Mit Cuttermesser entstellt: Traumatisierte Leipzigerin muss im Gerichtssaal aussagen

Eine psychisch angeschlagene Frau ist die wichtigste Zeugin im Prozess um den Mordanschlag auf sie im Stadtteil Lößnig. Trotz ihres Gesundheitszustands blieb ihr eine direkte Begegnung mit dem Angeklagten nicht erspart.
Der entstellten Frau sollte die direkte Begegnung mit dem Angeklagten erspart bleiben: Im Prozess um einen brutalen Messerangriff auf eine 35-jährige Leipzigerin vor deren Wohnhaus im Leipziger Stadtteil Lößnig war eine audiovisuelle Vernehmung des traumatisierten Opfers im Gespräch. Doch am Ende entschied die zuständige 16. Strafkammer anders – und die betroffene Sabine R. musste kurzfristig den schweren Gang in den Verhandlungssaal antreten.
Am 17. Juli vorigen Jahres kurz nach 21 Uhr war sie vor ihrer Haustür in der Georg-Maurer-Straße mit einem Messer massiv attackiert worden. Die Staatsanwaltschaft klagte danach ihren Bekannten Alexander F. (36) wegen versuchten Mordes an. Er habe die Frau bestrafen wollen und tödliche Verletzungen billigend in Kauf genommen.
Opfer hat posttraumatische Belastungsstörung
Durch den Angriff mit einem Cuttermesser erlitt die Frau mehrere lange Schnittwunden im Gesicht und am Oberkörper, von denen tiefe Narben zurückbleiben. Sie musste im Leipziger Universitätsklinikum notoperiert werden, blieb acht Tage zur stationären Behandlung. Zudem wurde ihr nach Gerichtsangaben eine posttraumatische Belastungsstörung attestiert.
Aufgrund des psychischen Zustands der wichtigsten Zeugin erwog die Kammer, sie außerhalb des Gerichtsaales zu befragen. Ihre Aussage würde zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. Die Strafprozessordnung (StPO) sieht das ausdrücklich vor: „Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht anordnen, dass der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält.“
Audiovisuelle Vernehmung ist Ausnahmefall
Allerdings gilt dies als Ausnahmebestimmung. Denn vor allem ist der Grundsatz der Öffentlichkeit und Unmittelbarkeit zu wahren. Wäre dies nicht gegeben, liegt nach Angaben des Gerichts ein absoluter Revisionsgrund vor. „Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen“, heißt es dazu in der StPO.
Würde eine Aussage im Gerichtssaal bei Sabine R. mit hoher Wahrscheinlichkeit zu schwerwiegenden Folgen führen? Die Richter verneinten dies – und befragten die Frau schließlich über mehrere Stunden mit längeren Pausen zwischendurch.
Das äußere Tatgeschehen war allerdings kaum noch strittig. Alexander F. hatte zum Prozessauftakt vor zwei Wochen den Übergriff eingeräumt, allerdings eine Tötungsabsicht bestritten. An jenem Abend habe er die Beherrschung verloren, erklärte er. Von einem Kontrollverlust war die Rede.
Da er selbst bei dem Messerangriff verletzt wurde, ging auch er in ein Krankenhaus, wurde um 21.50 Uhr festgenommen. Bis zum Haftrichtertermin am folgenden Nachmittag habe Alexander F. mehr als 14 Stunden keinen Anwalt bekommen, monierte sein Verteidiger Curt-Matthias Engel. Er widerspreche daher der Verwertung von Angaben seines Mandanten, da dessen Rechte verletzt worden seien.
Der Prozess soll noch bis Ende März andauern.