Kriminelle Teenager in Leipzig: Letzter Ausweg Knast
Jugendliche Intensivtäter verüben in Leipzig immer wieder schwere Straftaten. Allein im Frühjahr kamen drei Jungen im Schüleralter in Haft. Dabei gibt es auch in Sachsen eine Einrichtung, die Gefängnis vermeiden soll.
Sie prügeln, rauben und drohen mit Waffen: Hochkriminelle Teenager schockierten zuletzt in Leipzig immer wieder mit schweren Gewalttaten. Allein im März und April landeten mindestens drei Jugendliche zwischen 14 und 15 Jahren in Untersuchungshaft. Knast ist gerade in diesem Alter eigentlich das letzte Mittel, wenn alle anderen Möglichkeiten zu versagen drohen. Doch spezielle Einrichtungen in Mitteldeutschland, mit denen bei straffälligen Schülern eine U-Haft vermieden werden soll, stoßen offenbar inzwischen an Grenzen.
So gilt ein 15-jähriger Afghane nach einer Fülle von Raub- und Gewaltdelikten in kürzester Zeit als nicht mehr erreichbar für erzieherische Maßnahmen. Am 21. März hielt er laut Polizei einem Schüler im Allee-Center in Leipzig-Grünau eine Waffe an den Kopf. Nach LVZ-Informationen ging es bei dem Raubüberfall um ein Mittagessen im Wert von knapp sechs Euro. Ein noch strafunmündiger 13-jähriger Komplize soll mit der Pistole, einer Softair-Waffe, dann auch noch auf den Freund des Opfers geschossen haben. Erst eine Woche zuvor hatte der 15-Jährige nach Erkenntnissen der Behörden mit mehreren Mittätern zwei Jugendliche im Stadtteil Altlindenau unter Einsatz von massiver Gewalt ausgeraubt und verletzt.
Nicht bereit, sich gesetzeskonform zu verhalten
Wie die LVZ aus Justizkreisen erfuhr, war der Jugendliche erst im Februar wegen anderer Delikte vom Amtsgericht zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden. Zudem soll er zwischen Mitte Dezember 2023 und Anfang März 2024 vier weitere Straftaten begangen haben. In den noch anhängigen Verfahren geht es um räuberische Erpressung, gefährliche Körperverletzung und gemeinschaftlichen Raub.
Ist der Jugendliche überhaupt bereit, Regeln zu achten und sich gesetzeskonform zu verhalten? Die Behörden sehen dafür derzeit keine Anzeichen. Dem Afghanen wird unter anderem Respektlosigkeit gegenüber anderen attestiert. Die Eltern erreichen ihn nicht, war zu erfahren, die Schule besuche er kaum. Eine Unterbringung in einer Einrichtung der Jugendhilfe wurde als nicht ausreichend erachtet, sodass der Ermittlungsrichter am 22. März einen Haftbefehl wegen Wiederholungsgefahr erließ.
Behörden sehen keine Alternative zu Haft
Gut zwei Wochen später, am 8. April, kamen erneut zwei Tatverdächtige im Schüleralter in U-Haft. Der Afghane (14) und sein syrischer Komplize (15) sollen am Hauptbahnhof einen Jugendlichen angegriffen und erheblich verletzt haben. Auch diese beiden Beschuldigten sollen in den Monaten zuvor schon etliche gewalttätige Raubüberfälle begangen und auch Waffen benutzt haben. Gegen den Syrer wurde Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen sowie schweren Raubs erlassen. Der zweite Verdächtige kam wegen besonders schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung hinter Gitter.
Auch in diesen Fällen sahen die Behörden keinen anderen Ausweg. „Untersuchungshaft darf nur verhängt und vollstreckt werden, wenn ihr Zweck nicht durch eine vorläufige Anordnung über die Erziehung oder durch andere Maßnahmen erreicht werden kann“, heißt es im Jugendgerichtsgesetz. „Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind auch die besonderen Belastungen des Vollzuges für Jugendliche zu berücksichtigen.“ Deshalb werden im Freistaat spezielle Alternativen angeboten. „In Sachsen gibt es eine Einrichtung, in der straffällig gewordene Jugendliche zur U-Haft-Vermeidung untergebracht werden können“, teilten die sächsischen Ministerien für Soziales und Justiz auf LVZ-Anfrage mit.
U-Haft-Vermeidung als Chance
Träger der Einrichtung in Schönberg (Landkreis Zwickau) ist das Christliche Jugenddorfwerk Deutschland (CJD). 16 Plätze gibt es hier, berichtet Fachberaterin Jeannette Blasko. Neben einer intensiv-pädagogischen Wohngruppe gibt es acht Plätze zur U-Haft-Vermeidung für Delinquenten zwischen 14 und 17 Jahren. „Wir haben gute Erfahrungen gemacht“, sagt sie. „Einige Jugendliche sehen das als Chance.“ Sie stelle aber auch fest, dass die Justiz im Hinblick auf die jeweiligen Straftaten immer häufiger der Auffassung sei, dass U-Haft letztlich doch angemessener wäre.
Im Fall des 15-Jährigen, der nach dem Raubüberfall im Allee-Center im März hinter Gitter musste, ergab sich doch noch eine Chance außerhalb der Gefängnismauern. Vorige Woche kam der Afghane aus der U-Haft raus und wurde aufgrund eines Antrages in der Schönberger Einrichtung untergebracht, wie sein Verteidiger, Rechtsanwalt Andreas Meschkat, auf Anfrage bestätigte. Ob er die Chance nutzt, ist offen.