Sächsisches Gericht lässt Ex-Extremisten zum Referendariat zu

Wer sich in der Vergangenheit in extremistischen Organisationen engagiert hat, gilt oft als ungeeignet für den Staatsdienst. In Sachsen entschied nun das Oberverwaltungsgericht anders.

Ein Gericht in Koblenz hatte dem Mann erst im Juni seine mangelnde Verfassungstreue attestiert.

Ein ehemaliger Unterstützer der rechtsextremen Szene darf in Sachsen einen juristischen Vorbereitungsdienst antreten, wenn er bei seiner politischen Betätigung nicht strafbar geworden ist. Das teilte das sächsische Oberverwaltungsgericht am Freitag in Bautzen mit.

Mit dem Beschluss werde der Freistaat Sachsen verpflichtet, im konkreten Fall den Antragsteller in den Vorbereitungsdienst für Rechtsreferendare aufzunehmen. Strafbares Verhalten konnte den Angaben zufolge nicht nachgewiesen werden. Der Beschluss sei unanfechtbar.

Der Mann hatte sich im Februar 2025 erstmals für den Vorbereitungsdienst in Sachsen beworben. Seine Beschäftigung wurde vom Oberlandesgericht Dresden wegen Nichteignung abgelehnt. Zur Begründung wurde maßgeblich auf das lang andauernde Engagement des Mannes in der rechtsextremistischen Szene verwiesen. Er soll in der Jungen Alternative in Sachsen-Anhalt und im gesichert rechtsextremistischen Verein „Ein Prozent“ aktiv gewesen sein – zum Teil bis April 2025.

„Mangelnde Verfassungstreue“: Mann scheiterte bereits vor Gericht in Koblenz

Nach Informationen der Sächsischen Zeitung und der Leipziger Volkszeitung soll es sich bei der Person um John Hoewer handeln. Hoewer war als Referent seit mindestens 2017 bei der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt beschäftigt. Anschließend arbeitete er im Bundestag, zuletzt für den rheinland-pfälzischen AfD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Münzenmaier.

Im Verein „Ein Prozent“ war Hoewer zudem stellvertretender Vorsitzender. Er publiziert weiterhin im Dresdner Verlag „Jungeuropa“, der dem „Ein Prozent“-Vorsitzenden Philip Stein gehört.

Hoewer hatte sein Rechtsreferendariat ursprünglich im Bezirk des Oberlandesgerichts Koblenz beginnen wollen. In Koblenz hatte er sich in die Ausbildung zum Volljuristen einklagen wollen. Das dortige Verwaltungsgericht hatte die Klage im Juni jedoch zurückgewiesen.

Aufgrund verschiedener Texte Hoewers und seiner Rolle bei „Ein Prozent“ und in der Jungen Alternative bescheinigte ihm das Gericht eine „mangelnde Verfassungstreue“. Rechtsreferendare müssten sich durch „ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen“.

Keine Bekämpfung der FDGO in strafbarer Weise

Das Oberverwaltungsgericht in Bautzen hingegen verwies in seiner Entscheidung nun auf einen Beschluss des sächsischen Verfassungsgerichtshofs von 2022. Demnach darf eine Zulassung zum Vorbereitungsdienst ausschließlich dann verweigert werden, wenn strafbares Verhalten dies rechtfertige. Das sei der Fall, wenn der Bewerber oder die Bewerberin die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft habe.

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Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Pressesprecher Peter Kober

Nicht strafbare politische Betätigung steht einer Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst nicht entgegen

07.11.2025, 10:16 Uhr

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat den Freistaat Sachsen durch einen heute veröffentlichten Beschluss verpflichtet, einen früheren Unterstützer der rechtsextremen Szene in den juristischen Vorbereitungsdienst aufzunehmen

Der Antragsteller begehrte im Wege des verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst für Rechtsreferendare in Sachsen zum 1. November 2025. Er bewarb sich erstmals im Februar 2025 für den juristischen Vorbereitungs-dienst in Sachsen zum Termin 1. Mai 2025. Sein Antrag wurde vom Oberlandesgericht Dresden abgelehnt, ein Eilantrag blieb beim Verwaltungsgericht Dresden ohne Erfolg.
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Auf die erneute Bewerbung vom Juli 2025 wurde ihm die Zulassung zum Vorbereitungsdienst mit Bescheid des Oberlandesgerichts Dresden vom 8. September 2025 erneut wegen Ungeeignetheit versagt. Zur Begründung wurde maßgeblich auf sein lang andauerndes Engagement in der rechtsextremistischen Szene zuzuordnenden Organisationen, insbesondere in der Jungen Alternative Sachsen-Anhalt und im Verein »Ein Prozent e. V.«, verwiesen.

Nachdem der Antragsteller erst im April 2025 als Vorstandsmitglied des Vereins ausgeschieden sei, sei eine ausreichende Wohlverhaltensphase noch nicht gegeben. Seinen gegen die Entscheidung gerichteten Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht Dresden mit Beschluss vom 23. Oktober 2025 – 11 L 1063/25 – ab.

Die hiergegen zum Sächsischen Oberverwaltungsgericht erhobene Beschwerde hatte Erfolg:
Der zuständige Senat hat entschieden, dass er an den Beschluss des Verfassungsgerichts-hofs des Freistaates Sachsen vom 21. Oktober 2022 – Vf. 95-IV-21 (HS) – durch § 14 Abs. 2 Satz 2 des Sächsischen Verfassungsgerichtshofgesetzes (SächsVerfGHG) gebunden ist.

In dieser Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass die für eine Verweigerung der Zulassung zum Vorbereitungsdienst maßgeblichen Vorschriften des § 8 Abs. 3 und 4 SächsJAG verfassungskonform so auszulegen sind, dass ausschließlich strafbares Verhalten eine Verweigerung rechtfertigen kann, also nur dann, wenn der Bewerber die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft.

Diese Entscheidung hat durch § 14 Abs. 2 Satz 2 SächsVerfGHG Gesetzeskraft. Damit konnte der Senat trotz Zweifeln in der Sache die-se Frage nicht anders entscheiden, obwohl inzwischen auch das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 10. Oktober 2024 – 2 C 15/23 – eine andere Rechtsauffassung vertreten hat.

Denn die Urteilsgründe des Bundesverwaltungs-gerichts entfalten – anders als die Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs – keine verbindliche Wirkung über das betroffene Verfahren hinaus.

Strafbares Verhalten konnte dem Antragsteller indes nicht vorgeworfen werden.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

SächsOVG, Beschl. v. 6. November 2025 – 2 B 267/25 –