Der Ukraine-Krieg und die Folgen – Hungerstreik: Armenier in Borna wehrt sich gegen Ausreiseverfügung
Erst floh er vor dem Ukrainekrieg nach Borna, nun soll er zurück in seine urspüngliche Heimat Armenien. Zehntausenden in Deutschland geht es ähnlich. Arutiun Karapetian entschied sich für einen Hungerstreik.
Sie waren als Ausländer in der Ukraine, hatten dort gearbeitet, studiert. Als der Krieg kam, flüchteten sie mit Hunderttausenden Ukrainern nach Deutschland. Doch ohne ukrainische Staatsbürgerschaft droht ihnen nun die Abschiebung. Rund 60 000 Menschen bundesweit erhalten jetzt nach und nach ihre Ausreiseaufforderung, sagt der Sächsische Flüchtlingsrat. Einer von ihnen, Arutiun Karapetian aus Armenien, ist deshalb seit mehreren Tagen in Borna im Hungerstreik. In den sozialen Medien sorgt sein Fall für Aufsehen.
Zigfach wurde am Wochenende ein Instagram-Post des Sächsischen Flüchtlingsrates geteilt, der einen älteren Mann mit handgeschriebenem Zettel zeigt. Seine Botschaft darauf wirft Fragen auf:
„Ich befinde mich im Hungerstreik, weil mir die deutschen Behörden alle Menschenrechte entzogen haben.“ Der 73-Jährige lebt seit Ende 2022 in Borna, soll nun das Land verlassen.
Armenier arbeitete vor dem Hungerstreik im Bornaer Nabu-Zukunftsgarten
Wie es ihm geht, bleibt an diesem Montag offen. Arutiun Karapetian ist nicht erreichbar. Er lebt allein in einer Plattenbau-Wohnung im Bornaer Süden, die ihm die Kommune zur Verfügung gestellt hat. „Doch er ist nicht einsam, sondern sozial gut eingebunden“, sagt Kim Funck vom Naturschutzbund (Nabu) Sachsen. Im Bornaer Nabu-Projekt Zukunftsgarten arbeitet Karapetian seit rund einem Jahr ehrenamtlich mit. „Er ist ein fähiger Gärtner. Und ein hilfsbereiter Mensch“, schildert Kim Funck.
Für einen Aufenthaltstitel, ein Bleiberecht, um das sich der Armenier mehrfach vergeblich bemüht hat, spielt Hilfsbereitschaft allerdings keine Rolle. Vielmehr sein Heimatland Armenien, das als sicherer Herkunftsstaat gilt. Vor wenigen Tagen erhielt er die Ausreiseverfügung, bestätigt das Landratsamt des Landkreises Leipzig. Damit enden – so berichten Karapetians Unterstützer – auch die Zahlungen des Jobcenters.
Armenier kann Asylantrag stellen
„Der Fall des Herrn Karapetian steht beispielhaft für viele Menschen, die ohne ukrainischen Pass aus der Ukraine gekommen sind“, sagt Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat. Arutiun Karapetian habe seine Heimat Armenien bereits vor 17 Jahren verlassen, habe dort weder Familie noch Obdach. „Er hat dort keine Perspektive mehr.“
Das Landratsamt hat ihm, entsprechend der gesetzlichen Vorgaben, für die Ausreise eine Frist von acht Wochen vorgegeben. „Das ist in der Regel genug, um im Heimatland Kontakt mit Behörden, sozialen Einrichtungen und Bekannten aufzunehmen und die Rückkehr vorzubereiten“, erklärt eine Sprecherin der Behörde. Und der 73-Jährige habe noch weitere Optionen – direkt vor Ort in Borna. Er könne Nachweise vorlegen, dass er in der Ukraine ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hatte. Oder gegen die Verfügung in Widerspruch gehen. Oder einen Asylantrag stellen. Freilich mit überschaubaren Erfolgsaussichten. „Es gibt auch in Borna entsprechende Stellen, die hier beraten und weiterhelfen.“
Arutiun Karapetian entschied sich zunächst für den Hungerstreik. Das Landratsamt erfuhr davon am Montag durch die LVZ-Anfrage. „Wir werden mit ihm Kontakt aufnehmen und versuchen, die Situation nochmals zu klären“, versicherte die Behörden-Sprecherin.