Neue Regeln für Sachsens Verfassungsschutz: Wenn Richter entscheiden müssen
Die Landesregierung überarbeitet die gesetzliche Grundlage für den Nachrichtendienst: Neben Einschränkungen sollen die Verfassungsschützer auch neue Kompetenzen erhalten.
Die Verhandler der Koalition wussten zum Schluss nicht mehr, in der wievielten Abstimmungsrunde sie waren. In den vergangenen Jahren hatte die geplante Überarbeitung des Verfassungsschutzgesetzes immer neue Gespräche notwendig gemacht. Die Innenpolitiker von CDU, Grünen und SPD redeten und redeten und redeten. Selbst zuletzt waren manche nicht überzeugt, dass es bald zu einer Einigung kommen würde. Am Dienstag hat die Landesregierung nun aber eine Überarbeitung des Gesetzes auf den Weg gebracht, die die Arbeit des Verfassungsschutzes auf eine neue rechtliche Grundlage stellt.
Dass es einer Modernisierung des alten Rechts bedurfte, war spätestens seit 26. April 2022 klar. Da hatte das Bundesverfassungsgericht über das Verfassungsschutzgesetz in Bayern entschieden. Es stieß sich an bestimmten Vorschriften, die sich so ähnlich ebenfalls in Sachsen fanden. Unter anderem mahnten die Karlsruher Richter an, dass bestimmte Maßnahmen des Verfassungsschutzes durch eine unabhängige Stelle kontrolliert werden müssen.
Genehmigung durch das Amtsgericht Dresden
Koalition und Landesregierung in Sachsen gehen nun – knapp zwei Jahren später – darauf ein: Zum Beispiel sollen künftig längerfristige Einsätze von Vertrauenspersonen und verdeckten Ermittlern, auch längerfristige Observationen, vorab vom Amtsgericht Dresden angeordnet werden.
Man habe sich für diese Variante entschieden, weil die Amtsgerichte es gewohnt seien, sieben Tage die Woche rund um die Uhr im Einsatz zu seien, sagte Innenminister Armin Schuster (CDU). In der Koalition kann man sich allerdings ebenso vorstellen, dass ein Gremium des Landtags diese Aufgabe übernimmt. Darüber will man sich aber noch einigen. Zudem soll die Übermittlung nachrichtendienstlich erhobener, personenbezogener Daten nur an Behörden erfolgen, wenn es die Abwehr einer konkretisierten Gefahr „für ein höchstrangiges Rechtsgut oder zur Verfolgung einer besonders schweren Straftat“ erforderlich macht.
Neue Kompetenzen für die Verfassungsschützer
Im Gegenzug erhält der sächsische Verfassungsschutz neue Kompetenzen: Er kann unter anderem auf Instrumente zurückgreifen, um den Standort eines Mobilfunkendgerätes, die Nummer des Geräts oder der SIM-Karte zu ermitteln. Auch auf Kundendaten bei Internetauktionshäusern und -tauschbörsen soll er bei den Anbietern einholen dürfen – ebenso Konto- und Depotnummern beim Bundeszentralamt für Steuern.
Die Koalition reagiert zudem auf die Kritik, die es im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der rechtsextremistischen Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) gab: Die Löschung von Daten des Nachrichtendienstes kann befristet ausgesetzt werden, sofern andernfalls die Tätigkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beeinträchtigt würde.
Breitere Kontrolle durch den Landtag
Die Kontrolle durch den Landtag soll generell breiter gefasst werden. Aktuell steht der Verfassungsschutz der Parlamentarischen Kontrollkommission Rede und Antwort. Das Gremium tagt geheim und besteht aus fünf Landtagsabgeordneten. Mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes soll das Innenministerium dem Innenausschuss einmal im Jahr über nicht geheimhaltungspflichtige Angelegenheiten des Verfassungsschutzes berichten.