Warum wir nicht zum CSD Dresden gehen
Sexueller Missbrauch, Rechtsdrall, Komerzialisierung Schluss mit dem System Zenker, Schluss mit dem CSD Dresden e.V.!
Warum wir nicht zum CSD (Christopher Street Day) Dresden gehen
By Angry Queers DDim Mai 2024
Dieser Text ist für alle, die sich fragen: „Was war nochmal so scheiße an diesem Verein?“ oder „Warum gehen so viele queere Leute aus meinem Umfeld nicht zum CSD Dresden?“ Im Folgenden werden einige der Gründe dargelegt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Ein Grund, warum viele schweigen, und das Thema keine angemessene Aufmerksamkeit bekommt, ist die Angst vor Repression und Klagen, dem Verlust öffentlicher Gelder oder dem Einfluss, den das Vorstandsmitglied Ronald Zenker und sein Umfeld haben könnten. Dies soll aber nicht der Grund sein, der Öffentlichkeit Informationen vorzuenthalten. Deswegen soll dieser Text allen die Chance auf genau diese Informationen geben.
1. Der CSD steht in vielen großen Städten für Homonormativität und neoliberale Politiken.
Die Angebote des CSD haben augenscheinlich kommerziellen Charakter. Die Entscheidungen, wer mit eigenem Wagen an der Parade teilnehmen darf, lassen an der politischen Glaubwürdigkeit des Vereins zweifeln: Es steht die Frage im Raum, wer wirklich Verbündete*r der queeren Bewegung ist. Welchen Bezug hat die FDP zum Alltag anderer, queerer Menschen in Dresden? Herzlich wenig. Ist dann eine Überrepräsentation dieser Art von Positionen nicht äußerst fragwürdig? Wie überzeugend ist eine Parade, auf der sich die SPD inszenieren darf, trotz gleichzeitigem jahrelangen Festhaltens am grundrechtsfeindlichen Transsexuellengesetz zuliebe einer reibungslosen Koalition mit der CDU? Für Queers of Colour, prekär Lebende oder auch einfach diejenigen, die Queerness als mehr denken als ein bisschen Diversity Glitter, ist diese Art von Parade mindestens kritikwürdig. Es wäre ungefähr so, als würde man versuchen auf einer Birnenplantage Äpfel zu ernten – es ergibt keinen Sinn.
2. Diversi…Was? oder: Vereinsmeierei von Meier für Meier
Ein Klick in diese Richtung macht klar: Die Strukturen und Veranstaltungen vom CSD Dresden bestehen hauptsächlich aus weißen, älteren cis-Männern. Verständlich, dass sich Schwule aufgrund ihrer Erfahrung massiver Diskriminierung organisiert haben. Und schön, dass es Ausnahmen gibt. Aber: Lesben, Trans* und genderqueere Identitäten werden weder inhaltlich noch personell repräsentiert.
Eine CSD-Struktur gilt aber repräsentativ als Sprachrohr der LGBTIQ+Community. Als Schnittstelle zwischen Individuen, Stadt und Gesellschaft. Eine breit aufgestellte Basisstruktur, die ihre Community abbildet und an der Queers unterschiedlicher Lebensrealitäten mitbestimmen, halten wir für unerlässlich um faire, queerpolitische Forderungen für uns alle stellen zu können.
3. Ein CSD mit Rechtsdrall?
Hier ein paar alte Kamellen, die immer noch ziemlich aktuell sind. Übernommen von e*vibes, die 2019 (1) einen sehr wichtigen Artikel zum Thema veröffentlicht haben! Eine kleine Neuveröffentlichung an dieser Stelle:
2014 bekam die damalige CDU-Oberbürgermeisterin Helma Orosz vom CSD den ‚Toleranzpreis‘ verliehen. Auf Demonstrierende mit Pappschildern reagierten einige Organisator_innen und Besucher_innen aggressiv: Sie zerstörten ihre Schilder und forderten sie zum Gehen auf. Eine inhaltliche Auseinandersetzung fand nicht statt.
2018 kam es zu einem kleinen Eklat, als auf der CSD-Parade vom Verein engagierte Securities mit Nazi-Symbolik und rechten Äußerungen aufgefallen sind (2). Statt das Problem anzuerkennen und für Abhilfe zu sorgen – oder zumindest Problembewusstsein erkennen zu lassen – versuchte Zenker die Kritik durch den Vorwurf an Kritiker_innen abzutun, sie würden das Naziproblem hochkochen. Im Nachgang gab es verschiedene Versuche, mit dem Vorstand des CSD Dresden konstruktiv über Möglichkeiten zu reden, wie die CSD-Parade für queere Menschen, und insbesondere Geflüchtete wieder zu einem Wohlfühlort gemacht werden kann. Die konstruktiven Ideen wurden allesamt abgeblockt, bis heute gibt es anders als z.B. in Leipzig keine Unvereinbarkeitserklärung des CSD Dresden zu menschenfeindlichen Positionen, sowie extrem rechten und rechtspopulistischen Parteien. [Hinweis: das hat sich mittlerweile auf massiven Druck hin geändert]
Ebenfalls 2018 teilte CSD-Dresden-Vorstandsmitglied Mathias Eibisch auf Facebook ein Posting des AfD-Abgeordneten Ivo Teichmann, in welchem die rassistischen Angriffe eines rechten Mobs auf vermeintlich Nichtdeutsche verharmlost wird.
Im Jahr 2019 waren nach Augenzeugenberichten wieder Securities mit eindeutiger Bekleidung (Aufdruck ‚Ostdeutschland‘ in Frakturschrift) zur Absicherung der Bühne eingesetzt.
Wir könnten auch noch diverse Erfahrungen mit Zenkers Verhalten in nichtöffentlichen Begegnungen – spezifisch gegenüber Frauen – anführen. Wir streben allerdings keine Schlammschlacht, sondern eine politische Aufarbeitung der Geschehnisse an und wollen seinen Versuchen, die Debatte auf vermeintliche private Intrigen zu reduzieren, keinen Vorschub leisten.“
In einem späteren Nachtrag zum Artikel schreiben e*vibes noch: Diesmal geht es um Philipp ‚Phil‘ Grafe, der als Fotograf und Designer für den Verein Material für die CSD-Feierlichkeiten erstellt. Die Berichterstattung über den Salafisten Raschid K. gereicht ihm zum Anlass, über das ‚verrotte System‘ (gemeint ist der Rechtsstaat Deutschland) zu lästern und gegen ‚Gutmenschen‘ Stimmung zu machen – er bedient sich dabei klassischer Kampfbegriffe des Rechtspopulismus. Aufschlussreich ist auch, dass quasi nebenher noch die ‚historische Verantwortung Deutschlands‘ argumentativ in’s Spiel gebracht wird, allerdings nur, um sie im nächsten Atemzug zu leugnen. (3)
Was wir hier noch anzufügen haben: Bei der Gedenkfeier zum schwulenfeindlichen Mord in Dresden im Oktober 2021 hatte der CSD zwar im offenen Brief (4) verlauten lassen, man werde nicht zulassen „dass diese Tat für rassistische und rechte Hetze missbraucht wird.“ Als dann aber die AfD Kränze ablegte stand Vorstandsmitglied Roland Zenker beteiligungslos am anderen Ende des Platzes und reagierte auch bei direkter Ansprache nicht auf die Forderung, der AfD keine Plattform zu bieten. Stattdessen kooperierte er mit den Sicherheitsbehörden, als Unbekannte die Schleife des Kranzes kurzerhand abschnitten.
4. Missbrauch und Opferrolle
TW: sexuelle Übergriffigkeit, Missbrauch, Ausnutzen von Machtstrukturen (anklicken zum Lesen)
Das Schlimmste kommt aber leider noch: 2019 wurde bekannt, dass es seitens Ronald Zenker zu sexuellen Handlungen mit Schutzbefohlenen kam. Das haben mehrere Zeug*innen erzählt und teilweise eidesstattlich erklärt (5). Aufgrund ihres unsicheren Aufenthaltsstatus wollen die Betroffenen verständlicherweise anonym bleiben.
Warum ist das sexueller Missbrauch? Schutzbefohlene befinden sich immer in einer Abhängigkeitsbeziehung, weil sie Ressourcen und praktische Unterstützung von Zenker erhalten. Bahnt Zenker sexuelle Handlungen an, setzt diese Abhängigkeit Schutzbefohlene unter Druck ihn nicht abzuweisen, aus Angst, die Unterstützung zu verlieren. Es gibt keine Voraussetzung für Einvernehmlichkeit. Es ist nicht auszuschließen, das Ronald Zenker seine machtvolle Position bewusst ausnutzte. Aber ob absichtlich oder fahrlässig – Roland Zenker missbraucht(e) Macht und Menschen.
Wie hat Ronald Zenkers Missbrauch möglich gemacht? Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Information, dass die Adresse des CSD Dresden die gleiche ist wie die der Privatwohnung des Vorstandsmitglieds Ronald Zenker. Darüber hinaus liegen oft frequentierte Büroräumlichkeiten des Vereins und ein Zimmer für akute Notunterbringungen ohne räumliche Trennung direkt nebeneinander – ein sicherer Rückzugsraum sieht anders aus. In dieser räumlichen Anordnung und ohne Privatsphäre kann man sich nur schwer einem Machtmissbrauch entziehen. Nicht nur zu diesem, sondern auch zu anderen Wohnungen zur Unterbringung queerer Geflüchteter hatte Ronald Zenker rund um die Uhr die Schlüssel.
Angesichts der sonst so strengen Vorgaben für Förderprojekte nimmt es Wunder, wieso der fachfremde Zenker – er ist Betriebswirtschaftler, hatte keine vorherige Berufserfahrung bei sozialen Trägern – in einem so diskriminierungssensiblen Aufgabengebiet die Projektleitung übernehmen durfte.
Außerdem wurde in dem durch das Sozialministerium geförderte Projekt „Landeskoordinierungsstelle Sachsen für queere Geflüchtete“ mit Generalvollmachten gearbeitet. Einige der queeren Geflüchteten konnten nicht verstehen, was sie unterschreiben, gaben aber mit der Unterschrift den Mitarbeiter*innen des CSD Dresden weitreichende Befugnisse über ihre Post, amtliche Schreiben und andere für den Asylprozess wichtige und private Informationen. Die Praxis, in der sozialen Arbeit mit Generalvollmachten zu arbeiten, wird von allen anderen sozialen Trägern abgelehnt (vgl. Pressemitteilung der RosaLinde e.V. vom 18.06.2019).
Aus diesem und vielen anderen Gründen arbeiten Vereine wie RosaLinde Leipzig, LSVD Chemnitz und der Gerede e.V. schon lange nicht mehr mit dem CSD Dresden zusammen. Die Forderungen, die sie nach Bekanntwerden des Missbrauchs formulierten, sind auf der Seite des sächsischen Flüchtlingsrates veröffentlich (6) und zielen vor allem auf Transparenz und Aufklärung. Diese ist bis heute nicht erfolgt. Im Gegenteil – Zenker streitet bis heute alles ab (7). Und wäre das alles nicht schon genug, ließ er sich dann noch von Frank Hannig vertreten, inzwischen Ex-Anwalt, der gegen Geflüchtete hetzt, den Pegida Förderverein mitgründete und den Lübcke-Mörder Stephan E. vor Gericht vertrat (8).
Es wäre aber zu kurzsichtig, hier nur Zenker aufzuführen. Der Machtmissbrauch, der sexuelle Missbrauch, all das wird mitgetragen von all denen, die aktiv wegsehen. Es steckt eine Täter*innenstruktur dahinter, die es erlaubt und zulässt, dass bestimmte Menschen ihre Macht missbrauchen und anderen damit schaden. Es geht hier nicht um eine Einzelperson, sondern um eine ganze Struktur, die Abhängigkeiten nicht beseitigen will, sondern systematisiert. Generalvollmachten waren im Projekt vom CSD gängige Praxis bei allen. Viele Menschen wussten von den Vorwürfen gegen Zenker und haben bis heute nichts unternommen, um sie aufzuarbeiten.
Es stellt sich aber auch die Frage: Wie kann es sein, dass andere im Projekt die Praxis der Generalvollmachten mitgetragen haben? Wie viele Menschen und Strukturen wissen, was im CSD Dresden passiert und schweigen, oder arbeiten sogar weiterhin mit dem Verein zusammen? Wie ist es möglich, dass noch bis 2022 die Förderung im Rahmen der sächsischen Förderrichtlinie „Integrative Maßnahmen“ für das Projekt nicht eingestellt wurde? Und als das endlich passierte, wie kann es sein, dass das Ende der Landes-Förderung durch kommunale Gelder für 2023 abgepuffert wurde (9)? Und wie kann es sein, dass Ronald Zenker weiterhin in diesem Verein eine so mächtige Position einnimmt? Wieso hat der Verein ihn nicht rausgeschmissen und klar Tisch gemacht? Oder wird hier schlicht Täterschutz betrieben?
Aber nein, der Verein des CSD Dresden hat Zenker nicht nur nicht abgewählt, er hat ihn weiterhin gedeckt und unterstützt. Zenker bekleidet weiterhin das Vorstandsamt, es gab keine interne Aufarbeitung und auch die formale Anpassung über eine Richtlinie zur sexuellen Selbstbestimmung (10) kann folglich nur als trauriges, nicht ernst zu nehmendes Lippenbekenntnis verstanden werden. Es gibt zwar eine anwältliche, anonyme Beschwerdestelle zu sexueller Belästigung, allerdings durch einen eng mit dem CSD Dresden kooperierenden und damit nicht völlig unabhängigen Anwalt (G. Rahn).
Die umfänglichen Vollmachten werden den betreuten Geflüchteten weiterhin in leicht abgeänderter Form abgefordert. Die Tatsache, dass sie nun nicht mehr über den Tod hinaus gelten, entlockt uns nicht mal einen Kommentar. Es ist höchst zweifelhaft, ob mittlerweile in der Praxis den Betroffenen der Umfang dieser Vollmachten wirklich ausführlich erklärt wird. Teilweise bekommen Personen ihre Unterlagen spät und erst auf mehrfache Nachfrage.
Fazit
Aus all diesen Gründen, die vermuten lassen, dass es auch noch eine Menge gibt, die wir nicht wissen können, gibt es genau ein mögliches Fazit: Schluss mit dem System Zenker, Schluss mit dem CSD Dresden.
Man könnte annehmen, das alles sei eine alte Geschichte, aber sie ist immer noch hoch aktuell. Wir beobachten, dass sich in Dresden in den letzten Jahren eine emanzipatorische, queere Bewegung gebildet hat. Sie macht den Eindruck, als habe sie keine Lust, bei solchen Dingen wegzusehen.
Wir fordern alle Queers und Verbündeten auf: Verbreitet dieses Wissen. Geht nicht zum CSD Dresden. Entzieht ihm all eure Unterstützung und fordert auch andere Menschen dazu auf. Wir fordern die Stadt, Fördermittelgeber*innen und private Finanziers auf: Entzieht dem CSD Dresden e.V. euren Support und spendet euer Geld anderen Vereinen, die zu diesen Themen arbeiten! Wir fordern die Mitglieder des Vereins auf: Verlasst diesen Verein! Wir fordern den Vorstand des CSD Dresden auf, geschlossen zurückzutreten. Hier hilft nur noch ein radikaler Neuanfang. Viel zu lang ist hier nichts passiert. Queere Politiken in dieser Stadt gehen auch anders, nämlich entschieden emanzipatorisch, ohne Missbrauch, ohne Sponsoring durch große Firmen und Prachtwagen zum politischen Pinkwashing!
Quellen:
(1) https://evibes.org/2019/06/08/stellungnahme-zu-den-berichten-ueber-sexuelle-uebergriffe-durch-ronald-zenker-und-das-vorgehen-des-csd-dresden-e-v/
(2) https://taz.de/Homosexuellen-Parade-in-Dresden/!5509738/
(3) https://evibes.org/2019/06/18/rechtspopulismus-beim-csd-dresden-ein-nachschlag/
(4) https://www.csd-dresden.de/offener-brief-zum-attentat-am-4-10-2020-in-dresden/
(5) https://www.saechsische.de/dresden/der-fall-des-dresdner-csd-chefs-eine-recherche-5079230.html
(6) https://www.saechsischer-fluechtlingsrat.de/de/2019/06/21/statement-gewaltschutz-in-sachsen-forderungen-nach-transparenz-und-aufklaerung/
(7) https://www.dnn.de/lokales/dresden/missbrauchsvorwuerfe-gegen-csd-vereinsvorstand-ronald-zenker-7M62IFVFBO42QXEPH54V6VHKCE.html
(8) https://www.saechsische.de/plus/der-dresdner-anwalt-der-stephan-e-vertritt-frank-hannig-mord-luebcke-prozess-bgh-5090060.html
(9) Instagram-Profil Projekt PICS, Förderung durch SMS und Kommune; letzter Post: Januar 2024, seitdem inaktiv
(10) https://www.csd-dresden.de/richtlinie-des-csd-dresden-e-v-vom-1-august-2019-zum-schutz-gegen-ver
https://angryqueersdd.neocities.org/