Streit um „grenzüberschreitendes Verhalten“ – Vorwürfe ausgeräumt: Leipziger Grüne einigen sich mit Ex-Stadtrat Jürgen Kasek

Die Grünen hatten Jürgen Kasek „grenzüberschreitendes Verhalten“ vorgeworfen und im Leipziger Kommunalwahlkampf die Unterstützung für ihn gestoppt. Jetzt bedauern sie das und rehabilitieren ihr Parteimitglied.

Im Kommunalwahlkampf hatten die Leipziger Grünen ihrem damaligen Stadtrat Jürgen Kasek das Vertrauen und die Unterstützung entzogen. Nach einer Einigung vor dem Landesschiedsgericht der Partei bezeichnet der Kreisverband das nun als einen Fehler.

Damit endet formal ein Streit zwischen Kasek und seiner Partei. Anfang Mai, rund einen Monat vor der Kommunalwahl, hatte der damalige Vorstand der Leipziger Grünen die Wahlkampfhilfe für Kasek gestoppt. Als Grund nannte der Vorstand „grenzüberschreitendes Verhalten“ von Kasek gegenüber Frauen, das gegen die „feministischen, humanistischen Grundsätze“ der Partei verstoße. Um strafrechtlich relevante Vorwürfe, hieß es, gehe es ausdrücklich nicht.

Kasek wehrte sich gegen die Entscheidung, das Landesschiedsgericht der Partei wurde mit dem Fall befasst. Noch vor der Kommunalwahl entschied das, dass Kasek im Wahlkampf weiter unterstützt werden müsse. Das Gericht hatte damals unter anderem kritisiert, dass der Grünen-Vorstand die Vorwürfe gegen Kasek nicht genauer benannt habe. So sei es dem Gericht nicht möglich gewesen, die Sachlage selbst zu bewerten.
Kreisvorstand will Vorwürfe gegen Kasek nicht weiter erheben

Der Vorstand kam der Aufforderung des Landesschiedsgerichts zur Unterstützung Kaseks nach, übergab ihm etwa seine Wahlkampfplakate. An einer Prüfung der Vorwürfe hielt die Leipziger Parteiführung aber fest. Bei der Wahl zum Stadtrat am 9. Juni verfehlte Kasek den Wiedereinzug.

Nun einigten sich Kasek und der inzwischen neu gewählte Vorstand der Leipziger Grünen in der Sache endgültig vor dem Landesschiedsgericht. Man habe Behauptungen Dritter übernommen, ohne Jürgen Kasek dazu anzuhören, heißt es in einem Newsletter der Leipziger Grünen und weiter: „Aus heutiger Sicht war das ein Fehler.“ Der Kreisvorstand bedauere sehr, „hierdurch dem Parteimitglied massiv geschadet zu haben.“ Man werde die Vorwürfe nicht weiter erheben.

Der Vorstand des Kreisverbandes bestätigte, dass diese Formulierungen Teil der Einigung vor dem Schiedsgericht sind. Kasek werde wieder voll eingebunden in die Arbeit der Leipziger Grünen und genauso unterstützt wie die anderen Mitglieder. Kasek sagte auf Nachfrage, er werde weiter politisch aktiv bleiben. „Ob und wie stark das weiterhin in einer Partei ist, wird sich zeigen.“

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Dominic Welters
10.06.2024

Grüner Kasek verliert Stadtratsmandat in Leipzig

Ein kritischer Zeitgenosse, in seiner eigenen Partei umstritten, gehört dem neuen Leipziger Stadtrat nicht mehr an. Jürgen Kasek von Bündnis 90/Die Grünen will nun in sich gehen. Doch auch andere lokalpolitische Größe sind raus.

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im neuen Leipziger Stadtrat wird künftig nicht nur vier Mitglieder weniger aufweisen als gegenwärtig noch, sie wird auch runderneuert auftreten. Bis auf die beiden Fraktionsvorsitzenden Katharina Krefft und Tobias Peter sowie Kristina Weyh besteht sie ausnahmslos aus neuen Gesichtern.

Mit Gesine Märtens, Paula Louise Piechotta und Nicole Schreyer wurden zwar keine unbekannten Protagonistinnen regionaler grüner Politik in die lokale Volksvertretung gewählt, doch in der laufenden Wahlperiode gehörte das Trio der Ratsversammlung nicht an. Letzteres trifft auch auf Marsha Richarz, Chantal Schneiß, Anne Vollerthun, Sylvia Herbst-Weckel und Marvin Frommhold zu.

Marsha Richarz gewinnt für die Grünen im Osten

Bedeutet im Umkehrschluss: Einige bekannte Akteure der Bündnisgrünen mischen im Plenum und in den Ausschüssen künftig nicht mehr mit – allen voran Jürgen Kasek. Der war im Wahlbezirk 2 – Leipzig Ost – hinter Marsha Richarz nur auf Listenplatz 2 geführt worden. Exakt 1565 Stimmen reichten für den umstrittenen Ökopolitiker letztlich nicht. Die Parteifreundin aus dem Osten hingegen wird dank ihrer 2459 Stimmen dem neuen Stadtrat angehören.

Kasek war zuletzt ins Gerede gekommen, nachdem die Leipziger Grünen ihm mitten im Kommunalwahlkampf das Vertrauen entzogen hatten – sie legten ihm „grenzüberschreitendes Verhalten“ im Umgang mit Parteifreundinnen zur Last. Doch das Landesschiedsgericht der Partei forderte den hiesigen Kreisverband bald darauf auf, den in Ungnade gefallenen Mitstreiter weiter zu unterstützen.

„Es ist immer falsch, sich für unersetzlich zu halten“

Seine Wahlschlappe räumte Kasek unumwunden ein. Nun habe er mal Zeit zum Durchatmen. „Es ist immer falsch, sich für unersetzlich zu halten“, schrieb der Jurist auf Instagram. „Und es ist nicht richtiger, aus Niederlagen keine Schlüsse zu ziehen und alles so zu lassen.“

Grünen-Fraktionschefin Katharina Krefft erinnerte daran, „dass Jürgen es schon bei der Wahl 2019 nur knapp in den Stadtrat geschafft hat“. Sie sei fest davon überzeugt, dass er auch weiterhin „umweltpolitisch superaktiv sein wird“. Dieses Engagement könne auch zukünftig in die Fraktionsarbeit einfließen.

Auch zwei andere lokale Politgrößen sind raus

Kasek ist nicht die einzige lokalpolitische Größe der jüngeren Stadtratsgeschichte, die den Wiedereinzug in die Ratsversammlung verpasst hat. Bei den Linken erwischte es den finanzpolitischen Experten der Fraktion Steffen Wehmann, bei der SPD den dienstältesten Stadtrat überhaupt. Christian Schulze hatte von 1990 ununterbrochen der Leipziger Volksvertretung angehört.

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Denise Peikert
24.05.2024

Landesschiedsgericht: Leipziger Grüne müssen Jürgen Kasek im Wahlkampf unterstützen

Die Leipziger Grünen hatten Jürgen Kasek das Vertrauen entzogen – wegen „grenzüberschreitendem Verhalten“. Das Landesschiedsgericht der Partei forderte den Kreisverband nun auf, Kasek weiter zu unterstützen.

Die Grünen müssen Parteimitglied Jürgen Kasek weiter im Stadtrats-Wahlkampf unterstützen. Das hat das Landesschiedsgericht der Partei entschieden. Zuvor hatte der Grünen-Kreisverband Leipzig Kasek das Vertrauen und die Wahlkampfunterstützung entzogen. Als Grund dafür nannte der Vorstand des Verbandes „grenzüberschreitendes Verhalten“ von Kasek gegenüber Frauen, das gegen die „feministischen, humanistischen Grundsätze“ der Partei verstoße.

Aus dem Entscheid des Landesschiedsgerichts, der der LVZ vorliegt, geht hervor, dass der Vorstand Kasek nicht das Vertrauen habe entziehen dürfen. Die Leipziger Grünen müssen Kasek demnach weiter so unterstützen, wie alle anderen Kandidatinnen und Kandidaten auch. Kasek ist aktuell Mitglied des Stadtrats und war im Januar von seiner Partei als Kandidat für die Kommunalwahl am 9. Juni nominiert worden.
Grüne Leipzig wollen Vorwürfe gegen Kasek weiter prüfen

Leipzigs Grünen-Sprecherin Nicole Schreyer sagte auf Anfrage, dass das Landesschiedsgericht zu der Einschätzung gekommen sei, „dass Herr Kasek Wahlplakate erhalten und auf unserer Homepage als einer unserer Kandidierenden gelistet werden sollte.“ Dieser Entscheidung komme der Kreisverband nach.

Die Vorwürfe gegen Jürgen Kasek wollen die Leipziger Grünen nach Angaben des Vorstands weiter ernst nehmen. Denn mit der Anordnung des Landesschiedsgerichts sei keine Beurteilung der Vorwürfe selbst verbunden. Die Leipziger Grünen behalten sich demnach vor, „nach gründlicher Prüfung gegebenenfalls weitere Schritte einzuleiten oder geeignete Maßnahme zu ergreifen.“

Landesschiedsgericht kennt keine konkreten Vorwürfe

Welche konkreten Vorwürfe gegen Kasek Anlass für den Vertrauensentzug waren, hat der Grünen-Vorstand bislang nicht gesagt. Auch gegenüber dem Landesschiedsgericht hat er die Vorwürfe nicht genauer benannt – „trotz mehrfacher Aufforderung“, wie es in dem Entscheid heißt. So sei es dem Gericht nicht möglich gewesen, die Sachlage selbst zu bewerten.

Jürgen Kasek sagte auf Anfrage, das Landesschiedsgericht habe deutlich gemacht, dass das Vorgehen des Vorstandes nicht von der Satzung der Partei gedeckt sei. Mit vagen Vorwürfen könne es keine Auseinandersetzung geben. „Ich hoffe nun, dass wir alle gemeinsam Wahlkampf machen können“, sagte Kasek. Eigenen Angaben nach hat Kasek inzwischen Wahlkampfplakate mit seinem Foto zum Aufhängen im Stadtgebiet von den Grünen übergeben bekommen.

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Klaus Staeubert
09.05.2024

Schwieriger Umgang mit Frauen? Leipzigs Grüne wollen Jürgen Kasek nicht mehr im Stadtrat

Die Grünen haben Jürgen Kasek die Unterstützung im Kommunalwahlkampf entzogen. Politisch bietet der 43-Jährige zwar viel Angriffsfläche. Nun stolpert er aber offenbar über Frauenaffären.

Er ist Leipzigs bekanntester Grüner, ein rastloser Streiter für Umweltschutz und gegen Rechtsextremismus. Doch sein Auftreten, das mitunter als anmaßend, überheblich und selbstverliebt wahrgenommen wird, hat Jürgen Kasek auch zu einer Reizfigur werden lassen – in der Stadtgesellschaft genauso wie in seiner eigenen Partei, der er seit 27 Jahren angehört. Nun hat der Vorstand den 43-Jährigen fallengelassen – wie die LIZ zuerst berichtet.

Was ist geschehen? Kasek, der seit 2019 für die Grünen im Stadtrat sitzt, war im Januar von seiner Partei auch für die Stadtratswahl am 9. Juni wieder als Kandidat nominiert worden. Mittlerweile ist der Wahlkampf eröffnet. Die Parteien plakatieren, präsentieren den Wählern ihr politisches Personal. Doch von Kasek, einem von zehn Grünen-Kandidaten im Wahlkreis 2 (Ost), ist auf den Plakaten am Straßenrand nichts zu sehen.

Parteivorstand hat Kasek das Vertrauen entzogen

„Der Vorstand der Grünen in Leipzig hat Jürgen Kasek das Vertrauen entzogen“, klärt Leipzigs Grünen-Sprecherin Ulrike Böhm gegenüber der LVZ auf. „Aufgrund dieses Vertrauensentzuges unterstützen wir ihn nicht im Wahlkampf.“ Das heißt: Die Partei schweigt ihn tot. Er findet keine Erwähnung auf der Homepage der Grünen, auf der alle Kandidatinnen und Kandidaten vorgestellt werden. Und: Kasek bekommt keine finanzielle und organisatorische Hilfe von seiner Partei im Wahlkampf: keine vom Kreisverband finanzierten Plakate, keine Flyer, keine Anzeigen.

Die Gründe für den Liebesentzug bleiben derweil nebulös. Nach der Nominierung seien Personen „auf uns zugekommen, die uns von grenzüberschreitendem Verhalten seinerseits berichtet haben“, erzählt Böhm. Doch was heißt das konkret? Ins Detail gehen will sie nicht. Nur so viel: Es gehe im Fall Kasek um ein Verhalten, das nicht zu „den Grundwerten unserer Partei“ passe. Er habe gegen „bestimmte Grundwerte“ verstoßen. Von „feministischen, humanistischen Grundsätzen“ ist die Rede. „Wir wollen deshalb nicht, dass er ein Mandat für den Stadtrat erringt“, sagt Böhm bestimmt. Wären die Vorwürfe früher bekannt gewesen, hätten die Grünen Kasek dann überhaupt als Kandidaten nominiert? Böhm: „Man kann niemanden daran hindern, zu kandidieren. Aber hätten wir das gewusst, hätten wir vorher auf ihn eingewirkt.“

Konkrete Gründe für Vorwürfe fehlen

Kasek selbst sagt, er habe am 7. März erfahren, dass es Vorwürfe gegen ihn gebe, die ihn die Unterstützung der Partei im Wahlkampf kosten würden. Konkrete Gründe seien ihm aber nicht mitgeteilt worden. „Zunächst wurde gesagt, dass es Vorwürfe des grenzverletzenden Verhaltens geben soll, die nicht näher begründet wurden, dann, dass ich die Spitzenkandidatin im Wahlkreis nicht ausreichend unterstützt hätte und unzuverlässig sei.“ Auf Platz eins steht die 32-jährige Inklusionslehrerin Marsha Richarz. Kasek kommt gleich hinter ihr auf der Grünen-Liste.

Ein Politiker, der viel Angriffsfläche bietet

Angriffsfläche bietet der streitbare Politiker tatsächlich viel. Manche in der Partei sind von Kasek genervt, werfen ihm vor, sich mehr für die Antifa als für die ureigenen Themen der Grünen zu engagieren. 2018 verlor er deshalb schon seinen Posten als Landesvorsitzender. Ein Jahr später noch ein Denkzettel. Da nominierten ihn die Leipziger Grünen nur mit dem denkbar knappsten Ergebnis zum Kommunalwahl-Spitzenkandidaten in seinem Wahlkreis – obwohl es nicht mal einen Gegenkandidaten gab. Auch beruflich ging es für ihn bergab. Der Jurist verlor seine Anwaltszulassung, musste sich wegen verbummelter Gerichtsakten, übler Nachrede und einem vermeintlichen Aufruf zu Straftaten selbst vor Gericht verantworten. Doch das alles scheint jetzt keine Rolle zu spielen.

Kasek beichtet problematischen Umgang mit Frauen

Anfang April hatte Kasek völlig überraschend in sozialen Medien eine öffentliche Beichte über sein Privatleben abgelegt. Darin schrieb er über seinen Umgang mit Frauen, der nicht immer von Fairness und Ehrlichkeit geprägt gewesen sei. „Im weitesten Sinn“, so Leipzigs Grünen-Chefin Böhm, habe die Entscheidung des Kreisvorstandes etwas damit zu tun.

Dieses öffentliche Bekenntnis kam genau vier Wochen nachdem ihm der Entzug der Wahlkampfhilfe bekannt geworden war. Aus Kaseks Umfeld hört man indes, dass er damit Gerüchten, die über ihn im Umlauf waren, den Wind aus den Segeln nehmen, sich erklären und in gewisser Weise um Verzeihung bitten wollte. Gerüchte über sein Privatleben gibt es reichlich. Auch, dass er mit zwei Frauen aus dem Parteivorstand vor Jahren gleichzeitig Affären gehabt haben soll, ohne dass diese voneinander wussten. Geht es im Partei-Fall Kasek letztlich also womöglich nur um zwischenmenschliche Konflikte, um verletzte Gefühle, um Rache? Wird hier Untreue zum feministischen No-Go erhoben?

Mittlerweile sei das Landesschiedsgericht eingeschaltet. Der Landesverband hat versucht, den Beteiligten eine Brücke zu bauen. „Es handelt sich um eine Angelegenheit innerhalb des Leipziger Kreisverbandes“, erklärt Sachsens Grünen-Chefin Christin Furtenbacher gegenüber der LVZ. „Ich habe den Beteiligten die Ombudsstrukturen unseres Landesverbandes, die für derartige Situationen vorgesehen sind, dargelegt und nahegelegt zu nutzen.“ Das Ombudsverfahren jedoch „konnte mangels Vertraulichkeit nicht gestartet werden“, sagt Kasek.

„Ich war untreu, habe aber nichts Strafbares getan“

„Ich hatte Parallelaffären und habe die Beteiligten nicht darüber aufgeklärt. Anders gesagt: Ich war untreu“, räumt Kasek gegenüber der LVZ ein. „Ich habe Fehler gemacht und mich damit auseinandergesetzt.“ Zu den konkreten Fällen äußert er sich nicht. Er weist allerdings darauf hin, dass „es kein MeToo-Fall ist und ich nichts Strafbares getan habe“. Anders ausgedrückt: Er sei Frauen gegenüber nie übergriffig, nie sexuell gewalttätig geworden. Solch justiziable Anschuldigungen habe die Parteispitze ausdrücklich auch nicht gegen ihn erhoben.

Er werde daher weiter Wahlkampf machen. Sollte er den Einzug in den Stadtrat wieder schaffen, muss dann die künftige Grünen-Fraktion entscheiden, ob sie mit Kasek zusammenarbeiten will.