Antisemitische Mobilisierung am 8. März 2025: Was ihr wissen solltet

Der 8. März ist wohl mit Abstand der wichtigste feministische Aktionstag im Jahr. Ein Tag für alle, die unter patriarchaler Unterdrückung und Gewalt leiden. Ein Tag, um die geteilte Trauer und Wut auf die Straße zu tragen. Um einander zu bestärken und Kraft zu schöpfen. Ist ja alles schlimm genug.
Seit letztem Jahr gibt es mit dem 8. März in Leipzig nun allerdings ein gravierendes Problem. Das ›Bündnis 8. März‹, das bereits in den Jahren zuvor die Demonstration und Kundgebung organisiert hatte, war in den Wintermonaten 2023/2024 von autoritär-kommunistischen Gruppen übernommen worden. War das Bündnis vorher noch ein relativ pluraler Zusammenschluss von feministisch Aktiven aus verschiedenen Strömungen, wurde es nun politisch auf Linie gebracht. Zum neuen inhaltlichen Schwerpunkt wurde jener Palästina-Nationalismus erklärte, der spätestens seit den antisemitischen Massakern vom 7. Oktober 2023 nicht nur in Deutschland vermehrt auf die Straßen und an die Universitäten getragen wird. Dieser Palästina-Nationalismus ist alles andere als harmlos. Er ist – in Leipzig wie in vielen anderen Städten weltweit – charakterisiert von mindestens der systematischen Verharmlosung antisemitischer Terrorgruppen und oft genug von einem ausdrücklichen Schulterschluss mit ihnen; insbesondere mit der islamistischen Hamas, aber auch mit der leninistischen PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) oder dem Islamischen Dschihad.
Eine mindestens freundliche Beziehung zu antisemitischem Terror pflegen auch jene politischen Gruppen, die seit nunmehr über einem Jahr tonangebend für das Leipziger ›Bündnis 8. März‹ sind. Das wohl ekelhafteste Beispiel hierfür ist die Gruppe ›Handala‹ (zum antisemitischen Hintergrund des Namens der Gruppe vgl. diesen Artikel). Bereits vor dem 7. Oktober 2023 bezog sich ›Handala‹ positiv auf die PFLP-Terroristin Leila Chaled. Aber besonders seit dem 7. Oktober fällt die Gruppe durch eine kaum noch steigerbare, geradezu erlösungs-antisemitische Rhetorik auf, die von der Propaganda der Hamas selber im Grunde nicht mehr zu unterscheiden ist. Einige Ausschnitte aus Redebeiträgen von ›Handala‹: »Israel hat kein Existenzrecht« (7.11.23). »Wir sind es jedem Märtyrer schuldig, zu kämpfen, wie haben Verpflichtungen« (23.12.23). »Alle Menschen in Gaza sind Zivilisten. Alle. Auch wenn sie eine Waffe tragen und im Widerstand sind gegen die Besatzungsmacht« (15.5.24). Und in einem weiteren Redebeitrag von November letzten Jahres kommentiert ›Handala‹ den Tod des Hamas-Anführers Yahya Sinwar wie folgt: »So wie er bis zum letzten Moment Widerstand und Würde zeigte, wird das palästinensische Volk weiterhin Widerstand gegen den Völkermord und die Besatzung leisten. Bis zu seinem letzten Atemzug« (Link zu allen Zitaten). Es ist kaum möglich, sich deutlicher mit der Hamas zu solidarisieren.
Der Gruppe ›Handala‹ folgen bei Instagram über 7000 Accounts und ihr Aufruf zum 8. März dieses Jahr wurde bisher über 300 mal geherzt. Auf dem Sharepic ist sowohl das Logo vom ›Bündnis 8. März‹ abgebildet als auch das Logo von ›Handala‹ sowie das Logo der ›Students for Palestine Leipzig‹: einer weiteren antisemitisch hetzenden Gruppe, die den palästinensischen ›Widerstand‹ kategorisch für legitim erklärt und die massenhaften Vergewaltigungen vom 7. Oktober leugnet.
Es muss klar gesagt werden: Die Teilhabe dieser beiden antisemitischen Gruppen an der Mobilisierung zum 8. März wird vom ›Bündnis 8. März‹ offensichtlich nicht nur geduldet, sondern gewollt: Beim genannten Sharepic bei Instagram handelt es sich um einen sogenannten ›Collab Post‹, also um einen Beitrag, der von mehreren Profilen gemeinsam veröffentlicht wird – in diesem Fall gemeinsam vom ›Bündnis 8. März‹, von ›Handala‹ und den ›Students for Palestine‹. Bei so einer engen Zusammenarbeit kann davon gesprochen werden, dass die beiden antisemitischen Gruppen mindestens Teil des Bündnisses sind, wenn nicht sogar federführend.
Intransparenz und irreführende Behauptungen
Offiziell bestätigen wird das Bündnis diese Schlussfolgerung wohl nie. Das lässt sich so vermuten, weil der öffentliche Umgang des Bündnisses mit Kritik bereits letztes Jahr ausgesprochen intransparent und irreführend war:
Nachdem im Vorfeld des 8. März 2024 bekannt wurde, dass das ›Bündnis 8. März‹ von autoritär-kommunistischen Gruppen mit antisemitischen Positionen unterwandert oder übernommen worden war, entzogen viele Leipziger feministische Gruppen dem Bündnis vollkommen zu Recht ihre Unterstützung. Statt in Reaktion darauf öffentlich transparent zu machen, welche Gruppen tatsächlich im Bündnis vertreten waren und welche nicht, begann das Bündnis öffentlich herumzuopfern: Es veröffentlichte Ende Februar 2024 ein Statement, in dem es sich darüber beklagte, ihm sei völlig zu Unrecht die Unterstützung entzogen worden. Dabei behauptete es allen Ernstes, »maßgeblich aus Einzelpersonen« zu bestehen; es würden nur »einige Delegierte anderer Strukturen« an der Bündnisarbeit teilhaben. Das damit vom Bündnis suggerierte Bild, es handele weitestgehend unabhängig von der politischen Linie autoritär-kommunistischer Gruppen, konnte schon zu diesem Zeitpunkt als Lüge erkannt werden: Zum Zeitpunkt des Statements wurde auf Instagram bereits seit mehreren Tagen zum ›revolutionären Block‹ für die 8.-März-Demo des Bündnisses aufgerufen – in einem ›Collab Post‹ genau jener autoritär-kommunistischen Gruppen, um die sich die Kritik am Bündnis drehte: ›Young Struggle‹, ›Frauenkollektiv‹ und ›Internationale Jugend‹, ›Pride Rebellion‹, ›Studikollektiv‹ und ›Zora‹, die allesamt wegen der Verklärung oder expliziten Zustimmung zum sogenannten ›Widerstandskampf‹ antisemitischer Terrorgruppen immer wieder in der Kritik stehen. Es drängte sich der Eindruck auf, als würde das ›Bündnis 8. März‹ die Leser*innen seines Statements für ziemlich naiv halten und absichtlich in die Irre führen wollen.
Dass das Bündnis in der Tat übernommen worden war, wurde einige Tage später bestätigt, als das Veranstaltungsprogramm rund um den 8. März veröffentlicht wurde (es ist inzwischen wieder gelöscht, aber als archivierte Version einsehbar). Von den zwölf Programmpunkten waren insgesamt sieben Bildungsveranstaltungen (sechs Vorträge und ein Filmabend), von denen jede einzelne von autoritär-kommunistischen Gruppen angeboten wurde – neben den bisher genannten Gruppen wäre hier noch die Jugendorganisation ›Revolution‹ und die Gruppe ›Arbeiter_innenmacht‹ zu nennen.
Und dieses Jahr?
Der wohl augenfälligste Unterschied zu letztem Jahr ist, dass das ›Bündnis 8. März‹ dieses Jahr ganz unverhohlen die Logos antisemitischer Gruppen für die öffentliche Mobilisierung zum 8. März nutzt. Es darf gemutmaßt werden, dass diese antisemitischen Gruppen im Bündnis nunmehr einen festen Platz haben und dass die Inhalte für den 8. März und mögliche weitere Veranstaltungen entsprechend problematisch sein werden (eine Programmwoche scheint noch in Planung zu sein, ist aber Stand 4. März nicht öffentlich einsehbar). Ein weiterer Aufruf für dieses Jahr wurde als ›Collab Post‹ von ›Zora‹, ›Pride Rebellion‹ und ›Young Struggle‹ geteilt – auch diese für ihren antisemitischen Aktivismus bekannten Gruppen sind offensichtlich Teil des Bündnisses. Ansonsten gab es seit dem Statement von Februar letzten Jahres keinen öffentlichen Kommentar vom Bündnis zur Frage, aus welchen Gruppen es sich konkret zusammensetzt – diese Frage darf inzwischen allerdings auch als geklärt betrachtet werden. Dass Leuten, die schon einmal öffentlich gelogen haben, eher nicht mehr geglaubt wird, weiß das Bündnis wahrscheinlich auch selber.
Das alles bedeutet nun: Anders als im letzten Jahr kann dieses Mal niemand behaupten, von nichts gewusst zu haben. Wer die Aufrufe vom ›Bündnis 8. März‹ teilt, unterstützt damit antisemitische Gruppen. Ohnehin: Wer meint, am 8. März oder sonstwann Gruppen unterstützen zu müssen, die etwas für antisemitischen Terror übrighaben und das als ›Widerstand‹ oder ›Palästinasolidarität‹ verkaufen, sollte sich ohnehin dringend mal eine Auszeit von politischem Aktivismus nehmen.
Für alle anderen gibt es auch dieses Jahr verschiedene Möglichkeiten, am 8. März auf die Straße zu gehen:
Das ›emanzipatorische Bündnis 8. März‹ ruft unter dem Motto »Die Scham muss die Seiten wechseln!« zur Demo ab 15 Uhr am Grassimuseum auf.
Und das ›Bündnis 8. März ist immer‹ ruft unter dem Motto »Kein Schritt zurück! Für eine feministische Zukunft.« zur Demo auf – ab 14:30 am Connewitzer Kreuz.
Aber egal wo ihr am 8. März seid: Lasst euch von der eigenen Ohnmacht nicht verrückt oder dumm machen. Auch und gerade angesichts der derzeitigen Lage in der Welt, in Deutschland und in Sachsen. Mit Sicherheit gibt es Möglichkeiten feministischer Solidarität, die wir noch gar nicht wirklich erprobt haben, weil wir im Alltag, in unseren Umfeldern und auch innerhalb der (radikalen) Linken oft allzu vereinzelt sind – und vereinzelt werden. Wir sind vielleicht nicht mehr, aber wir sind genug, um einander beizustehen.
Und Palästina?
Das Leiden der Menschen vor Ort ist ganz gewiss real, was auch immer die Hamas-Propaganda daraus macht. Die Menschen in Gaza und der Westbank haben ganz sicher eine lebenswerte Zukunft verdient und diese Zukunft ist bedroht. Wer allerdings Palästina-Solidarität sagt und Solidarität mit Hamas, PFLP und Islamischem Dschihad meint, hat nichts, aber auch gar nichts emanzipatorisches zum Thema beizutragen, sondern betreibt schlichtweg antisemitische Hetze. Wer sich dagegen eine politische Haltung aneignen möchte, die den Namen Palästina-Solidarität tatsächlich verdient hätte, kann das am 8. März gerne und genauso gut tun wie an jedem anderen Tag im Jahr. Als Ausgangspunkt für solch eine Haltung dürfte ein Zitat des palästinensisch-US-amerikanischen Aktivisten Ahmed Fouad Alkhatib die nötige Orientierung bieten: »If you care about Gaza, grow a spine and address Hamas!«