Nach Anfrage an das sächsische Innenministerium – Leipziger Linke Juliane Nagel: „Waffenverbotszone ist Symbolpolitik“
Die Leipziger Waffenverbotszone muss weg – und zwar sofort. Zu diesem Schluss kommt Linken-Politikerin Juliane Nagel. Mit ihrer Forderung steht sie nicht alleine da.
Die Leipziger Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke) wirft Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) vor, die Abschaffung der Waffenverbotszone im Umfeld der Eisenbahnstraße hinauszuzögern. Vor drei Jahren habe das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen das Verbot des Mitführens gefährlicher Gegenstände rund um die Magistrale im Leipziger Osten für unwirksam erklärt.
Nichtsdestotrotz übe die Polizei weiterhin „ausufernde Kontrollbefugnisse“ aus, obwohl die Hinweisschilder fehlten. „Das ist rechtlich bedenklich“, schrieb Nagel am Dienstag in ihrem Blog. Das Festhalten an der Waffenverbotszone sei „Symbolpolitik“, die „ganze Stadtteile abstempelt“ und von der Bevölkerung zurecht abgelehnt werde.
Linken-Politikerin Nagel hatte in einer Kleinen Anfrage an das Innenministerium wissen wollen, wann die Waffenverbotszone im Leipziger Osten endgültig zu den Akten gelegt werde. Minister Schuster verwies in seiner Antwort auf ein „strategisches Handlungskonzept“. Danach solle zunächst ein Polizeiposten im Bereich Eisenbahnstraße eröffnet werden. Drei ins Auge gefasste Objekte hätten sich als ungeeignet erwiesen, darunter ein Containerbau. Aktuell würden die Polizeidirektion Leipzig, die Stadtverwaltung und der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement über eine alternative Lösung beraten.
Juliane Nagel fordert soziale Gerechtigkeit für Leipzigs Osten
Zugleich verwies das Ministerium darauf, dass es unerheblich sei, ob Hinweisschilder zur Waffenverbotszone in der Zwischenzeit abhandengekommen oder nicht mehr lesbar seien. Das Inkrafttreten der im Oktober 2018 veröffentlichten „Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über die Einrichtung einer Verbotszone zum Schutz vor Waffen und gefährlichen Gegenständen in Leipzig“ legitimiere die Kontrollen.
„Anstelle von Kontrollzonen und Phrasen aus dem Innenministerium sind Maßnahmen nötig, die den Leipziger Osten sozial, lebenswert und sicher machen“, kommentierte Nagel das Papier aus dem Ministerium. Wer Kriminalität bekämpfen wolle, müsse ihre Ursachen beseitigen. „Das beginnt damit, jungen Menschen bessere Bildungschancen zu bieten, und geht mit dem Kampf gegen Armut weiter. Auch deshalb kämpfen wir für niedrige Mieten“, betonte die 45-Jährige.
Oberverwaltungsgericht setzt Polizeiverordnung außer Kraft
In der Eisenbahnstraße, einem Kriminalitätsschwerpunkt der Messestadt, war Anfang November 2018 Sachsens erste und bisher einzige Waffenverbotszone eingerichtet worden. Gegen die Polizeiverordnung des Freistaats stellte der Politikwissenschaftler und Linken-Innenpolitiker Florian Krahmer bald darauf einen Normenkontrollantrag.
„Im Gegensatz zu den verbotenen Waffen ist nicht klar, was unter ‚gefährliche Gegenstände‘ zu verstehen ist. Deshalb muss die entsprechende Passage gestrichen werden“, erklärte Krahmer damals gegenüber der LVZ. In der Verordnung sei die Rede von „Gegenständen, die ihrer Art nach“ gefährlich sein könnten – damit umfasse das Verbot neben Äxten, Messern, Baseballschlägern und Pfefferspray unter anderem auch Schraubendreher und Scheren.
„Als Bürger weiß man nicht, wie man sich verhalten soll.“ Deshalb sei die Verordnung nicht rechtssicher, begründete Krahmer seinen Antrag.
Der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts in Bautzen gab ihm recht. Er setzte die Polizeiverordnung außer Kraft, die das Verbot des Mitführens gefährlicher Gegenstände regelte. Eine zweite Verordnung, auf deren Grundlage die Schutzzone errichtet worden war, blieb allerdings unangetastet. In ihr werden Gegenstände untersagt, die ohnehin dem Waffengesetz unterliegen. Dazu zählen neben Schusswaffen auch bestimmte Messer.
Auch Stadtrat und Jugendparlament wollen den Schlussstrich
Im Sommer 2021 wurden dann die Ergebnisse einer Evaluierung bekannt, die die Hochschule der Sächsischen Polizei und Soziologen der Universität Leipzig durchgeführt hatten. Danach lehnten 3000 befragte Anwohnerinnen und Anwohner in dem besonderen Sicherheitsbereich die Waffenverbotszone mehrheitlich ab.
Sie sei nutzlos und stigmatisiere, lautete die Kritik aus der Bevölkerung. Seither drängt der Leipziger Stadtrat, dem Linken-Politikerin Nagel gleichfalls angehört, immer wieder auf deren Abschaffung. Auch das Jugendparlament plädiert für die sofortige „Entstigmatisierung des Leipziger Ostens“.
Von Ralf Julke 2. April 2024
Innenminister eiert weiter herum: Wann wird die Leipziger Waffenverbotszone abgeschafft? + Update
Die Frage, welche die Leipziger Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke) gestellt hatte, war eigentlich ganz einfach: „Wann wird die Aufhebung der Sächsischen Waffenverbotszonenverordnung inklusive Demontage der noch verbliebenen Schilder erfolgen?“ Leipzigs Verwaltung möchte schon gern damit rechnen, dass dieses Experiment 2024 endet. Aber Sachsens Innenminister will sich nicht festlegen.
Er antwortete auf die Landtagsanfrage von Juliane Nagel einmal mehr ausweichend und nebelhaft: „Die auf der Basis der Evaluation der Waffenverbotszone in Neustadt-Neuschönefeld bzw. Volkmarsdorf getroffenen Vereinbarungen mit der Stadt sind Grundlage für das gemeinsame Vorgehen.
Das Staatsministerium des Innern hat sich in der Vergangenheit stets offen hinsichtlich der Beendigung der Waffenverbotszone gezeigt, wenn diese mit der Umsetzung der aus ihrer Evaluation gewonnenen Erkenntnisse in einem strategischen Handlungskonzept entbehrlich wird.“
Die Antwort des Innenministers auf die Anfrage zur Waffenverbotszone
Die Stadt selbst spricht von einem umzusetzenden Maßnahmenplan, der von Seiten der Stadt Leipzig auch Stück für Stück umgesetzt werde, sodass man eigentlich 2024 an das Ende der Waffenverbotszone denken könne.
Wohin mit der Polizeistation?
Der Freistaat Sachsen muss dabei eigentlich nur einen einzigen Punkt umsetzen: die Einrichtung einer Polizeistation im Umfeld der Eisenbahnstraße.
Aber das fällt der Polizei ganz sichtlich schwer, wie auch Innenminister Armin Schuster zugeben muss: „Das abgestimmte Handlungskonzept enthält die Etablierung eines Polizeistandortes im Bereich Eisenbahnstraße. Hierzu wurden mehrere Objekte in Betracht gezogen. Es wurden im Zusammenwirken von Polizeidirektion (PD) Leipzig, Stadt Leipzig und dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) folgende Varianten geprüft:
Nachnutzung des Objektes in der Eisenbahnstraße 49, Integration in die Stadtteilbibliothek am Otto-Runki-Platz, Containervariante als Interimslösung bis Fertigstellung Stadtteilbibliothek am Otto-Runki-Platz.
Keine der genannten Varianten erwies sich als geeignet. Aktuell laufen die Abstimmungen zwischen der PD Leipzig, der Stadt Leipzig und SIB über die Nutzung einer alternativen Lösung. Ein konkreter Eröffnungstermin kann derzeit noch nicht genannt werden.“
Aber gerade die Einrichtung der Polizeiwache erweist sich immer mehr als Hauptgrund der Verzögerung. Also wird weiter kontrolliert, obwohl auch der Freistaat seit 2021 zumindest signalisiert hat, dass er die Waffenverbotszone aufzuheben bereit wäre.
Sie gilt übrigens auch dann, wenn die Schilder dazu demontiert oder besprüht und beklebt und damit nicht mehr erkennbar sind, wie der Innenminister betont: „Auf Grundlage der am 19. Oktober 2018 veröffentlichten ‚Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über die Einrichtung einer Verbotszone zum Schutz vor Waffen und gefährlichen Gegenständen in Leipzig‘ sind mit Inkrafttreten dieser die entsprechenden Regelungen zu beachten. Für die Kontrollen im Sinne der Fragestellung ist es daher unerheblich, ob die Hinweisschilder zum Teil nicht mehr vorhanden oder erkennbar sind.“
Update, 2. April 2024
Juliane Nagel: Das Festhalten an der Waffenverbotszone ist reine Symbolpolitik
Seit drei Jahren steht fest, dass die Waffenverbotszone um die Eisenbahnstraße im Osten Leipzigs unwirksam ist. Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes (Az.: 6 C 22/19 vom 24. März 2021) setzte ein Prinzip dieser Verordnung, welcher das Mitführen „gefährlicher Gegenstände“ verbot, außer Kraft.
Die Evaluierung durch Innenministerium, Universität und Stadt Leipzig kam zur selben Zeit zum Schluss, dass die Sonderkontrollzone das Kriminalitätsaufkommen nicht senkte und das Sicherheitsgefühl der Anwohner nicht verbesserte.
Ihre Kleine Anfrage zeigt, dass das Innenministerium die Abschaffung der Waffenverbotszone hinauszögert. Im Bereich Eisenbahnstraße wird weiter kontrolliert, obwohl fast alle Hinweisschilder verschwunden sind, unkenntlich gemacht oder beschädigt wurden.
„Alle Fakten sprechen für die Abschaffung der Waffenverbotszone. Diese ist wirkungslos, stempelt ganze Stadtteile ab und wird von der Bevölkerung zurecht abgelehnt. Auch der Leipziger Stadtrat hat sich mehrfach für die Beendigung dieser Maßnahme ausgesprochen. Trotzdem existiert die Sonderkontrollzone noch solange, bis in dem Bereich ein Polizeiposten errichtet wird. Dafür ist aber noch keine Immobilie gefunden.”. erklärt Juliane Nagel.
Und weiter: „Die Polizei übt die ausufernden Kontrollbefugnisse weiter aus, obwohl die Hinweisschilder fehlen. Das ist rechtlich bedenklich. Denn die Menschen in dieser 70 Fußballfelder großen Zone wissen schließlich so nicht, was sie dort erwarten kann: Kriminalisierung sowie anlasslose und verdachtsunabhängige Kontrollen und Durchsuchungen. Die Waffenverbotszone ist Symbolpolitik.
Anstelle von Kontrollzonen und Phrasen aus dem Innenministerium sind Maßnahmen nötig, die den Leipziger Osten sozial, lebenswert und sicher machen. Wer Kriminalität bekämpfen will, muss ihre Ursachen beseitigen. Das beginnt damit, jungen Menschen bessere Bildungschancen zu bieten, und geht mit dem Kampf gegen Armut weiter. Auch deshalb kämpfen wir für niedrige Mieten.“