Chemnitzer Gericht lehnt weiteren Prozess zu Ausschreitungen im Sommer 2018 ab

Die Staatsanwaltschaft hatte bereits vor drei Jahren Anklage wegen Landfriedensbruchs und gewalttätiger Angriffe auf Personen erhoben. Doch dem Gericht reichen die Beweise nicht aus.

Chemnitz. Sechs Jahre nach den Ausschreitungen im Spätsommer 2018 in Chemnitz gibt es Streit um die Eröffnung eines weiteren Prozesses. Dabei geht es um insgesamt neun Personen, die am Abend des 1. September 2018 im Stadtgebiet mehrere Straftaten begangen haben sollen.

An diesem Tag hatten AfD und die extrem rechte Vereinigung Pro Chemnitz Tausende Menschen aus ganz Deutschland zu Kundgebungen nach Chemnitz mobilisiert.
Die Staatsanwaltschaft erhob laut Landgericht Chemnitz bereits im Herbst 2021 Anklage. Der Vorwurf: Landfriedensbruch in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in elf Fällen. Ob es tatsächlich noch zu einem Prozess kommt, ist allerdings fraglich.

„Kein hinreichender Tatverdacht“

„Die 1. Strafkammer des Landgerichts Chemnitz hat mit Beschluss vom 14. Mai 2024 die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt“, teilte eine Sprecherin des Gerichts am Freitag mit. Die Richter sehen demnach keinen hinreichenden Tatverdacht gegeben. Ob es im Fall eines Prozesses zu einer Verurteilung kommen würde, sei daher mehr als fraglich.

Den Angaben zufolge liegen gegen die Beschuldigten offenbar kaum konkrete Tatvorwürfe vor. Ihre Beteiligung, so die Justizsprecherin, beruhe nach Einschätzung des Gerichts in einer bloßen Anwesenheit und dem Mitlaufen in einer Menschenmenge am Ort der Gewalttätigkeiten. Strafbar gemacht hätten sie sich aber nur dann, wenn sie selbst an den vorgeworfenen Taten als Täter oder Teilnehmer beteiligt gewesen sind. Dies könne die Kammer bei vorläufiger Bewertung anhand der Ermittlungsergebnisse nicht feststellen, heißt es.

Laut Gericht hat die Generalstaatsanwaltschaft gegen den Beschluss zur Nichtzulassung der Anklage bereits Beschwerde eingelegt. Eine Entscheidung darüber liege nun beim Oberlandesgericht in Dresden.

Zu den Ausschreitungen 2018 hatte es in den vergangenen Jahren Ermittlungsverfahren gegen rund 250 Personen gegeben. Einige endeten mit mehrjährigen Haftstrafen, eine Reihe von Verfahren wurden eingestellt, zum Teil gegen Auflagen. Das Spektrum der Vorwürfe reicht von verfassungsfeindlichen Parolen über Körperverletzungen bis zur Bildung einer terroristischen Vereinigung. Opfervertreter bezeichnen die Bilanz als „katastrophal“. Die Justiz lasse Betroffene rechter Gewalt immer wieder im Stich, kritisieren sie.