Polit-Streit um Groß-Baustelle – Viel Ärger um Gefängnisneubau in Sachsen

Kosten und Zeitplan für das Großprojekt in Zwickau sind längst aus dem Rahmen gefallen. Thüringen droht mit dem Ausstieg. Neue Verhandlungen zwischen den beiden Ländern sollen das Projekt über die Ziellinie bringen.

2019 sollten die ersten von 820 Häftlingen in das geplante neue Gefängnis in Zwickau einziehen. Doch sechs Jahre später ist der Neubau der Justizvollzugsanstalt von einer Fertigstellung weit entfernt. Die Gebäude des Großprojekts sind inzwischen errichtet worden. Wegen der Probleme durch die immens gestiegenen Baukosten und des ungeklärten Fortgangs der Arbeiten haben die Finanzstaatssekretäre der beteiligen Länder Sachsen und Thüringen jetzt neue Verhandlungen aufgenommen.

Beide Freistaaten haben das gemeinsame Interesse, die Kosten zu dämpfen und den Zeithorizont für den weiteren Baufortschritt klar zu vereinbaren, teilte der Sprecher des sächsischen Finanzministeriums Dirk Reelfs auf Anfrage mit. Von einem Streit könne keine Rede sein.

Hohe Hürden für XXL-Gefängnis

Der zuletzt genehmigte Kostenrahmen für die Baumaßnahme belaufe sich derzeit auf 317,8 Millionen Euro. Davon seien 236 Millionen Euro bereits ausgegeben worden. Eine Kostenprognose, die mutmaßlich sehr viel höher liegen dürfte, gibt das Ministerium nicht vor dem Sommer ab. Der Bau des XXL-Gefängnisses in Zwickau stand wie viele andere große Bauprojekte der öffentlichen Hand von Anfang an vor große Hürden. 2018 kam es bereits zwischen den beiden Ländern zu einem Konflikt.

Schuldzuweisungen an die alte Regierung

Seit dem Regierungswechsel hat Thüringen den Druck erhöht. Bauminister Steffen Schütz, der dem BSW angehört, schloss in Gesprächen mit der Thüringer Allgemeinen in Erfurt nicht aus, dass ein Neubau in seinem Bundesland wirtschaftlicher wäre, wenn sich die Nachverhandlungen über eine Deckelung der Kosten „schwierig gestalten“ sollten, wie er sagte. Seine öffentlich geäußerte Kritik verband er zugleich mit Schuldzuweisungen an die Vorgängerregierung unter Bodo Ramelow (Linkspartei).

Tatsächlich ist die Option eines Ausstiegs nicht sehr wahrscheinlich. Thüringen benötigt die neuen Haftplätze ebenso wie Sachsen, die finanziellen und planerischen Schwierigkeiten würden durch einen eigenen Gefängnisneubau nicht kleiner werden. Eine Kündigung des zwischen den beiden Bundesländern geschlossenen Staatsvertrages ist ohnehin vorerst nicht möglich. Bei den neuen Gesprächen wird es daher wohl vorrangig um die Finanzierung und die Arbeit des Generalunternehmers gehen.

Projektstart war 2014

Innerhalb der 1,35 Kilometer langen Gefängnismauer sollen unter anderem sechs Hafthäuser, eine Sporthalle und Werkstätten entstehen. Hinzu kommt ein Gebäude außerhalb der Mauer für den offenen Vollzug. Inwiefern die ursprünglichen Ideen bis ins letzte Detail umgesetzt werden sollen, dürfte Teil der Gespräche sein. Das neue Gefängnis soll bestehende Justizvollzugsanstalten in Hohenleuben (Thüringen) sowie Zwickau und Zeithain in Sachsen ersetzen und moderne Haftbedingungen bieten. Projektstart für den Neubau der gemeinsamen Justizvollzugsanstalt in Zwickau-Marienthal war 2014.

In der ersten Phase waren zum Standort, an dem sich ein ehemaliges
Reichsbahnausbesserungswerk befand, Abstimmungen mit der Stadt Zwickau nötig. Allein die Aufstellung des Bebauungsplans der Stadt Zwickau und die Räumung des Baufelds zog sich drei Jahre hin, wie aus einer Antwort des sächsischen Finanzministeriums auf eine parlamentarische Anfrage aus dem Jahr 2022 hervorgeht. Der ursprüngliche Termin für den Baubeginn war damit längst obsolet.

Baupreisindex um 50 Prozent gestiegen

Die Corona-Pandemie, Lieferengpässe, steigende Löhne, die Verteuerung der Liefer- und Materialkosten sowie nachträgliche Änderungswünsche seitens der Justiz haben danach nicht nur zu deutlich höheren Kosten, sondern auch zu Verzögerungen geführt. Der Baupreisindex ist den Angaben zufolge von 2019 bis 2024 um rund 50 Prozent gestiegen.
2019 begann der Bau. Das Richtfest fand im Oktober 2022 statt. Etwa zu diesem Zeitpunkt traten nach Angaben des Ministeriums die Probleme durch unvollständige und mangelhafte Planungs- und Bau­überwachungsleistungen auf. Im Oktober 2023, kurz nach Beginn des Innenausbaus, kündigte das sächsische Staatsbetrieb Immobilien- und Baumanagement in Absprache mit der Thüringer Landesregierung den Vertrag mit dem Generalplaner.

Der damals genannte Termin der Fertigstellung, das erste Quartal 2025, war damit wieder hinfällig. Die Dokumentation sowie die Ausbesserung der Mängel sind derzeit noch nicht abgeschlossen. Ein langer Rechtsstreit über einen Schadensersatz ist nicht ausgeschlossen, denn der gekündigte Generalplaner mit Sitz in München schob die Verantwortung auf den Bauherrn. Allein die Beräumung und Dekontaminierung des Geländes hätte mehr als 30 Millionen Euro verschlungen und das Bauprojekt beeinträchtigt, kritisierte das Unternehmen.

Eine endgültige Schadenshöhe könne demzufolge noch nicht beziffert werden, teilte das Ministerium weiter mit. Seit Ende März ruht die reguläre Baustellentätigkeit aufgrund der Mängel. Das überarbeitete Konzept des neuen Generalunternehmers soll nun vor allem unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit geprüft werden.

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DPA 08.05.2025

Probleme beim Neubau der JVA Zwickau
Nach Debakel um Neubau von Großgefängnis in Zwickau: Sachsen und Thüringen verhandeln nach

Thüringen kündigt Nachverhandlungen mit Sachsen zur gemeinsamen Haftanstalt in Zwickau an. Dabei bringt das Land auch einen eigenen Gefängnisneubau ins Spiel.

Angesichts der massiven Probleme beim Bau des Großgefängnisses in Zwickau will Thüringen mit Sachsen den Staatsvertrag dazu nachverhandeln. Notwendig sei ein klar kalkulierbarer Kosten- und Zeithorizont für das gemeinsame Projekt, sagte ein Sprecher des Infrastrukturministeriums auf Nachfrage. Zuvor hatte die „Thüringer Allgemeine“ berichtet.

Der neue Generalplaner habe verschiedene Optionen vorgelegt, wie es mit dem Neubau weitergehen könne, so der Ministeriumssprecher. Nähere Angaben machte er aber nicht.
Projekt am Scheideweg

Laut dem Zeitungsbericht ist auch ein Ausstieg Thüringens aus dem Projekt nicht mehr gänzlich ausgeschlossen. „Je schwieriger sich die Verhandlungen mit den in Sachsen Verantwortlichen gestalten, umso eher würde ein Neubau in Thüringen wirtschaftlicher“, sagte Bauminister Steffen Schütz (BSW) dem Blatt.

Juristisch gilt allerdings ein Ausstieg Thüringens aus dem Staatsvertrag mit Sachsen als schwierig. Zudem beteiligte sich Thüringen nach Ministeriumsangaben bisher schon mit 106 Millionen Euro an dem Bau.

Die Nachverhandlungen zum Staatsvertrag sollen in den nächsten Wochen zunächst zwischen den zuständigen Staatssekretären geführt werden und dann auch auf Ebene der Fachminister erfolgen. „Wir brauchen eine Kostendeckelung und einen festen Fertigstellungstermin“, zitierte das Blatt den Minister.

Das Projekt war bereits in den vergangenen Jahren aus dem Ruder gelaufen. Eigentlich hatte das neue Zwei-Länder-Gefängnis für bis zu 820 Häftlinge schon 2019 eröffnen sollen. Zudem haben sich die Kosten von ursprünglich 150 Millionen Euro mehr als verdoppelt.

Derzeit nennt das Land Sachsen als Bauherr weder einen Eröffnungstermin noch eine genaue Kostenprognose. Zuletzt war auch die Rede davon, dass technische Anlagen und einzelne Bauteile aufgrund von Mängeln möglicherweise teils zurückgebaut werden müssen.