Grüne wollen Jürgen Kasek im Wahlkampf nicht unterstützen
Jürgen Kasek, seit fünf Jahren für die Grünen im Leipziger Stadtrat, bewirbt sich in Wahlkreis 2 erneut um einen Sitz. So hat es im Januar der Stadtparteitag der Grünen entschieden und so steht es auch in der amtlichen Bekanntmachung aller Wahlvorschläge im Amtsblatt. Doch der Kreisvorstand der Grünen hat Kasek die Unterstützung entzogen. Der Grund: „grenzüberschreitendes Verhalten“. Kasek beklagt, dass ihm keine genauen Vorwürfe genannt worden seien.
Auf der Homepage der Leipziger Grünen gibt es für jeden Wahlkreis eine eigene Seite. Ganz oben sind die beiden jeweiligen Spitzenkandidat*innen zu sehen, darunter folgt eine Auflistung aller Listenkandidat*innen, inklusive jeweiliger Listennummer. Neun der zehn Wahlkreisseiten sind so gestaltet – und auf den ersten Blick auch jene zu Wahlkreis 2. Dort tritt Jürgen Kasek auf Listenplatz 2 an – auf der Homepage der Grünen erfährt man das allerdings nicht.
Ganz oben ist Marsha Richarz, Listenplatz 1, zu sehen und daneben nicht Kasek, sondern Ulrike Gebhardt, Listenplatz 3. In der Auflistung darunter fehlen sowohl Kasek als auch die jeweiligen Listennummern. Wären diese da, würde auffallen, dass zwischen 1 und 3 eine Lücke ist. Auf LZ-Nachfrage bestätigen die beiden Sprecherinnen des Kreisverbandes, Nicole Schreyer und Ulrike Böhm, dass das kein Zufall oder Versehen ist.
Keine Ressourcen im Wahlkampf
„Der Vorstand hat Jürgen Kasek per Beschluss das Vertrauen entzogen und unterstützt das Mitglied nicht in seinem Wahlkampf“, lautet die Antwort. „Das bedeutet, dass ihm die diesbezüglichen Ressourcen des Kreisverbandes wie Flyer, Websites und Plakate nicht zur Verfügung stehen.“
Nach dem Stadtparteitag im Januar seien mehrere Personen auf die Sprecherinnen zugekommen und hätten von „grenzüberschreitendem Verhalten seitens Jürgen Kasek“ berichtet. „Im Ergebnis dieser Gespräche waren die Grenzüberschreitungen aus unserer Sicht zwar als nicht justiziabel einzuschätzen, verstießen jedoch eindeutig gegen Grundwerte unserer Partei.“ Als feministische Partei erwarte man entsprechende Werte auch von den Mitgliedern.
Was genau Kasek vorgeworfen wird, bleibt unklar. „Allgemein wurde von Vorwürfen gesprochen, die weder zeitlich noch sonst näher eingegrenzt wurden“, erklärt der Grünen-Stadtrat auf LZ-Anfrage. „Ich kann nur aus dem Kontext schließen, dass die Vorwürfe mein Privatleben betreffen und darauf abzielen, dass ich vor einigen Jahren untreu war und die beteiligten Personen nicht darüber aufgeklärt habe.“
Es geht nicht um sexuelle Übergriffe
Laut Schreyer und Böhm sind die Vorwürfe „weitreichender“. Weitere Auskünfte wolle man aber nicht geben. Eine Nachfrage, ob man Kasek gegenüber näher ins Detail gegangen ist, blieb somit auch unbeantwortet. Nach Informationen der Leipziger Zeitung geht es aber nicht um körperliche beziehungsweise sexuelle Grenzüberschreitungen.
„Das Verhalten, von dem ich vermute, worum es geht, war ein Fehler“, sagt Kasek. „Ich habe Menschen verletzt, weil ich nicht ehrlich war. Damit habe ich vor einiger Zeit begonnen, mich auseinanderzusetzen, und das Ganze von mir aus aufzuarbeiten.“ Beispielsweise habe er einen Verein kontaktiert, der „Täter-orientierte Anti-Gewaltarbeit“ anbietet. Diesem sei es mangels Details aber nicht möglich gewesen, zu helfen.
Kasek betont, dass es um „Verhalten im nicht justiziablen, zwischenmenschlichen Bereich“ gehe, das „nicht Angelegenheit der Partei“ sei. Er habe sich an die Ombudsstelle im Landesverband gewendet, um die Vorwürfe aufzuklären. Aufseiten des Kreisvorstandes bestehe „leider keine Bereitschaft, diesen Weg zu gehen“. Schreyer und Böhm wollten sich zur Frage, ob sie ihrerseits die Ombudsstelle informiert haben, nicht äußern.
Kasek lehnt Rückzug ab
Laut den beiden Kreisvorsitzenden wurde Kasek darum gebeten, von seinem Listenplatz zurückzutreten. „Damit habe ich mich natürlich auseinandergesetzt“, so Kasek. „Mit politischen Konsequenzen auf Vorwürfe zu reagieren, die ich mangels Information nicht einordnen, nachvollziehen oder kommentieren kann, ist kein gangbarer Weg und löst das Problem meines Erachtens auch nicht.“
Die beiden Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im Stadtrat, Katharina Krefft und Tobias Peter, ließen persönliche Gesprächsanfragen unbeantwortet. Stattdessen antwortete Fraktionsgeschäftsführer Michael Schmidt: Es handele sich um eine Angelegenheit zwischen Kreisverband und Kasek, zu der man sich zum Schutz der Beteiligten nicht im Detail äußern werde.
„Jegliche Vorwürfe sind ernst zu nehmen“, so Schmidt. „Wir bedauern, dass es bislang nicht gelungen ist, eine Klärung auf dem Wege eines Ombudsverfahrens herbeizuführen.“ Kasek soll bis zum Ende der Wahlperiode weiter der Grünen-Fraktion angehören.