Landgericht Chemnitz: Landtagskandidat der „Freien Sachsen“ wegen versuchter Nötigung verurteilt
Weil er einer Frau gedroht hat, soll ein langjähriger Aktivist der rechtsextremen Szene in Chemnitz nun doch 3600 Euro Strafe zahlen. Hat der Rücktritt des Landrats Neubauer in Mittelsachsen die Justiz wachgerüttelt?
Chemnitz.
Das Landgericht Chemnitz hat einen Landtagskandidaten der extrem rechten Gruppierung „Freie Sachsen“ wegen versuchter Nötigung zu 3600 Euro Geldstrafe verurteilt. Der Mann hatte eingeräumt, gegenüber einer Vertreterin des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“ am Rande einer Veranstaltung geäußert zu haben, „Wir wissen ja, wo Sie wohnen.“ Die 62-Jährige hatte eindrücklich geschildert, dass sie die Äußerung als Bedrohung und Einschüchterung empfand. Auch das Landgericht wertete die Äußerung als versuchte Nötigung und hob einen vorherigen Freispruch durch das Amtsgericht auf.
Bei dem Verurteilten handelt es sich um Robert Andres, einen langjährigen Aktivisten der radikalen Rechten in Chemnitz. Aus Brandenburg stammend, zählt der Mittdreißiger seit Jahren zu den engsten Mitstreitern von Martin Kohlmann, dem Gründer und Chef der extrem rechten Gruppierungen „Pro Chemnitz“ und „Freie Sachsen“. Zur Landtagswahl am 1. September tritt Andres in Chemnitz als einer von zwei Direktkandidaten der „Freien Sachsen“ an. In den vergangenen Jahren gehörte er zudem dem Chemnitzer Stadtrat an, verpasste zur Kommunalwahl im Juni jedoch den Wiedereinzug in das Gremium.
Drohkulisse vor laufenden Handy-Kameras
In dem Fall, der nun am Landgericht Chemnitz verhandelt wurde, geht es um einen Vorfall im Frühjahr vergangenen Jahres in Chemnitz. Übergriffe auf Teilnehmer ausländischer Kulturdelegationen hatten damals die Stadt erneut überregional in die Schlagzeilen gebracht. Die Kulturhauptstadt-Gesellschaft und das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ luden daraufhin zu einer Veranstaltung im Archäologiemuseum ein. Thema:
„Zur Aktualität rechter Gewalt“. In Einladungen, Ankündigungen und Aushängen vor Ort machten sie darauf aufmerksam, dass Personen keinen Zutritt erhalten, „die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind“.
Andres und zwei weitere zentrale Figuren der rechtsextremen Szene in Chemnitz – beide ursprünglich ebenfalls in anderen Bundesländern beheimatet – versuchten dennoch, in die Veranstaltung zu gelangen. Mehrere Personen stellten sich ihnen in den Weg, vor laufenden Handy-Kameras kam es zum Wortgefecht. Die Aufnahmen wurden später von den „Freien Sachsen“ und anderen rechten Vereinigungen im Netz verbreitet.
Dass dabei auch der strittige Satz „Wir wissen ja, wo Sie wohnen“ gefallen ist, räumte der Angeklagte ohne Wenn und Aber ein. Allerdings, so beteuerte er bis zuletzt, habe er der 62-Jährigen keineswegs drohen wollen. Vielmehr sei es ihm darum gegangen, deutlich zu machen, dass er wegen des verweigerten Zutritts Anzeige erstatten werde.
Richter erinnert an den Fall Neubauer in Mittelsachsen
Anders als am Amtsgericht Chemnitz kamen Andres und sein Verteidiger, Freie-Sachsen-Chef Kohlmann, damit beim Landgericht nicht durch. Von „komplettem Blödsinn“ sprach der Vertreter der Staatsanwaltschaft. Um eine Person anzuzeigen, sei es gar nicht nötig, die Adresse zu wissen, verdeutlichte er.
„Wenn jemand von den ,Freien Sachsen‘ in solch einer Situation äußert, ,Wir wissen, wo Du wohnst‘, dann kann das nur als Drohung verstanden werden“, sagte der Vorsitzende Richter in einer ersten Urteilsbegründung. Wie so etwas wirke, könne man am Fall des Landrates von Mittelsachsen, Dirk Neubauer, sehen.
Neubauer hatte kürzlich seien Rücktritt angekündigt und dies unter anderem mit Drohungen und Protesten in seinem Wohnumfeld begründet. Die „Freien Sachsen“ feiern den Rückzug als ihren Erfolg. „Offenbar hat dieser Protest Wirkung gezeigt“, heißt es auf ihrem Telegram-Kanal.
Mit der Höhe der Geldstrafe – 120 Tagessätze zu 30 Euro – folgte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Dabei fiel auch ins Gewicht, dass Freie-Sachsen-Aktivist Andres bereits mehrfach wegen Gewaltdelikten vorbestraft ist. Beim nächsten Gesetzesverstoß könne durchaus eine Haftstrafe drohen, warnte der Vorsitzende Richter. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.