Mehr Rechtsextremismus an Sachsens Schulen – Demokratie-Bildung soll ausgebaut werden
Hitlergruß, Hakenkreuz, Rassismus: An Sachsens Schulen breitet sich der Rechtsextremismus aus. Deshalb soll die politische Bildung verstärkt werden. Auch Lehrkräfte sind zusätzlich gefordert.
Aufgrund zunehmender rechtsextremistischer Vorfälle soll die politische Bildung an Sachsens Schulen weiter ausgebaut werden. Das kündigt das Kultusministerium gegenüber der LVZ an. Die Maßnahmen sollen sich nicht nur auf den Fachunterricht in mehr als hundert Lehrplänen erstrecken. Es ist unter anderem geplant, die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern zu erweitern.
„Ein ganz wichtiges Instrument in der Demokratie-Bildung ist auch das Handlungskonzept ,W wie Werte‘, das gerade neu überarbeitet worden ist“, erklärt ein Ministeriumssprecher. Darin wird beschrieben, wie politische Bildung verbessert werden kann. Mit dem Programm „Starke Lehrer, starke Schüler“ sollen sich zudem die Betroffenen demokratiefeindlichen Haltungen besser widersetzen können.
Zahl der rechtsextremistischen Vorfälle hat sich verdoppelt
Laut Kultusministerium waren im vergangenen Jahr 149 Vorfälle mit rechtsextremistischem Hintergrund – etwa Schmierereien auf dem Schulhof und rassistische Beleidigungen – von Sachsens Schulen gemeldet worden. Das waren so viele wie nie zuvor. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 hat sich die Anzahl mehr als verdoppelt. Hinzu kommt, dass auch die rechtsextremistischen Straftaten mit 123 Fällen gestiegen sind (2019: 105).
„Die Zahl von rechtsextremistischen Vorfällen an Schulen hat erschreckend zugenommen, selbst Grundschulen sind bereits davon betroffen“, sagt ein Ministeriumssprecher in Dresden. Diese Entwicklung zeige, „dass in der Gesellschaft etwas ins Rutschen geraten ist“.
Schülersprecherin: Es geht bis zur Gewalttätigkeit
Sachsens Landesschülersprecherin Amy Kirchhoff registriert eine gefährliche Entwicklung. „Man spürt diese Meinungen auch bei Diskussionen in den Klassenzimmern, wo ebenfalls rechtsextremistisches Gedankengut zunimmt. Das reicht bis zu gewalttätigen Auseinandersetzungen“, sagt sie im LVZ-Interview. An den Schulen mangele es häufig an politischer Bildung: „Viele Lehrerinnen und Lehrer haben Angst, solche Diskussionen zu beginnen.“
Deshalb fordert Kirchhoff, dass „die demokratischen Grundsätze in allen Fächern gelten und vertreten werden“. Dazu gehören für sie ein gestärkter Geschichtsunterricht und eine bessere Medienkompetenz, um etwa Fake News und Populismus erkennen zu können. „So ließe sich dem Rechtsruck in der Gesellschaft etwas entgegensetzen“, meint die Schülersprecherin.
Sachsen-Monitor stellt Zunahme der Ressentiments fest
Der Sachsen-Monitor hatte zu Jahresbeginn ergeben, dass Ressentiments erheblich zugenommen haben. So stellten 64 Prozent der Befragten eine „Überfremdung in einem gefährlichen Maß“ fest. Mehr als jede und jeder Zweite (54 Prozent) fühlen sich „durch die vielen Muslime … manchmal wie ein Fremder im eigenen Land“. Auffällig war im Sachsen-Monitor auch die von 81 Prozent der Befragten geteilte Ansicht, dass Politikerinnen und Politiker kein Interesse an den Ansichten der Menschen haben.
Sachsens Verfassungsschutzpräsident Dirk-Martin Christian sieht den Rechtsextremismus mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Man müsse sich auch fragen, so Christian, „was Schulen noch machen können“. Es zeichne sich ab, dass sich rechtsextremistische Meinungen bereits bei Jugendlichen zu verfestigen beginnen.
Bildungsgewerkschaft GEW: Wir haben großen Nachholbedarf
Der Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Burkhard Naumann, fordert ebenfalls einen Ausbau der Demokratiebildung. „Wir haben einen großen Nachholbedarf, damit politische Bildung eine Querschnittsaufgabe an Schulen wird“, stellt Naumann fest.
Deshalb müsse es unter anderem mehr Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte geben. An den Universitäten sei die politische Didaktik bereits ausgebaut und für Lehramtsstudierende häufig verpflichtend geworden.
Naumann appelliert an Schulen und Behörden, verfassungsfeindliche Äußerungen „nicht durchgehen“ zu lassen: „Es muss eine Null-Toleranz-Strategie verfolgt werden. Lehrerinnen und Lehrer müssen einschreiten, wenn gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen wird.“ Die Schulleitungen und das Kultusministerium müssten dies „fördern und unterstützen“.
Das Kultusministerium weist auf einen weiteren wichtigen Punkt hin: „Nur wenn Eltern sowie die Bürgerinnen und Bürger demokratische Werte vorleben, für die Demokratie und gegen Verfassungsfeinde eintreten, kann die Bildungsarbeit der Schulen auch Wirkung erzielen“, sagt ein Sprecher. Wer Demokratie wolle, „muss sie leben“.