Zur Hamas-Versteherei des Leipziger ›Bündnis 8. März‹

Pünktlich zum ersten 8. März nach dem 7. Oktober 2023 ist das Leipziger ›Bündnis 8. März‹ politisch auf Linie mit dem israelbezogenen Antisemitismus autoritär-kommunistischer Gruppen.

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Dieses Jahr gibt es auch in Leipzig wieder mehrere Bündnisse am 8. März. Wie ist es dazu gekommen?

Das ›Bündnis 8. März‹ ist spätestens seit Februar diesen Jahres politisches Zuhause für mehrere Personen, die auch in Roten Gruppen organisiert sind, das heißt: in trotzkistischen, maoistischen und stalinistischen Gruppen wie ›Young Struggle‹, ›Zora‹, ›Kommunistischer Aufbau‹ oder der ›Föderation klassenkämpferischer Organisationen‹. Diese Gruppen eint neben ihrem autoritär-kommunistischen Weltbild und ihrer Organisation in Kadern auch eine Sicht auf den Nahostkonflikt in der Tradition ›anti-imperialistischer‹ Linker, die von antisemitischen Verzerrungen und einer Dämonisierung des Staates Israel geprägt ist (vgl. zu Leipziger Roten Gruppen auch den Text »Keine Räume für Antisemiten« der fantifa Leipzig). So bezeichnet etwa ›Young Struggle‹ den Staat Israel allgemein als »Siedlerkolonie« und verklärt die antisemitische Organisation ›Samidoun‹, die sich für die Freilassung gefangener palästinensischer Terrorist*innen einsetzt, ganz in deren Sinn zu einer ›revolutionären linken Organisation‹ (ebd.). Die Gruppe ›Zora‹ verherrlicht den Terror vom 7. Oktober zu einem »historische[n] Moment für nationale Befreiungskämpfe weltweit«. Und der ›Kommunistische Aufbau‹ erklärt anlässlich des 7. Oktobers den »bewaffnete[n] Kampf gegen den Zionismus« für legitim. Solche Äußerungen sind keine Einzelfälle, sondern haben unter ›anti-imperialistischen‹ Linken Tradition.

Dass Angehörige Roter Gruppen überhaupt im ›Bündnis 8. März‹ aufgenommen wurden, ist Grund genug, jede politische Zusammenarbeit mit dem Bündnis zu verweigern und zum 8. März etwas eigenes, besseres auf die Beine zu stellen. Ein spontan gebildetes Netzwerk feministischer Gruppen hat genau das getan: Es ruft (hier) zur Kundgebung für einen emanzipatorischen 8. März auf und findet dabei klare Worte gegen Antisemitismus und linke Hamas-Versteherei. In seinem Aufruf kritisiert das Netzwerk, »dass in der Orga der Demonstration des [›Bündnis 8. März‹] Gruppen sitzen, die in ihrem sogenannten ›Revolutionären Block‹ Vernichtungsfantasien auf die Straße tragen, dabei auch islamistisch-fundamentalistischen Forderungen den Weg bereiten und diese im Rahmen einer feministischen Großveranstaltung zu normalisieren gedenken«.

Das ›Bündnis 8. März‹ hat am 29. Februar ein Statement veröffentlicht, in dem es die Vorwürfe glatt leugnet und sie zugleich durch die Zeilen bestätigt. Das soll im Folgenden kurz beleuchtet werden.

Intransparenter Umgang mit dem Vorwurf der Unterwanderung

Den Vorwurf der Unterwanderung durch Rote Gruppen (im Statement ›K-Gruppen‹) weist das Bündnis »entschieden« von sich, ohne ihm tatsächlich inhaltlich zu widersprechen. Es verweist nur darauf, dass es »maßgeblich aus Einzelpersonen« bestehe und darüber hinaus »einige Delegierte anderer Strukturen« an den Plena und dem Arbeitsprozess teilnehmen, stellt zugleich aber keinerlei Transparenz darüber her, ob es sich bei diesen Einzelpersonen oder Delegierten auch um Angehörige Roter Gruppen handelt. Der abstrakte Hinweis darauf, dass das Bündnis maßgeblich aus Einzelpersonen und Delegierten bestehe, ist überhaupt keine inhaltliche Antwort auf den Vorwurf der Unterwanderung. Wenn das Bündnis glaubt, auf diese Weise irgendetwas geklärt zu haben, ist das bestenfalls politisch naiv und schlechterenfalls eine bewusste Verschleierung der Teilhabe Roter Gruppen am Bündnis: Dann wäre diese Teilhabe geduldet oder gewollt.

Tatsächlich ist kaum denkbar, dass die Autor*innen des Statements nicht wissen, dass Mitglieder Roter Gruppen im Bündnis sitzen. Mindestens ›Zora‹ hat auf Anfrage schon im Februar bestätigt, Teil des Bündnisses zu sein. Und zum ›Revolutionären Block‹ auf der 8.März-Demo aufgerufen haben bisher sowohl ›Zora‹ als auch ›Young Struggle‹ und weitere Rote Gruppen.

Wahrscheinlich ist also, dass im Bündnis die Präsenz von Mitgliedern Roter Gruppen allgemein toleriert wird oder sogar willkommen ist. Und vermutlich wurde das Statement auch von ebendiesen Personen mitverfasst. Darauf deutet nicht nur der intransparente Umgang mit dem Unterwanderungs-Vorwurf hin, sondern auch die Bestätigung Roter Gruppen selbst, Teil des Bündnisses zu sein, die Existenz eines eigenen ›Revolutionären Blocks‹ im Demo-Aufruf und die Bewerbung der Demonstration durch die meisten Leipziger Roten Gruppen in sozialen Netzwerken. Vor allem aber bestätigt das Bündnis in seinem Statement so eindeutig inhaltliche Übereinstimmung mit den Positionen Roter Gruppen, dass es fast schon verharmlosend wäre, nur von Unterwanderung zu sprechen. Treffender ist es, zu sagen: Das ›Bündnis 8. März‹ ist pünktlich zum ersten 8. März nach dem Terror vom 7. Oktober ganz auf Linie mit dem israelbezogenen Antisemitismus Roter Gruppen.

Instrumentalisierung des 8. März

Ein zentraler Vorwurf an das Bündnis besteht darin, dass es den 8. März für ein einseitiges Sprechen über den Nahost-Konflikt instrumentalisiert. Diesen Vorwurf beantwortet das Bündnis kurzerhand mit einem Verweis auf einen angeblichen »Genozid in Gaza«. Leipziger Strukturen würden diesen Genozid und »die Thematisierung von Kriegen im Allgemeinen« als nicht feministisch relevant abtun.

Dass das Bündnis sich gar nicht erst die Mühe macht, den Vorwurf der Instrumentalisierung zu widerlegen, und dass es ihn unmittelbar mit der Behauptung eines Genozids in Gaza beantwortet, ist zunächst einmal vielsagend in Bezug auf den Vorwurf der Unterwanderung. Denn von einem vom israelischen Militär in Gaza verübten Genozid zu sprechen, ohne das überhaupt für begründungsbedürftig zu halten, ist in der Tat ein typisches Merkmal Roter Gruppen. Dieses unvermittelte Sprechen vom Genozid zeigt, dass es auch dem ›Bündnis 8. März‹ nicht um Aufklärung und Debatte über die tatsächliche Situation in Gaza geht, sondern um eine einseitige Schuldzuweisung an Israel.

Denn es ist hoch fragwürdig, das Sterben und Leiden in Gaza als einen vom israelischen Militär verübten Genozid zu bezeichnen. Nach Angaben des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums sind bisher mindestens 30.000 Menschen gestorben. Etwa ein Drittel davon waren nach israelischen Angaben Hamas-Kämpfer. Die Hamas ist dafür bekannt, gezielt zivile Infrastruktur für ihre militärischen Aktionen zu nutzen und dabei systematisch tote Zivilist*innen in Kauf zu nehmen, um ihre anti-israelische Propaganda anzufachen. Sie hat in ihrer regierenden Funktion in Gaza schon vor dem 7. Oktober weder ausreichend Nahrung, Wasser oder Gesundheits-Infrastruktur bereitgestellt, noch Luftschutzbunker für die Allgemeinbevölkerung gebaut oder Raketenabwehrsysteme installiert. Stattdessen hat sie ausländische (Hilfs-) Ressourcen und Gelder weitgehend für den Ausbau ihrer militärischen Infrastruktur und Schlagkraft verwendet. Sie verfügt auch heute über Nahrungsmittel, Wasser und medizinische Versorgung für ihre eigenen Leute, die sie der Bevölkerung in Gaza vorenthält. Unter diesen Voraussetzungen ist fraglich, wie das israelische Militär überhaupt gegen die Hamas vorgehen soll, ohne dass dabei Zivilist*innen sterben oder verwundet werden. Und es ist plausibel, dass die Opferzahlen in der Zivilbevölkerung tatsächlich verhältnismäßig gering sind und dass das wesentlich daran liegt, dass es zum Vorgehen der IDF gehört, Zivilist*innen möglichst zu schonen.

All das sollte wissen und einbeziehen, wer ein politisches Urteil zum Leiden der Zivilbevölkerung in Gaza treffen will. All das lässt sich auch feststellen, ohne eine Teilschuld Israels an der aktuellen Situation der Zivilbevölkerung von vornherein auszuschließen. Sich mit der spezifischen Rolle und Kriegsführung sowohl der Hamas als auch der IDF konkret auseinanderzusetzen wäre allerdings eine Voraussetzung dafür, sich überhaupt ein Urteil darüber zu bilden, ob das israelische Militär Kriegsverbrechen oder gar einen Genozid in Gaza verübt. An einer solchen faktenbasierten Auseinandersetzung sind Rote Gruppen oder auch die sogenannte ›linke Palästinasolidarität‹ aber weitestgehend nicht interessiert. Ihre Rhetorik ist bestimmt von einseitigen und überzogenen Schuldzuweisungen an den Staat Israel, von einer systematischen Ausblendung der Rolle der Hamas und von einer unkritischen Übernahme von Hamas-Propaganda. In der für Rote Gruppen typischen Rhetorik erfüllt die Rede vom ›Genozid in Gaza‹ vor allem die Funktion einer Dämonisierung des Staates Israel und lässt sich damit als Ausdruck von israelbezogenem Antisemitismus erkennen.

Auch der reflexartige Gegenvorwurf vom ›Bündnis 8. März‹ an seine Kritiker*innen, diese würden sich für die feministische Bedeutung von Kriegen nicht interessieren, ist ausgesprochener Unsinn. Im Aufruf für einen emanzipatorischen 8. März lässt sich nämlich einiges zur Situation in Gaza und zur besonders schlimmen Lage von Frauen dort lesen. Nur finden die Kritiker*innen vom emanzipatorischen 8. März im Unterschied zum ›Bündnis 8. März‹ klare Worte gegen die Verklärung von antisemitischem und islamistischem Terror zum linken Freiheitskampf und gegen den Umgang der Hamas sowohl mit den israelischen Geiseln als auch mit den palästinensischen Zivilist*innen. Und im Unterschied zum ›Bündnis 8. März‹ verurteilen dessen Kritiker*innen den Terror der Hamas glaubhaft, das heißt ohne ihn mit einem reflexhaften Aber in den angeblichen »Kontext anhaltender Besatzung, Vertreibung und Apartheid« zu stellen. Diese ›Kontextualisierung‹ ist tatsächlich eine Relativierung. Denn selbst wenn beispielsweise der Vorwurf der Apartheid stimmen würde (er tut es nicht): Kein Handeln egal welchen Staates erklärt oder rechtfertig die vorsätzliche massenhafte Ermordung, Verstümmelung, Verschleppung und Vergewaltigung von Zivilist*innen. Das ›Bündnis 8. März‹ relativiert den vernichtungsantisemitischen Terror der Hamas, indem es andeutet, er sei angesichts der eigentlichen Grausamkeiten israelischer Politik schon irgendwie nachzuvollziehen – eine klassische Argumentationsfigur des israelbezogenen Antisemitismus (nicht nur) Roter Gruppen. Schuld ist immer Israel.

Das ›Bündnis 8. März‹ bestätigt also durch seine Position überdeutlich, dass der Vorwurf der Instrumentalisierung des 8. März zutrifft. Es instrumentalisiert den Tag nicht einfach abstrakt für ein Sprechen über den Nahost-Konflikt, sondern für eine einseitige, antisemitisch eingefärbte Problematisierung der Politik und des militärischen Vorgehens Israels und für eine entsprechende Verharmlosung der Hamas und ihrer außerordentlichen Bedeutung für die politische Perspektivlosigkeit im Gazastreifen und für das physische und psychische Leiden der dortigen Zivilbevölkerung. Eine solche Verzerrung könnte ebensogut aus der Feder Roter Gruppen stammen.

Das Gerede vom »palästinensischen Kampf«

Dass das Bündnis genau wie Rote Gruppen keine kritische Position zur besonderen Rolle antisemitischer Terrorgruppen im Nahost-Konflikt einnehmen will, zeigt sich auch an seiner Forderung, sich »mit der palästinensischen Bevölkerung [zu] solidarisieren und sie in ihrem Kampf [zu] unterstützen«. Eine gewollt freundliche Interpretation dieser Textstelle wäre, dass die Autor*innen tatsächlich einen emanzipatorischen Kampf meinen, also einen Kampf ohne und gegen die Hamas. Dann sollte ihnen allerdings bekannt sein, wie sehr die Hamas das politische Geschehen im Gazastreifen seit ihrer Machtergreifung 2007 bestimmt, und sie müssten die enorme Schwierigkeit von Emanzipation trotz Hamas-Herrschaft thematisieren.

Naheliegender ist natürlich die Interpretation, dass die Autor*innen mit dem ›Kampf der palästinensischen Bevölkerung‹ so etwas wie Widerstand gegen die von ihnen bereits behauptete israelische »Besatzung, Vertreibung und Apartheid« meinen. Damit wären oder sind sie wieder ganz auf Linie mit Roten Gruppen, die schon weit vor dem 7. Oktober den wiederholten Terror der Hamas und anderer islamistischer Gruppen relativiert und bejubelt haben. Auch die sexuelle Gewalt der Hamas pflichtbewusst zu verurteilen und den Terror der Hamas im Allgemeinen zugleich zu einer nachvollziehbaren Reaktion auf die israelische Politik zu verharmlosen, läuft auf eine Verharmlosung auch der sexuellen Gewalt selbst hinaus. Darüber hinaus erschwert die abstrakte Rede vom ›palästinensischen Kampf‹ aber auch einen klaren Blick darauf, was die Hamas überhaupt ist: Sie ist eine zutiefst patriarchale, von einem antisemitischen Todeskult motivierte islamistische Organisation, die ihre eigenen Interessen in der Region verfolgt:

Die Hamas wurde und wird massiv vom Iran, Katar und Saudi-Arabien gefördert und hat seit ihrer Machtergreifung im Gazastreifen 2007 die dortige gesellschaftliche und politische Situation maßgeblich bestimmt. Sie hat eine autoritäre Regierungsform durchgesetzt, Medien gleichgeschaltet, eine Propaganda-Maschine aufgebaut, ihren terroristischen Flügel und militärische Infrastruktur extrem ausgebaut und politische Gegner*innen eingeschüchtert und ermordet. Sie hat in Schulen und Erziehungseinrichtungen antisemitische Propaganda betrieben und Kinder und Jugendliche für ihren Märtyrerkult und den Kampf gegen die Existenz Israels rekrutiert. Die Hamas war in den letzten 17 Jahren schlichtweg der politische Player in Gaza. Das heißt auch: Sie hat zentral das Verständnis von ›Befreiungskampf‹ bestimmt, das schon in den Jahren vor dem 7. Oktober im Gazastreifen vorherrschte. Das heißt: ›Befreiung‹ vom israelischen Staat und Vernichtung jüdischen Lebens in der Region – für ein islamistisches Palästina from the river to the sea. Schon lange vor dem 7. Oktober waren weite Teile der Bevölkerung in Gaza Sympathisant*innen oder überzeugte Anhänger*innen der Hamas.

Wer also vom »palästinensischen Kampf« redet und damit nicht ausdrücklich einen Kampf ohne und gegen die Hamas und ihre Ideologie meint, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, bestenfalls einfach nur politisch ungebildet zu sein und nichts emanzipatorisches zur Debatte zum Nahost-Konflikt beizutragen zu haben oder aber schlechterenfalls einer islamistischen Terror-Organisation nach dem Mund zu reden und antisemitischen Hass zu schüren. Vor allem letzteres gilt für weite Teile der ›linken Palästina-Solidarität‹ und neuerdings auch ganz offiziell für das ach so feministische ›Bündnis 8. März‹.

Update kurz vor Veröffentlichung:

Im inzwischen aktualisierten Programm des ›Bündnis 8. März‹ wird ein Großteil der einsehbaren Veranstaltungen von Roten Gruppen angeboten. Die Unterwanderung – oder beidseitige Annäherung – kann also als erfolgreich im Sinne Roter Gruppen angesehen werden.