Bullenspitzel raus aus dem Stadtrat! (Halle)
Im Sommer 2022 gab es in Halle (Saale) aus Protest gegen die Auflösung des Arbeitskreises Antifaschismus im Stura der Uni Halle eine kurzzeitige Besetzung verschiedener Universitäts-Gebäude am Löwencampus. So weit, so unspektakulär. Was darauf in diesem Fall aber folgte, war die vermutlich ausführlichste Kooperation linker Aktivist*innen mit den Ermittlungsbehörden, die es in der Geschichte Sachsen-Anhalts jemals gegeben haben dürfte.
Gut ein Dutzend Mitglieder des Studierendenrates der Martin-Luther-Universität Halle plauderte in polizeilichen Zeugenvernehmungen längst nicht nur über die Blockierer*innen, sondern auch über vermeintliche oder tatsächliche Mitglieder der halleschen Antifa-Szene samt Gruppenzugehörigkeiten, Klarnamen, Adressen und persönlich aufgeschnapptem Klatsch und Tratsch. In ihrem Verfolgungseifer recherchierten diese Polizeispitzel sogar noch privat weiter und reichten die gewonnenen Informationen unaufgefordert nach.
Die umfangreiche, aus drei Bänden bestehende Ermittlungsakte lässt uns mit Entsetzen zurück. Dieser Verrat widerspricht jeglicher linker Praxis und muss deshalb öffentlich thematisiert werden. Anna & Arthur sind enttäuscht!
Weshalb veröffentlichen wir gerade jetzt dieses Statement?
Ein guter Teil der Polizeispitzel findet sich nun als Kandidat*innen für den Stadrat Halle auf den Wahllisten der Linkspartei und SPD. Die Wahl findet im Sommer diesen Jahres statt. Mal abgesehen davon was wir von Wahlen halten, sollten zumindest alle Stimmberechtigten der Stadt wissen, wer im Sommer diesen Jahres da auf den Stimmzetteln zu finden ist.
Zum Hintergrund: in Halle gab es einen länger schwelenden Konflikt zwischen dem Studierendenrat der Uni Halle und dessen Arbeitskreis Antifaschismus, besser bekannt als AG Antifa.
Inhaltlich wollen wir uns an dieser Stelle ausdrücklich nicht in dieser Sache positionieren!
Der Konflikt führte letztlich dazu, dass der Stura den Arbeitskreis per Beschluss auflösen und somit finanziell trocken legen wollte. Mitglieder des Arbeitskreises blockierten zusammen mit Unterstützer*innen die Zugänge zur Stura-Sitzung, worauf diese schließlich ausfallen musste. Die Blockierer*innen zogen darauf hin in einer angemeldeten Spontademo Richtung Stadtnorden ab und verstreuten sich. Unterm Strich ist also nicht viel passiert, außer dass die Kinder aus Akademikerfamilien an einem Tag mal nicht wie geplant Parlament spielen konnten. Die Bullen haben natürlich dennoch Ermittlungsverfahren eröffnet, zu denen damalige Stura-Mitglieder dann vorgeladen wurden…
Die Aussagen:
August bis November 2022
Anton Borrmann, 04.01.2000
(Vorsitzender der StuRa-SprecherInnen, Sitzungsleitung, öffentliche Vertretung d. StuRa, Personalvorgesetzter, tritt als politischer Rapper „DaFish“ auf, zus. mit Felix Stock Mitarbeit bei der Volksbühne Kaulenberg, Stadtratskandidat Die Linke Halle 2024)
– schilderte ausführlich wen er beim Protest gegen die Auflösung des AK Antifa erkannt hat, benannte beteiligte Personen namentlich
– identifizierte Personen auf ihm vorgelegtem Bildmaterial, beschrieb deren Rolle bei öffentlichen Veranstaltungen des AK Antifa (z.B. wer Vorträge moderierte, wer mal Flyer verteilt habe, wer an StuRa-Sitzungen für den AK Antifa teilgenommen oder sich im Interesse der AG Antifa geäußert hat)
– benannte Zugehörigkeiten von Personen zur AG Antifa, der Antifaschistischen Liste, und anderen linken Gruppen und Mitgliedern des Bündnis Halle gegen Rechts
– identifizierte nicht zuordenbare Einzelpersonen aus dem politischem Umfeld linker und antifaschistischer Gruppen
– zudem wurden ehemalige Mitglieder der Offenen Linken Liste und anderen Jugendorganisationen der Linken namentlich benannt
– gab Informationen zum Wohnort von antifaschistischen Aktivisten an die Ermittlungsbehörden weiter
– identifitierte und beschuldigte eine Personen (die er an deren Stimme erkannt haben will) und ordnete sie einer vermeintlich „linksextremen, deutschfeindlichen“ Gruppe zu
Klara „Felix“ Stock
(war Spitzenkandidatin der Offenen Linken Liste „OLLI“, Allgemeine Sprecherin des StuRa der Uni Halle, Stadtratskandidat Die Linke 2024)
– war wortführend beim Auflösungsantrag gegen den AK Antifa
– in der Vernehmung bezichtigte sie den AK Antifa der Hetze gegen Islamismus, Antisemitismus und der Queer-Ideologie
– beschrieb gemeinsame Anstrengungen zur Auflösung des AK Antifa seit November 2021
– behauptete Gruppenzusammenhänge und Vernetzung zwischen hallischen Antifagruppen
– identifizierte Teilnehmer der Proteste gegen die Auflösung des AK Antifa, benannte namentlich Teilnehmer einer Blockade-Aktion
– auf polizeilich vorgelegtem Foto- und Videomaterial identifizierte und benannte sie einzelne Personen namentlich, die sie dem AK Antifa und anderen Antifa-, Linken- und feministischen Gruppen zuordnete
– zur Ermittlung legte sie den Vernehmungsbeamten auf Eigeninitiative eigenes Bildmaterial vor
– sie beschrieb detaillreich körperliche Merkmale und persönliche Lebenshintergründe der identifizierten Personen, gab Auskunft über deren SocialMedia-Konten und Hinweise zu deren Internet-Präsens
– recherchierte auf Dating-Apps zu Mitgliedern verschiedener linker und Antifa-Gruppen und legte Screenshots vermeintlicher Mitglieder dieser Gruppen bei Ermittlungsbehörden vor
– ließ bei bei öffentlichen Vortragsveranstaltungen des AK Antifa fotografieren und brachte die Bilder als Beweismittel ein
– verschaffte den Ermittlungsbehörden Zugang zur Foto-Cloud der Uni mit weiteren Bildern zur Identifizierung von Personen, die sich an Protesten und Demonstrationen beteiligt haben
Patricia Fromme, 09.11.1993
(Sprecherin für Soziales im StuRa der MLU, stellvertretende Stadtvorsitzende Die Linke Halle, Stadtratskandidatin Die Linke 2024)
– erstattete Anzeige wegen schweren Hausfriedensbruchs und sagte umfangreich zum Protest gegen das Verbot des AK Antifa aus
– benannte Teilnehmer der Demonstration und plauderte über deren politische Laufbahn, persönlichen Situation, privaten Lebensumfeld und deren Beteiligung an anderen Demonstrationen
– identifizierte Teilnehmer der Demo „AG Antifa bleibt“ auf Fotos und mutmaßte über deren Beweggründe zur Teilnahme am Protest
– gab Informationen zur Ermittlung von Stura-internen Mitgliederlisten und Mailverteilern zu einzelnen Antifa-Gruppen weiter
– benannte namentlich Teilnehmer des AK Antifa an einer Onlinesitzung des StuRa
Johannes Norbert Kohl, 16.02.1998
(Sprecher für Soziales im StuRa der MLU, Die Linke Stadtratskandidat 2024)
– erstattete Anzeige wegen versuchtem schweren Hausfriedensbruchs
– gab mutmaßliche Informationen über die Organisation des Protests zur Aussage, schilderte Ablauf der Proteste
– benannte namentlich Teilnehmer des Protests gegen die Auflösung des AK Antifa, identifizierte Teilnehmer der Demonstration „AG Antifa bleibt“
– identifizierte Mitglieder des AK Antifa
– beschuldigte namentlich eine Person, die er an der Stimmer erkannt haben will
Hannah (Han) Schwaß, 28.12.1992
(Sprecherin der StuRa-Sitzungsleitung, Vorsitzende Feminismen e.V.)
– berichtete ausführlich über die formellen StuRa-internen Schritte und Verwaltungsabläufe, die zur Auflösung des AK Antifa unternommen wurden
– beschrieb wie sie akriebisch für die formell korrekte Abwicklung des AK Antifa persönlich Sorge getragen hat
– ausführlich schilderte sie den Sitzungsablauf zur Auflösung des AK Antifa, der unter Ausschluss der Öffentlichkeit vollzogen wurde; den anschließenden Protest schildert sie ausführlich
– benannte namentlich wer zu den „AK-Leuten“ gehört, beschrieb deren Rolle beim AK Antifa – identifizierte namentlich Mitglieder der Antifaschistischen Liste an der Uni Halle
– identifizierte Personen auf dem vorgelegten Bildmaterial
– brachte selbstgefertigte Fotos von der Blockade der Sturasitzung als Beweismaterial ein
– erkannte weitere Personen aus dem „Demokontext“, die sie antifaschistischen und feministischen Gruppen zuordnete
Jan Niklas Reiche, 22.01.2002
(Vorsitzender und Sprecher des Studierendenrates, SPD-Stadtratskandidat 2024)
– bezog seine Vermutungen auf Informationen vom „Hören und Sagen“ von Personen aus dem Umfeld der autonomen Szene und auf Chatverläufe aus Szenechats
– schilderte seine Einschätzung zum Personenkreis des AK Antifa, den Rollen einzelner Personen und der personellen Entwicklung der Antifa-Gruppe, unterstellte Radikalisierung
– bezichtigte Personen vom „Hören und Sagen“ der Teilnahme an Protest und Blockadeaktion
– benannte namentlich Mitglieder der Antifaschistischen Liste der Uni und Personen, die bei StuRa-Sitzungen im Interesse des AK Antifa argumentierten
– schilderte ausführlich die Abläufe und Absprachen bei der StuRa-Sitzung zur Auflösung des AK Antifa, beschreibt detailliert die vorhergehenden und nachfolgenden Proteste gegen das Auflösungsverfahren und brachte Videoaufnahmen als Beweismittel ein
– vom „Hören über mehrere Ecken“ bezichtigte er Personen beim Protest dabei gewesen zu sein
– auf dem vorgelegten Bildmaterial erkannte er zwar niemanden, eine Person erinnere ihn aber an einen Vertreter der Antifaschistischen Liste
– auf dem Bildmaterial erkannte er Personen, die er Aktionen seitens des AK Antifa zuordnete
– eine weitere Person ordnete er namentlich „Fridays for Future“ zu
Jan Matthias Frölich, 07.03.1990
(Sturamitglied Eu.Li – Eure Liste, Sitzungsleitender Sprecher)
– beschrieb ausführlich wie die Proteste vor der Auflösung des AK Antifa abliefen
– gab an einen Teilnehmer der Demonstration zu erkennen, der eine nicht in diesem Zusammenhang stehende Straftat begangen haben könnte
– benannte in der Zeugenvernehmung namentlich Mitglieder des AK Antifa und bezeichnete deren Aktivitäten beim AK Antifa
– auf dem vorgelegten Bildmaterial identifizierte er Personen als dem AK Antifa zugehörig
Wilhelm Wenke Dargel
(Falken Halle, Fridays for Future)
– identifizierte Teilnehmer einer Blockade und der Demonstration „AG Antifa bleibt“ auf vorgelegtem Bildmaterial
Franka Wolberg
(stellvertretende SPD-Stadtvorsitzende)
– legte den cops ein Beweisvideo vor