Polizei Leipzig schüchtert Strafverteidiger ein: RAV kritisiert Trump-Manier

Pressemitteilung, 16.04.2025

Der RAV wendet sich entschieden gegen die polizeilichen Einschüchterungsversuche eines Strafverteidigers aus Sachsen und erklärt sich solidarisch mit dem Kollegen.

In einem derzeit am Landgericht Leipzig anhängigen Verfahren hat ein hochrangiger Polizist angekündigt, als „Prozessbeobachter” an Verhandlungstagen teilzunehmen, an denen ihm unterstellte Polizisten als Zeugen aussagen sollen. Der Dezernatsleiter der Polizeidirektion Leipzig schrieb der Strafkammer, er beabsichtige, in seiner „Eigenschaft als Vorgesetzter“ das Verhalten des Strafverteidigers zu „dokumentieren”.

„Das ist ein nicht hinnehmbarer Einschüchterungsversuch und eine besorgniserregende Einmischung der Exekutive in die Justiz”, erklärt Rechtsanwältin und RAV-Vorständin Angela Furmaniak. „Das Vorgehen des Polizisten aus Sachsen erinnert an Donald Trump und seine Angriffe auf Anwält*innen”, so Furmaniak weiter. „Das darf auf gar keinen Fall Schule machen”, warnt sie und weist darauf hin: „In einem Rechtsstaat genießt die Verteidigung eine bedeutende Stellung. Das Vorgehen des Polizisten beschädigt das Prinzip der Waffengleichheit und damit einen Grundpfeiler rechtsstaatlicher Verfahren.“

Der Verteidiger hat inzwischen einen Antrag auf Einvernahme der vorgesetzten Polizisten gestellt, dem das Gericht stattgab. Da diese nun Zeugen sind, können sie an dem Prozess nicht mehr teilnehmen, um ihn zu “beobachten”, wie sie angekündigt hatten. Zur Begründung ihrer Pläne, hatten die Polizisten dem Verteidiger unterstellt, er hätte sich in einem anderen Verfahren nicht korrekt verhalten.

„Ein etwaiges strafrechtlich relevantes Verhalten eines Strafverteidigers in einer Hauptverhandlung zur Anzeige zu bringen, wäre Aufgabe der Staatsanwaltschaft und des Gerichts”, erklärt Furmaniak. „Wenn die Polizei ein Verfahren beobachten will, zeugt das auch von einem Misstrauen der Polizei gegenüber dem Gericht, das aus unserer Sicht bedenklich ist”, so die RAV-Vorständin.

Neben dem RAV fürchtet auch Sachsens Rechtsanwaltskammer (RAK) eine Beeinträchtigung der Berufsausübung der Rechtsbeistände. Mehr Informationen zu dem Vorfall gibt es zudem im Podcast der Bundesrechtsanwaltskammer „(R)ECHT INTERESSANT! Kurz & knackig: Strafverteidiger unter polizeilicher Beobachtung?” – https://www.brak.de/recht-interessant/strafverteidiger-unter-polizeilicher-beobachtung/

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Alexander Bischoff 17.04.2025 Mopo

Kammern sprechen von „Frontalangriff“: Polizeichef verteidigt Gerichtsspitzelei

Leipzig – Die Gerichtsspitzel-Affäre der Polizei spitzt sich zu. Während sich Leipzigs Polizeipräsident Rene Demmler (53) hinter die umstrittene Aktion seiner Kripo-Führung stellte und seine Beamten intern aufforderte, weitere Vorfälle mit Verteidigern zu melden, sprechen die Rechtsanwaltskammern von einem „Frontalangriff auf die freie Advokatur“ und haben das sächsische Justizministerium eingeschaltet.

Nachdem TAG24 die umstrittene Polizeiaktion am Landgericht Leipzig am Montag öffentlich gemacht hatte, sah sich Leipzigs Polizeichef Demmler jetzt veranlasst, die Strategie im Intranet der sächsischen Polizei zu verteidigen.

Die angekündigte Beobachtung des Verhaltens von Verteidigern durch hochrangige Kriminalbeamte bezeichnete Demmler als Ausnahme aus Fürsorgegründen. Diese sei im Vorfeld mit ihm abgestimmt und vom Rechts-Referat der Polizei geprüft worden.

Dass die geplante Gerichtsspitzelei durch die Berichterstattung von TAG24 an die Öffentlichkeit kam, bedauert der Polizeichef im Intranet.

„Seitens der Polizeidirektion Leipzig war es nicht beabsichtigt, dies inhaltlich über die jeweilige Verhandlung hinaus öffentlich zu thematisieren.“

Demmler forderte seine Beamten hernach auf: „Sollten Ihnen gegenüber bei künftigen Hauptverhandlungen als Zeuge vor Gericht unzutreffende Unterstellungen oder Drohungen unterbreitet werden, ist es Ihr Recht, dies gegenüber dem Gericht anzumerken. Bleibt nach einer Verhandlung ein Klärungsbedarf, bitte ich Sie, dies gegenüber Ihren Vorgesetzten dienstlich mitzuteilen.“

Merkwürdig allerdings: Dass seine eigene Direktion auf Nachfrage bereits klargestellt hatte, dass dem zu beobachtenden Verteidiger gar kein strafbares Handeln unterstellt werde, verschweigt Demmler im Intranet.

Nach der sächsischen Rechtsanwaltskammer (RAK) hat sich nun auch die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) mit dem Fall befasst. In einem eigens dazu aufgelegten Podcast der BRAK ist von einem stillen Einschüchterungsversuch mitten im Gerichtssaal die Rede.

„Wenn die Exekutive als Kontrolleur der Anwaltschaft auftritt, dann wird der Verteidiger unter Generalverdacht gestellt. Das beschädigt die Waffengleichheit – und damit einen Grundpfeiler rechtsstaatlicher Verfahren“, heißt es in einer Erklärung der BRAK.

In einer Pressemitteilung der Sächsischen Rechtsanwaltskammer spricht deren Präsidentin Sabine Fuhrmann (45) gar von einem Frontalangriff auf die freie Advokatur.

Sachsens Innenminister Armin Schuster soll Fall klären

Die von der Polizei angekündigte Beobachtung ziele nicht nur auf die Einschüchterung des Verteidigers ab, „sondern impliziert darüber hinaus, die weiteren Verfahrensbeteiligten seien nicht imstande, den rechtmäßigen Ablauf der Hauptverhandlung zu gewähren“.

„Dieses offenkundige Misstrauen von Staatsbeamten der Exekutive gegenüber der Justiz und aller am Verfahren beteiligten Organen der Rechtspflege erachtet die Rechtsanwaltskammer Sachsen als äußert beunruhigend“, so Fuhrmann.

Die BRAK hat inzwischen das Justizministerium eingeschaltet und auch Sachsens Innenminister Armin Schuster (63, CDU) um Klärung gebeten.

Anwaltskammer spricht von stillem Einschüchterungsversuch im Gerichtssaal