Nach Streit um Demokratie-Netzwerk in Wurzen: Verein und Stadträte sprechen sich beim Ex-Pfarrer aus

Es fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt: Das mit Spannung erwartete klärende Gespräch zwischen Wurzener Stadträten und dem Netzwerk für Demokratische Kultur. Doch die Gräben sind tiefer als gedacht.

Ja, es soll ein weiteres Treffen geben. Doch noch sei nicht klar, wen er dazu einladen werde, sagt Karl-Heinz Maischner (74), Pfarrer im Ruhestand. Er steht vor einer kniffligen Entscheidung.

Denn sollte er Vertreter der vom Landesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD abermals zur Unterredung bitten, wird zumindest die Geschäftsführung des Netzwerks für Demokratische Kultur (NDK) dem Treffen fernbleiben. Das kündigte eine Sprecherin des Vereins am Mittwoch auf LVZ-Nachfrage an.

Wie berichtet, hatte sich der Wurzener Stadtrat zuletzt gegen die weitere finanzielle Unterstützung der Kulturarbeit des NDK ausgesprochen. Selbst die Annahme von gesammelten Spenden als Ersatz für den städtischen Anteil an einer weitergehenden Förderung wurde mehrheitlich abgelehnt.

Das wollte Karl-Heinz Maischner nicht unwidersprochen hinnehmen. Er schrieb sämtliche Stadträte sowie Vorstand, Beirat und Mitarbeiter des NDK persönlich an. Als Moderator vermittelte er ein Gespräch zwischen allen Beteiligten auf neutralem Boden.

Zwar schmerze ihn der Beschluss, der bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Noch mehr aber ärgere ihn die Art und Weise, wie er zustande kam, so Maischner. „Man redet aneinander vorbei, ohne dass das Wollen, zu einer Verständigung zu kommen, überhaupt noch sichtbar wird.“ Maischners Wort hat nach wie vor Gewicht im Ort.

In tiefsten DDR-Zeiten gehörte er zu den Mitbegründern des Friedens- und Umweltkreises. Mit anderen gestaltete er Friedens-Andachten sowie Mahnwachen in Dom und St. Wenceslai.

Anknüpfen an den Geist der Wendezeit

„Viele Menschen, mit denen ich es damals zu tun bekam, hatten andere politische Einstellungen, aber wir sind im Gespräch geblieben“, sagt Maischner. Er wünscht sich, an die Traditionen der Wendezeit anknüpfen zu können. Umso zufriedener zeigte sich der verdienstvolle langjährige Geistliche, dass seiner Einladung jetzt tatsächlich Stadträte aller Fraktionen gefolgt waren. Auch das NDK war zahlreich vertreten. Neben Vertrauten des Ex-Pfarrers kam auch Oberbürgermeister Marcel Buchta (parteilos).

„Ich finde es super, dass alle Fraktionen ihre Teilnehmer entsandten“, wertet OBM Buchta das erste Treffen im Ringelnatzhaus als Erfolg. Ähnlich äußerte sich Stadtsprecherin Cornelia Hanspach. Gerade die ausführliche Vorstellungsrunde habe gezeigt, dass alle Anwesenden nur das Beste für die Stadt wollten.

Im weiteren Verlauf der zweistündigen Zusammenkunft seien aber auch Differenzen deutlich geworden. Da die Veranstaltung bewusst unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, wolle und dürfe sie nicht näher auf die verschiedenen Wortmeldungen eingehen.

Dennoch sickerten einige Inhalte durch. So sei das heikle Thema der abgelehnten NDK-Förderung zunächst bewusst ausgeklammert worden. Alle Beteiligten bekamen stattdessen die Gelegenheit zu erklären, was sie an Wurzen schätzen und wie sie sich für die Stadt engagieren.

Doch mit der Harmonie war es vorbei, als die Sprache auf den Verein kam. Das NDK erwirtschafte zu wenige Eigenmittel, sagten die Kritiker, es gebe zu viele Veranstaltungen bei freiem Eintritt, auch Mitgliedsbeiträge würden nicht erhoben.

Kontroverse über mangelnde Eigenmittel

Ex-Pfarrer Maischner betont, dass einigen Anwesenden die Gesamtstruktur des NDK überhaupt nicht bekannt gewesen sei. Es handle sich eben nicht um einen Garten- oder Kaninchenzüchterverein, sondern beinahe um einen Kulturbetrieb. Wer Fördergelder bekomme, müsse bestimmte Veranstaltungen zwingend kostenlos anbieten. Und: Zur Gründung des Vereins, in Zeiten, als die Stadt als „national befreite Zone“ galt, hätten sich junge Leute bewusst gegen Mitgliedsbeiträge ausgesprochen. Dafür gebe es um so mehr Fördermitgliedschaften.

Dem Argument der Kritiker, das vom NDK geplante Projekt zur Aufarbeitung der DDR sei an der Schule besser aufgehoben, widersprach eine anwesende Lehrerin. Die Bildungseinrichtungen könnten das in der Form gar nicht leisten.

Das NDK wehrte sich einmal mehr gegen Anwürfe, ihre Veranstaltungen würden lediglich Interessierte einer linken Subkultur ansprechen. Die Angebote seien gut besucht, kontert das Netzwerk. „200 Menschen solidarisierten sich mit ihrer Unterschrift mit uns und unserer Arbeit“, so eine Sprecherin.

Das NDK empfand das Treffen als wenig konstruktiv: „Stattdessen mussten wir uns immer wieder für unsere Arbeit rechtfertigen.“ Auch die AfD zeigte sich unzufrieden mit der Unterredung: „Das NDK geht nicht auf unsere sachliche Kritik ein. Es reagiert mit einer Verleumdungskampagne.“

Unterm Strich gehe man einmal mehr ohne Ergebnis auseinander. Man sei bereit, bei einem nächsten Treffen weiterzudiskutieren, so die AfD: „Sofern wir wieder eingeladen werden …“

So viel ist sicher, sagt Ex-Pfarrer Maischner, es werde ein nächstes Mal geben, vermutlich schon im Januar. Für seine Moderation bekam der Kirchenmann viel Lob. Obwohl er gesundheitlich angeschlagen ist, möchte er weiter dafür eintreten, dass der Gesprächsfaden nicht abreißt.

Die Absage der NDK-Geschäftsleitung an eine nochmalige direkte Begegnung mit der AfD bringt ihn in eine schwierige Situation: Er gehörte zwar nicht zu den Gründern des Netzwerks, begleitet die Arbeit des mehrfach preisgekrönten Vereins aber wohlwollend. Er ist Fördermitglied. Seine Frau Eva engagiert sich im Vorstand, seine beiden Kinder, Julia und Paul, helfen ehrenamtlich.