Leipzig: Doppelt so viele Sexualverbrechen wie im Vorjahr – mehrere Täter gefasst

Insgesamt 99 schwere Sexualstraftaten ereigneten sich 2024 in Leipzig, so viele wie seit Jahren nicht. Kripo-Chef Lutz Mädler spricht über Ermittlungen, Verdächtige, ein etwas helleres Dunkelfeld – und darüber, wie sicher die Stadt noch ist.
Es waren Fälle, die Leipzig schockierten: Am 1. August wurde eine 26-Jährige in einem Studentenwohnheim in der Straße des 18. Oktober überfallen und vergewaltigt. Am 25. Oktober fiel eine 19-Jährige im Flur ihres Wohnhauses in der Johannisgasse einem Sexualverbrechen zum Opfer. Am 10. Dezember wurde eine 32-Jährige in einem Bürokomplex in der Rohrteichstraße brutal missbraucht.
Es handelt sich um drei schlimme von fast 100 schweren Sexualverbrechen in der Stadt Leipzig im vergangenen Jahr. Die betroffenen Frauen sind traumatisiert – womöglich für immer.
99 schwere Sexualdelikte hat die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für die Stadt Leipzig im Jahr 2024 erfasst. Neben Vergewaltigungen fallen darunter auch sexuelle Nötigungen und sexuelle Übergriffe im besonders schweren Fall. Die PKS ist eine sogenannte Ausgangsstatistik. Das heißt: Aufgeführt sind nur jene Straftaten, die von der Polizei bearbeitet und an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurden.
Womöglich wird das Dunkelfeld ein bisschen heller
Gleichwohl gilt der Anstieg als alarmierend. Immerhin hat sich die Zahl dieser schweren Verbrechen innerhalb von zwölf Monaten mehr als verdoppelt (2023: 48 Fälle). Es ist der höchste Wert seit vielen Jahren. Zum Vergleich: 2015 wurden gerade mal 17 derartige Fälle angezeigt, 2017 bereits 115. Letzteres hatte vor allem damit zu tun, dass nach den Kölner Silvester-Übergriffen das Sexualstrafrecht verschärft worden war.
Für den erneuten erheblichen Anstieg der Fallzahlen gibt es hingegen keine so eindeutige Erklärung. Außer vielleicht: Das Dunkelfeld wird womöglich immer heller.
„Die Polizei arbeitet seit Jahren am Thema Anzeigeverhalten“, sagt Lutz Mädler, Leiter der Kriminalpolizeiinspektion Leipzig. Er zitiert eine Studie, wonach nur etwa vier Prozent der Sexualdelikte überhaupt zur Anzeige kommen.
Die meisten der bekannt gewordenen schweren Sexualstraftaten ereigneten sich im sozialen Nahraum, so der Kripo-Chef – das unmittelbare Wohnumfeld also, dort, wo Menschen ihren Alltag bestreiten, einkaufen gehen, Kontakte pflegen. 16 der 99 bekannten Sexualverbrechen geschahen hingegen in der Öffentlichkeit, ohne dass sich Täter und Opfer vorher kannten. Fast 40 Prozent dieser öffentlichen Fälle konnten die Leipziger Ermittler aufklären.
Der Vergewaltiger aus dem Studentenwohnheim, ein 29-jähriger Asylbewerber aus Nigeria, kam aufgrund einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie in die geschlossene Psychiatrie. Ebenfalls ein Afrikaner wurde zwei Monate nach dem massiven Übergriff in der Johannisgasse gefasst. In U-Haft kam auch ein 26-jähriger Deutscher, der sein Opfer bei dem Übergriff in der Rohrteichstraße verletzte.
Mehr als 50 Prozent nicht deutsche Tatverdächtige
Schon seit Jahren sind nicht deutsche Tatverdächtige bei schweren Sexualstraftaten überrepräsentiert. Im vergangenen Jahr betrug ihr Anteil 50,6 Prozent. Im Jahr davor waren es sogar 52,4 Prozent. Dabei liegt ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung in Leipzig nur bei gut 14 Prozent.
Die meisten ausländischen Tatverdächtigen in Leipzig stammen nach Angaben der Polizei aus Syrien, der Türkei, Libyen, Marokko, Georgien und weiteren meist nordafrikanischen und vorderasiatischen Ländern. Bundesweit beträgt der Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger bei schweren Sexualstraftaten etwa 39 Prozent. In Sachsen waren es zuletzt knapp 37 Prozent.
Können sich Frauen in Leipzig trotz der steigenden Fallzahlen noch sicher fühlen? „Grundsätzlich ja“, heißt es bei der Polizei auf Nachfrage. Allerdings könne man auch nicht sagen, dass man sich völlig unbekümmert in der Stadt bewegen könne, ohne dass etwas passiert.
So kommen nicht wenige Fälle aus dem Nachtleben im Leipziger Zentrum. Doch gerade da gestalten sich die Ermittlungen zu mutmaßlichen Übergriffen nach Kripo-Angaben schwierig. Auch dort finden Vernehmungen statt, werden rechtsmedizinische Untersuchungen durchgeführt. Es gibt stark alkoholisierte oder unter Drogeneinfluss stehende Opfer, und es bleibt die Frage, was konkret passiert sein könnte. Nicht immer gibt es darauf eine Antwort.