark belastet“, sagte Justizministerin Geiert. Sie erwartet sich von der Abschaffung einen Bürokratieabbau. „Die zuständigen Sicherheitsbehörden werden entlastet, da zukünftig aufwendige Prüfverfahren entfallen.“ In den vergangenen fünf Jahren konnten insgesamt 203 Straftäter das Gefängnis zu Weihnachten eher verlassen. In Sachsen sitzen derzeit etwa 3000 Menschen in Haft.

Kritik kommt von den Grünen. Katja Meier, jetzt Landtagsabgeordnete und für Justiz zuständig, sagte: „Sachsen geht mit der Abschaffung der Weihnachtsamnestie den Weg zurück in die Vergangenheit. Ihre Einführung war eine überfällige Angleichung an das, was bis auf Bayern in allen Bundesländern seit Jahrzehnten selbstverständlich ist.“ Es gehe nicht um eine pauschale Begnadigung, sondern um ein streng geprüftes Verfahren, so Meier. „Wer diese Praxis abschafft, sendet das falsche Signal, dass Strafe wichtiger ist als Resozialisierung.“ Ein moderner Strafvollzug dürfe sich davon nicht leiten lassen.

Sachsens Justizministerin verwies darauf, dass es nach dem sächsischen Strafvollzugsgesetz noch die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung gebe. Strafgefangene, deren Haft zwischen dem 22. Dezember und 2. Januar endet, können am 21. Dezember entlassen werden und Weihnachten zu Hause verbringen.

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22.12.2020

Erstmals Weihnachtsamnestie in Sachsen – dennoch keine Gnade in Leipzig

Kurz vor Weihnachten zeigt sich die Justiz in vielen Bundesländern milde und entlässt Hunderte Häftlinge vorzeitig. In Sachsen ist die sogenannte Weihnachtsamnestie in diesem Jahr ein Novum: Allerdings wird in Leipzig davon überhaupt nicht und andernorts im Freistaat eher zurückhaltend Gebrauch gemacht.

Umgangssprachlich ist von „Weihnachtsamnestie“ die Rede: Streng genommen handelt es sich um Gnadenerweise, die im Einzelfall aus Anlass des Weihnachtsfestes ausgesprochen werden. Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) ermöglichte sie erstmals 2020. Für die Prüfung zuständig: die jeweiligen Staatsanwaltschaften im Freistaat.

Zwei Dutzend Häftlinge aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Leipzig stellten daraufhin einen Antrag. Die zuständige Staatsanwaltschaft lehnte jedoch ab. „Die Leitende Oberstaatsanwältin in Leipzig hat die Voraussetzung eines solchen Gnadenerweises nach eigener Prüfung in keinem der ihr vorgelegten Fälle bejaht“, teilte auf LVZ-Anfrage die stellvertretende Pressesprecherin aus dem sächsischen Justizministerium, Anja Neubert, mit. Zu den Gründen der Entscheidungen äußere sich die Staatsanwaltschaft nicht, erklärte Sprecher Andreas Ricken.

58 Häftlinge vorzeitig entlassen

Andere Gnadenbehörden hätten „ebenfalls insoweit keine Entlassungsentscheidungen getroffen“, fügte Anja Neubert vom Justizministerium hinzu. Einige sächsische Staatsanwaltschaften aber doch, sodass sich für 58 Häftlinge bereits am 23. November Gefängnistore vorzeitig öffneten. Ihr Entlassungstermin hätte in der Zeit zwischen dem 24. November 2020 und dem 6. Januar 2021 gelegen. So kamen beispielsweise zwölf Insassen der JVA Bautzen, sieben der JVA Chemnitz und 17 der JVA Dresden eher auf freien Fuß. Insgesamt konnten in Deutschland mindestens 963 Inhaftierte die Gefängnisse früher verlassen.

Der Freistaat Bayern verzichtet wie in den Vorjahren weiter auf diese Möglichkeit. Medienberichten zufolge heißt es aus dem dortigen Justizministerium, dass die Weihnachtsgnade gegenüber Insassen, deren Haftzeit zufällig zu anderen Zeiten ende, ungerecht sei. Eine rechtskräftige Strafe im Gnadenwege zu ändern, müsse absoluten Ausnahmefällen und nicht dem Kalender vorbehalten sein.

Auf einige Insassen trifft Sonderregel zu

Dennoch wurde in der JVA Leipzig sowie auch in anderen Haftanstalten im Freistaat – wie in den Vorjahren – auf eine Sonderregel im sächsischen Strafvollzugsgesetz zurückgegriffen. Danach können Insassen, deren Haftende zwischen 22. Dezember und 2. Januar liegt, vorzeitig entlassen werden. Das traf nun für 37 Insassen der sächsischen Gefängnisse am vergangenen Montag, 21. Dezember, zu. Darunter befanden sich zwölf Häftlinge aus der JVA Leipzig, zu der das Haftkrankenhaus gehört.

Hunderte bleiben somit Weihnachten auch in Leipzig hinter Gittern. Zwar gibt es keine Besuchsverbote, aufgrund der Corona-Pandemie seit Mitte Dezember aber Kontaktreduzierungen. „Aktuell sind Besuche in den sächsischen Justizvollzugsanstalten unter strengen Hygienemaßnahmen mit maximal zwei engen Verwandten – die aus demselben Haushalt stammen müssen – sowie mit eventuellen Kindern bis 14 Jahren zugelassen“, erklärt Justizsprecherin Neubert.

Strafvollzug erneut gelockert

Die derzeitige Praxis stelle schon „eine Belastung“ dar, sagt Rolf Jacob, JVA-Chef in Leipzig. Die Möglichkeiten von Haftraumtelefonie und Videotelefonie würden bestehen – und auch rege genutzt. An den Weihnachtstagen biete der evangelische Gefängnisseelsorger auch Gottesdienste an – mehrfach und in kleinem Rahmen. Der Verein „Leben ohne Fesseln“ spendiere kleine Geschenkbeutel für jeden Gefangenen. Heiligabend gibt es Kartoffelsalat mit Bockwurst; an den Feiertagen Ente mit Rotkraut beziehungsweise Wildgulasch mit grünen Bohnen.

Zur Entlastung in den JVA schiebt die sächsische Justiz seit November 2020 erneut den Haftantritt für Menschen auf, die zu Freiheits- und Jugendstrafen von bis zu drei Jahren verurteilt worden sind. Ausgesetzt wurde gleichfalls der Haftantritt für Personen, die wegen nicht gezahlter Geldstrafen hinter Gitter sollen. Aufgrund der Pandemie hatte der Freistaat bereits im Frühjahr vorübergehend den Strafvollzug gelockert.

Derzeit gibt es in der JVA Leipzig mit Krankenhaus 366 Häftlinge (Stand: 17. Dezember). Exakt ein Jahr zuvor waren es mit 459 Personen fast einhundert mehr. Insgesamt befinden sich derzeit in Sachsen 3009 Menschen hinter Gittern. Zum Vergleich: Mitte Dezember 2019 waren es 3378 Personen.

Von Sabine Kreuz