Brandanschläge auf Wurzener Kirchen: Staatsschutz hat Ermittlungen aufgenommen

Erst wurden die Wurzener Gotteshäuser beschmiert, dann wurde Feuer gelegt. Auf einem Krisentreffen wurde besprochen, wie der oder die Täter gestoppt werden könnten.

Der Schock sitzt in Wurzen nach wie vor tief. In der Nacht auf den 9. Februar hatten Unbekannte versucht, Feuer am Gebäude der Neuapostolischen Kirche sowie an der Stadtkirche St. Wenceslai zu legen. Von einem Anwohner alarmierte Polizisten konnten in beiden Fällen den Brand im Anfangsstadium ablöschen und damit Schlimmeres verhindern.

Noch gibt es keine Informationen darüber, ob der Anschlag im Zusammenhang mit großflächigen Schmierereien steht und wer als Täter oder Tätergruppe dahintersteckt. Auch die Unbekannten, die im vergangenen Sommer und ein weiteres Mal Anfang Januar dieses Jahres am Dom und am Gebäude der Neuapostolischen Kirche ausladende Graffiti hinterlassen haben, sind noch nicht ermittelt.

In Wurzen führt wachsende Unsicherheit nun zu einem Schulterschluss verschiedener Akteure. In der vergangenen Woche hat Oberbürgermeister Marcel Buchta (parteilos) zu einem Krisentreffen ins Rathaus eingeladen. An diesem nahmen neben städtischen Vertretern und Mitgliedern der drei örtlichen Kirchgemeinden – evangelische, katholische und neuapostolische – auch die Bürgerpolizistin, der Grimmaer Polizeirevierleiter Christian Dorn sowie Kameraden der örtlichen Feuerwehr teil.

Feuerwehr mahnt Bürger zu erhöhter Wachsamkeit

„Leider kommen wir immer erst dann zum Einsatz, wenn etwas passiert ist. Deshalb können wir unsererseits nicht viel mehr tun, als die Bevölkerung zu erhöhter Wachsamkeit aufzurufen“, sagt der Wurzener Feuerwehrmann und stellvertretende Kreisbrandmeister Thilo Bergt.

Diese Aufforderung unterstreicht auch der Wurzener Rathauschef. „Mit dem Treffen wollen wir zudem signalisieren, dass alle Beteiligten um die Dringlichkeit der Sache wissen und zu einem konzertierten Handeln entschlossen sind“, sagt Buchta. Zudem sei es in dem Krisengespräch um Möglichkeiten gegangen, die Ermittlungen zu unterstützen.
OBM Buchta: Staatsschutz in Ermittlungen involviert

„Es wird in alle Richtungen ermittelt, wobei diese Ermittlungen mittlerweile beim Staatsschutz angesiedelt sind, der sich schwerpunktmäßig mit politisch motivierter Kriminalität beschäftigt“, so der Oberbürgermeister.

Buchta zufolge hat die Stadtverwaltung bereits in ersten Schritt auf die Bedrohung der Gotteshäuser reagiert. Mit einer besseren Ausleuchtung des Wenceslai-Kirchhofes sei eine erste konkrete präventive Maßnahme ergriffen worden.

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Roger Dietze
10.02.2025

Erst Graffiti, nun Brandanschläge an Wurzener Kirchen: Superintendent „verstört und aufgewühlt“

Nach zwei Sprühattacken gegen zwei Wurzener Kirchen haben die Angriffe eine neue Dimension erreicht: Es wurden Brandanschläge auf zwei Gotteshäuser verübt. Die gezielten Übergriffe lösen Sorgen und Entsetzen aus.

Es herrscht Unruhe in den Wurzener Kirchen. Zweimal, im vergangenen Sommer und ein weiteres Mal Ende Januar dieses Jahres, sind der Dom und das Gebäude der Neuapostolischen Kirche großflächig besprüht worden.

Und in der Nacht zum Sonntag haben die Angriffe noch einmal an Schärfe zugenommen. Gegen ein Uhr wählte ein 35-jähriger Anwohner den Notruf, nachdem er ein brennendes Kellerfenster an einem Wurzener Gotteshaus bemerkt hatte.

Polizeibeamte konnten Flammen im Anfangsstadium ablöschen

Die eintreffenden Polizeibeamten handelten sofort und konnten die Flammen ablöschen, bevor sie größeren Schaden verursachten. Eine Funkwagenbesatzung der Wurzener Polizei stellte später einen weiteren Brand vor der Haupteingangstür einer zweiten Kirche fest.

Auch an diesem Tatort konnten die Beamten mit einem Feuerlöscher Schlimmeres verhindern. Nach Auskunft der Polizeidirektion Leipzig (PD) entstand an beiden Kirchen ein Schaden von insgesamt rund 2000 Euro. Es seien Ermittlungen wegen eines vorsätzlichen Branddeliktes aufgenommen worden.

Polizei: Neuapostolische Kirche und Stadtkirche diesmal betroffen

Neue Erkenntnisse zu der Tat beziehungsweise den beiden Taten liegen laut Sandra Freitag von der PD-Pressestelle zum aktuellen Zeitpunkt nicht vor. Sie bestätigt aber, dass erneut die Neuapostolische Kirche und zudem die Stadtkirche St. Wenceslai betroffen sind.

„Kriminelle Akte gegen Kirchen im Umland der Stadt Leipzig sind eher selten. Innerhalb der Großstadt reichen demgegenüber die Tatbestände vom Diebstahl auf Friedhöfen über Einbrüche in Kirchen bis hin zu sogenannten gemeinschädlichen Sachbeschädigungen, zu denen auch Schmierereien gezählt werden.“

Superintendent Joachim Kinder: „Ich bin verstört und aufgewühlt“

Auch in Borna, dem Sitz der Evangelisch-Lutherischen Superintendentur Leipziger Land, lösen diese neuerlichen Nachrichten große Besorgnis aus. „Ich bin verstört und aufgewühlt“, so Superintendent Joachim Kinder. Dank des umsichtigen Handelns eines Bürgers sowie der Polizeibeamten sei zwar kein größerer Sachschaden entstanden. Zur Tagesordnung überzugehen verbiete sich dennoch.

„Ich werde in dieser Woche das Gespräch mit der örtlichen evangelischen Kirchgemeinde und der Stadt suchen, in welchem es darum gehen wird, wie wir mit dieser Bedrohungslage umgehen“, so Kinder.

Auch Kirchen zunehmend von Einbrüchen und Vandalismus betroffen

Zwar sei leider auch die Kirche in Anbetracht der Zunahme von Einbrüchen und Vandalismus schon lange kein Hort der Glückseligen mehr. Mit einem gezielten Brandanschlag sei aber eine neue bedrohliche Dimension erreicht.

Hinsichtlich des Inhaltes der Schmierereien – unter anderem nahm der Täter beziehungsweise nahmen die Täter Bezug auf einen jüdischen Feiertag – äußert sich der Superintendent zurückhaltend. „Die Botschaft ist zu wenig eindeutig, um sie interpretieren zu können.“

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Nikolaus Neidhardt
09.02.2025

Brandstiftung: Mehrere Wurzener Kirchen angezündet
Die Spuren des nächtlichen Feuers sind noch zu sehen.

Gleich zweimal hat die Polizei in der Nacht zu Sonntag Brände an Kirchen in Wurzen löschen müssen und konnte so größeren Schaden verhindern. Nun ermittelt sie wegen Brandstiftung.

An zwei Wurzener Kirchen hat es in der Nacht zum Sonntag gebrannt. Gegen ein Uhr hatte ein 35-Jähriger den Notruf gewählt, nachdem er ein brennendes Kellerfenster an einer Kirche bemerkt hatte. Die zuerst eintreffenden Polizeibeamten konnten die Flammen mit Wasser löschen.

Eine Funkwagenbesatzung der Polizei stellte später einen weiteren Brand vor der Haupteingangstür des Wurzener Doms fest. Diesen konnten die Beamten mit einem Feuerlöscher löschen.

Der an beiden Kirchen entstandene Schaden wird insgesamt auf rund 2000 Euro geschätzt. Die Polizei hat die Ermittlungen wegen eines vorsätzlichen Branddeliktes aufgenommen. In der Vergangenheit sorgten in Wurzen immer wieder Graffiti für Aufsehen, die seit letztem Jahr an verschiedene Gotteshäuser gesprüht wurden. Betroffen waren sowohl der Dom als auch die Neuapostolische Kirche.

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Haig Latchinian
27.01.2025

Mutmaßlicher Graffiti-Serientäter in Wurzen hat es auf Kirchen abgesehen

Nachdem es bereits im Sommer in Wurzen zu Schmierereien an Kirchenwänden kam, ist nun abermals großflächig gesprüht worden – am Dom, auch an der Neuapostolischen Kirche. Die Betroffenen sind in Sorge, denn es handelt sich offenkundig um einen Wiederholungstäter.

Schon wieder! Nachdem ein Unbekannter bereits Ende August 2024 den Wurzener Dom geschändet hat, wurde das geschichtsträchtige Gebäude dieser Tage erneut großflächig besprüht. Domherr Johannes Dickert ist bestürzt über die abermalige „Sachbeschädigung in Potenz“, wie er es nennt.

Wie schon im Sommer kommt der meterlange Schriftzug mit blauer Farbe diffus bis kryptisch daher. „Ich will mir gar nicht die Mühe geben, die Botschaft hinter diesen wirren Zeilen zu analysieren“, macht Dickert seinem Unmut Luft. „Das ist einfach nur kriminell!“ Auch die Neuapostolische Kirche in der Muldengasse wurde mit Farbe beschmiert.

Was die Betroffenen besonders in Sorge versetzt: Offenbar handelt es sich um einen Wiederholungstäter. Denn die Schmierereien an den verschiedenen Gotteshäusern sowohl aktuell als auch im vergangenen Jahr tragen augenscheinlich ein und dieselbe Handschrift. Der blaue Farbton, die Art und Weise der Losungen, die Ausformung der Buchstaben – das alles spricht für immer wieder denselben Täter. Jemanden, der offenbar ein Problem mit den Kirchen hat.

Die Sachschädigungen machen nicht nur Ärger, sondern auch viel Arbeit. Im vergangenen Jahr hatte sich die Kirchgemeinde wochenlang an den Schmierereien – eine achtzeilige Parole – am Dom abgemüht. „Erst versuchten wir selbst, sie wegzuwischen. Weil das nicht gelungen war, hatten wir eine Fachfirma beauftragt, die für einen neuen Anstrich sorgte. Und nun das“, schimpft Dickert. Exakt auf der frisch geweißten Stelle ist jetzt der nächste Spruch zu lesen.

Unverständnis auch an der Neuapostolischen Kirche: Informationstafel, Eingangsbereich und Fassade wurden verunstaltet. Da das kleine, feine, 1989 erbaute Gotteshaus den damals typischen DDR-Kratzputz aufweist, reiche Schadensbegrenzung hier nicht aus: „Wir werden wohl das gesamte Gebäude neu putzen müssen“, sagt Christoph Müller.
„Wir mischen uns nicht in die Politik ein“

Der in Wurzen beliebte Handwerksmeister – selbst Gemeindeglied – kann es nicht fassen: „Das ist eine Unverschämtheit.“ Alle 135 Gläubigen seien in höchstem Maße beunruhigt: „Vor allem fühlen wir uns machtlos, können nichts tun.“

Der unbekannte Täter müsse entweder selbst Wurzener sein oder wenigstens über genaue Ortskenntnis verfügen, sagen die Christen. „Andernfalls würde man unsere Kirche in dieser abgelegenen Gasse gar nicht finden. Vor allem ist es hier nachts besonders dunkel.“

n Bälde feiert die Gemeinde ihr 100-jähriges Bestehen in Wurzen. Man lebe die Ökumene, suche im Verhältnis zu anderen Glaubensgemeinschaften nicht nach Unterschieden, sondern betone stets die Gemeinsamkeiten: „In die Politik mischen wir uns nicht ein.“
Erich-Zeigner-Haus spricht von Antisemitismus

Weshalb der mutmaßliche Serientäter in seinem Schriftzug ein Verbot von Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, fordere, erschließe sich ihm nicht, betont Müller. Der Vorfall sei nicht nur der Kirchenverwaltung in Hamburg, sondern auch der Polizei gemeldet worden.

Polizeisprecher Michael Schwerinsky bestätigt: „Die Straftaten am Dom und in der Muldengasse sind angezeigt worden. Erkenntnisse gibt es noch nicht.“ Die Fälle seien dem Fachdezernat der Kriminalpolizei übergeben worden. Dort würden mögliche Zusammenhänge geprüft.

Henry Lewkowitz ist Geschäftsführer des Leipziger Vereins „Erich-Zeigner-Haus“, der sich für demokratische Bildung in Sachsen starkmacht. Er bewertet die Parole an der Neuapostolischen Kirche in jedem Fall als antisemitisch.

Zwar seien verschwörungstheoretische Graffiti keine Seltenheit mehr. In dieser Art wisse er jedoch von keinem vergleichbaren Fall, so Lewkowitz. Jom Kippur bedeutet „Versöhnungsfest“. An diesem Tag denken gläubige Juden über ihre Beziehung zu Gott und ihren Mitmenschen nach.

Wurzener lieben ihren Dom

Er sei einfach nur traurig, sagt Bischof Thomas Matthes, der seine „Schäfchen“ zwischen Görlitz und Salzwedel betreut. Er wolle den polizeilichen Ermittlungen nicht vorgreifen, glaube aber nicht, dass der Farbanschlag 1:1 seiner Neuapostolischen Kirche gegolten habe.

Wie berichtet, wurde im Sommer nicht nur der Dom beschmiert. Zweimal wurde auch das Pesthäuschen im Alten Friedhof verunstaltet. Das älteste städtische Einzeldenkmal mit dem gekreuzigten Jesus war 1687 über den Gräbern der Pesttoten errichtet worden.

Christoph Müller, dessen Gemeinde selbst betroffen ist, denkt an den Dom: „Es geht hier nicht um mich. Die Wurzener sind es, die ihren Dom lieben. Erst zu Weihnachten hatten wir alle gemeinsam dort gesungen: Gymnasiumschor, Männerchor, Frauenchor, Domkantorei und Neuapostolische Gemeinde.“

Domherr Johannes Dickert kennt seinen Glaubensbruder Müller sehr gut: „Herr Müller hat eine besonders innige Beziehung zum Dom. Er ist Metalldrücker. Und als solcher hat er sich gemeinsam mit seinem Sohn in besonderer Weise um unsere Dombeleuchtung verdient gemacht.“

Dickert und Müller hoffen nun gleichermaßen, dass die Polizei dem notorischen Graffiti-Sprüher doch noch auf die Schliche kommt.