Redebeitrag von Betroffenen der Hausdurchsuchungen in Folge des 1. Mai in Gera 2023

Mehrere Betroffene der Hausdurchsuchungen in Folge des Kessels am 1. Mai in Gera 2023 haben sich zusammengetan und genau ein Jahr später einen Redebeitrag gehalten, bei der antifaschistischen und antikapitalistischen 1.Mai-Demo in Gera 2024:

 

„Ich mache es kurz: Wir, das bedeutet die Betroffenengruppe der Hausdurchsuchungen in Folge des 1. Mai in Gera 2023, möchten uns nun, genau ein Jahr später gern mit unserer Perspektive in Form eines Redebeitrags einbringen.

Beginnen wir mit dem Ablauf der Demonstration am 1. Mai 2023 hier in Gera.

Wir erreichten gut gelaunt und von der Anzahl der Teilnehmenden empowert den Startpunkt der Demonstration. Nach nicht mal 3 Minuten wurde der Demonstrationszug gestoppt. Uns erreichten dann immer wieder verschiedene Informationsfetzen und uns wurde verdeutlicht: egal was passiert, wir gehen nicht in den Tunnel. Dort wurde schon mal gekesselt und allein die Vorstellung, dort wie Tiere eingepfercht zu werden, ließ die Stimmung bei dem ein oder anderen hochkochen. Die Bullen verhielten sich wie immer nicht deeskalativ, sondern schikanierten schon allein mit dem Stoppen der angemeldeten Demonstration. Überraschung, die Faschos durften natürlich wie immer gemütlich ihren Weg gehen.

Irgendwann wurde mitgeteilt, es gäbe eine neue Route. Also ging es nun motiviert weiter. Plötzlich wieder ein Stopp. In einer Gasse mit einer Empore auf der rechten Seite war wieder Schluss. Auf der Empore fanden sich schnell einzelne Faschos und Fotografen und natürlich auch Bullen mit ihren Kameras ein. Wie bestellt kochte die Stimmung irgendwann so hoch, dass der Demozug sich nach vorne bewegte. Verdammt, das ist der 1.Mai und wir wollen laufen, Faschos blockieren, das tun, wofür wir her gekommen sind. Die schwarz-roten Freiheitsfahnen nach oben halten und uns gemeinsam ein Stück der Straße zurück holen. Niedergeschlagen wurde das ganze, wie man es bei antifaschistischen Demonstrationen leider gewohnt ist, mit übertriebener Gewalt und einer ordentlichen Menge Pfefferspray und etlichen Schlägen von Schlagstöcken und Co.

Was darauf folgte war einfach nur Chaos. Menschen mit Panikattacken, die ewig nicht aus der Menge raus kamen, Omas gegen Rechts, die soviel Pfeffer in den Haaren hatten, das diese abgeschnitten werden mussten. Wut, Fassungslosigkeit und Unverständnis sind die Begriffe die uns dazu einfallen. Daraus resultierte ein stundenlanger Kessel, in dem Grundrechte mit Füßen getreten wurden und Bedürfnisse wie ein Toilettengang schlichtweg nicht nachgekommen werden konnten. Junge Menschen, Alte, alle wurden wie Schwerverbrecher teils unter Anwendung von Schmerzgriffen abgeführt, fotografiert und mit der Aussage, dass ihnen Landfriedensbruch u.ä. Delikte vorgeworfen werden, entlassen.

Danach erstmal durchatmen. Zurück blieb bei den meisten die Wut, dass es die Bullen mal wieder geschafft hatten, uns den Tag zu versauen, während Faschos laufen durften.

8. November 2023

Schreie, Schläge gegen Türen. 36 Personen wurden an diesem Tag unsanft geweckt. Wieder überall Schweine, nur diesmal Zuhause.
Was ist los?
Wo sind die Durchsuchungsbefehle?
Was wird uns vorgeworfen?
Nach wie immer massivster übertriebener Machtdemonstration wurde es uns eröffnet. Wir sind angeklagt wegen Landfriedensbruch im besonders schweren Fall.
Der 1. Mai in Gera.
Da sind sie wieder, die Erinnerungen.
Und was geht den meisten von uns durch den Kopf?
Wieder Fassungslosigkeit und Wut.
Intimste Dinge werden vor unseren Augen durchsucht, Handys, Laptops, USB Sticks, all das verschwindet nach und nach in den Koffern. Man fühlt sich angreifbar, macht sich Sorgen ob man Genoss*Innen gegebenenfalls mit in Gefahr bringt. Irgendwie fühlt man sich kurz alleine. Man fragt sich, wie es sein kann, das Antifaschismus in Deutschland immer noch derartig niedergerungen werden soll. Denn das ist es, was in den letzten Jahren nicht nur uns, sondern vielen Strukturen und Einzelpersonen widerfährt. Sie wollen uns ruhig stellen. Sie wollen das wir nicht mehr auf die Straße gehen. Stillschweigend den Rechtsruck hinnehmen.

Wir, die Betroffenen der Hausdurchsuchungen stehen heute wieder gemeinsam mit euch hier auf der Straße in Gera um euch zu sagen: Lasst euch nicht klein kriegen! Unser System funktioniert, wir durften es erleben, wir haben unheimlich viel Solidarität erfahren und stehen gemeinsam gegen ihre Repressionen.

Unterstützt eure lokalen Strukturen. Supportet die Rote Hilfe.
Lasst sie nicht zerstören, was wir sind und wofür wir stehen. Wir stehen für eine emanzipatorische Welt fernab von Rassismus und jeglicher Diskriminierung. Haltet zusammen und seit laut und unbequem.

Wir schicken von ganzem Herzen Solidarität an alle von Repressionen betroffenen Genoss:Innen.

Alerta Antifascista“