Hausdurchsuchungen gegen Antifaschist:innen in Dresden und Sachsen
Am Mittwoch dem 8. November 2023 durchsuchte die Sächsische Polizei Wohnungen von Antifaschist:innen in Dresden, Schwarzenberg, Chemnitz und Leipzig. In der Landeshauptstadt richtete sich die Durchsuchung gegen eine Person, die im Hausprojekt Martin-Lutherstraße 33 in der Dresdner Neustadt gemeldet ist. Auch in Schwarzenberg traf es ein linkes Wohnprojekt. Die koordinierte Aktion geschah auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft Gera, die auch in anderen Bundesländern gegen mutmaßliche Antifaschist:innen Durchsuchungsbeschlüsse vollstrecken ließ.
Anlass für die mindestens 14 Durchsuchungen sind Vorwürfe gegen die Betroffenen, sich durch die Teilnahme an einer angemeldeten Demonstration des Landfriedensbruches, strafbar als § 125 StGB, gemacht zu haben. Bei der Demonstration hatte ein Teil der Demonstrant:innen versucht, eine Polizeikette zu überwinden. Die Polizei setzte dagegen Pfefferspray ein. Laut Presseberichten, wurden Hinweise auf eine möglicherweise bundesweit koordinierte Begehung von Straftaten gesucht.
Durchsuchung verläuft unspektakulär
Im Gespräch mit addn berichteten die Hausbewohner:innen sie seien am Mittwoch Morgen teilweise von der Klingel, teilweise erst durch Rammbockschläge gegen die Tür ihres Hauses geweckt worden. Drei Türen hätten die vermummten Beamt:innen beschädigt. Anschließend seien zunächst alle Räume des Hauses gesichtet, fotografiert und die Bewohner:innen auf einer Etage zusammen getrieben worden.
Anschließend, so der Erfahrungsbericht, habe sich die Situation entspannt. Bei dem Betroffenen seien zahlreiche Dokumente durchwühlt und durch die eingesetzten Beamt:innen gelesen worden. Auch private Aufzeichnungen, die als solche nur durch die Staatsanwaltschaft gesichtet werden dürfen, hätten die Beamt:innen gelesen. Dafür hätten sie eine Erlaubnis mitgebracht.
Letztendlich beschlagnahmt worden seien nur ein Laptop, zwei Handys sowie Festplatten. Die Beschlagnahmung der Kommunikationstechnik steht wohl im Zusammenhang mit der angenommenen Koordinierung der am 1. Mai in Gera begangenen Straftaten. Das Anarchist Black Cross warnte in einem kürzlich erschienenen Text, die Polizei versuche sich durch Telefonauswertungen umfangreiche Datenbanken über linke Aktivist:innen zu beschaffen.
Für mehr hätten sich die Beamt:innen nicht interessiert. „Szenetypische Kleidung“, die sonst üblicherweise gerade beim Vorwurf Vermummung und Uniformierung mitgenommen wird, sei nicht beschlagnahmt worden. Nach lediglich drei Stunden endete die Durchsuchung bereits. Vor dem Haus hatten sich in der Zwischenzeit einige solidarische Nachbar:innen zusammen gefunden. Das sei für alle Bewohner:innen sehr wichtig gewesen, denn der Eingriff in die Privatsphäre durch ein vermummtes Einsatzteam hinterlasse emotional Spuren.
Strafverfolgung im Wahlkampfmodus
Am 1. Mai 2023 fand in Gera eine Demonstration des sogenannten Aufbruch Gera statt. Der Verein wird organisiert vom verurteilten Neonazis Christian Klar. Dagegen formierte sich antifaschistischer Widerstand. Laut einem auf der Plattform de.indymedia.org veröffentlichten Schreiben zu den Hausdurchsuchungen , war die antifaschistische Gegendemonstration über einen längeren Zeitraum von der Polizei am Losgehen gehindert worden. Daraufhin hätte man versucht, sich aus der Polizeiumschließung zu lösen.
Der sogenannte Landfriedensbruch umfasst laut Gesetz, die Teilnahme an Gewaltätigkeiten bzw. der Androhung derselben aus einer Menschenmenge heraus gegen Sachen oder Personen. Beschuldigte müssen dabei nicht unmittelbar an Gewalttaten beteiligt sein. Auch eine wohlwollende Teilnahme kann laut Gesetz ausreichend sein für eine Verurteilung. Der Paragraf birgt somit einen großen Spielraum für Beschuldigungen.
Fraglich ist, welche Beweismittel tatsächlich aus der Durchsuchung hervorgehen können. Noch vor Ort waren in Gera von etwa 250 Personen die Personalien aufgenommen worden. Ihnen allen wurde der Vorwurf Landfriedensbruch eröffnet. Nunmehr ermittelt die Staatsanwaltschaft Gera noch gegen 36 Personen wegen Landfriedensbruch, Widerstand gegen und Körperverletzung an Polizist:innen. Der Staatsanwaltschaft dürfte umfangreiches Videomaterial der eingesetzten Polizeieinheiten vorliegen, die diese üblicherweise in Einsatzsituationen anfertigen. Anhand der vor Ort erhobenen Personalien und den Videos dürfte eine für ein Gerichtsverfahren ausreichende Zuordnung bereits möglich sein. Für den Straftatbestand ist es unerheblich, ob im vorhinein eine Planung und Koordinierung durch einzelne vorgenommen wurde.
Die medienwirksame Inszenierung bundesweiter Durchsuchungsmaßnahmen gegen Antifaschist:innen zeigt vor allem, den Willen der Staatsanwaltschaft mit harten Bandagen gegen Antifaschist:innen vorzugehen. Dazu passt auch, dass die Durchsuchungen in mehreren Städten gegen Bewohner:innen linker Hausprojekte gerichtet waren. Das wird von CDU und AfD goutiert. Auch zahlreiche Medien übernahmen die verbreitete Darstellung, Teilnehmer:innen der antifaschistischen Demonstration seien mit „Steinen, Flaschen, Stangen und Pyrotechnik“ auf die Polizei losgegangen.
Es wirkt ganz so, als sei der Aufmarsch des Aufbruch Gera nur mit Mühe durchsetzbar gewesen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Polizei hatte die antifaschistische Demonstration mit zahlreichen Kräften gestoppt, um dem rechten Aufmarsch den Weg frei zu halten. Noch am selben Tag berichtete sie von lediglich einem verletzten Polizisten und dem Einsatz von Pfefferspray.
Rechter Staatsanwalt
Die Staatsanwaltschaft in Gera ist in der Vergangenheit mehrfach auffällig und öffentlich kritisiert geworden. Über viele Jahre hinweg arbeitete hier Martin Zschächner als Staatsanwalt und führte unter anderem gegen das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) ein Verfahren nach § 129 StGB. Das ZPS hatte in unmittelbarer Nähe zum Wohnort von Björn Höcke eine Kopie des Berliner Holocaust-Mahnmals errichtet und damit einen enormen Mediencoup gelandet.
Auch in anderen Verfahren hatte Zschächner sich durch besondere Härte gegen Linke und Milde gegen Rechte hervorgetan. Erst nachdem der öffentliche Druck auf die Behörde zu groß wurde, folgte die Versetzung des Staatsanwaltes im Jahr 2019. Die Prüfung seiner Aktivitäten durch die Generalstaatsanwaltschaft Thüringen ergab hingegen keinerlei Auffälligkeiten. Dieselbe Behörde hatte mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Zschächner im Sande verlaufen lassen. Die Beschwerdestellenden hatten zumindest nie eine Rückmeldung auf ihre Anträge erhalten.