Johanngeorgenstadt empfängt die Antifa mit Böllern
Zwei Stunden zogen junge Linke am Samstag durch die Bergstadt, um an den NSU-Terror zu erinnern. Schaulustige und Störer säumten ihren Weg. Die Polizei hatte alle Händevoll zu tun.
Bereits in der Nacht hatte ein Spruchband quer über dem Johanngeorgenstädter Riesenschwibbogen gehangen: „NSU-Komplex auflösen!“ Ein Vorbote der Demo, mit der die Antifa am Samstag in der Bergstadt an den NSU-Terror erinnern wollte.
Eine Polizeistreife entdeckte es und ließ es von der Feuerwehr abnehmen. Das Banner war ebenso ungenehmigt wie mehrere Graffiti-Schriftzüge in den Wochen zuvor, die den städtischen Bauhof auf Trab hielten. Bei schneidendem Wind versammelten sich am Nachmittag dann nicht die angekündigten 300, sondern nach Polizeiangaben bloß 150Teilnehmer auf dem Platz des Bergmanns.
Zwei Reisebusse hatten das Gros der Demonstranten aus Berlin, Dresden, Leipzig und Chemnitz ins Erzgebirge gebracht. „Neben dem größten Schwibbogen der Welt und einer schönen Pyramide befindet sich hier auch die Heimat einiger Unterstützer des NSU“, sagte ein Redner von Spektrum 360, der regionalen Antifa-Gruppe. Am zwölften Jahrestag der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds wolle man Realitäten benennen. Etwa, dass drei Unterstützer des NSU aus Johann’stadt kamen und einer nochimmer hier lebe. „Wir wollen, dass Johanngeorgenstadt für seinen Schwibbogen bekannt ist und nicht für rechte Umtriebe.“
Etliche Schaulustige versammelten sich, von der Polizei auf Distanz gehalten, rings um den Platz. Einige hatten Campingstühle mitgebracht. Ein Redner bezeichnete sie als „Dorfnazis“. Diese revanchierten sich später mit „Hahaha-Antifa“-Sprüchen. Das Thermometer zeigte fünf Grad Celsius, aber die Stimmung heizte sich auf. Bei einer Zwischenkundgebung in der Neustadt, auf der die Namen der NSU-Opfer verlesen wurden, explodierten im Abstand von wenigen Minuten zwei Böller.
Die Polizei, die schätzungsweise 100 Beamte im Einsatz hatte, setzte mehrfach Pfefferspray ein, um Störergruppen, die zeitweise auf mehr als 50 Personen anwuchsen, von den Demonstranten fernzuhalten. Viele Bergstädter verfolgten den Marsch aber auch aus purem Interesse, zückten ihre Handys und filmten. „Hier ist sonst nie was los“, sagte eine Frau. „Aber wieso sind die alle vermummt?“ Ein junger Mann aus Dresden antwortete ihr: „Weil viele Leute der Demo nichts Gutes wollen. Das ist Selbstschutz. Schön, dass ihr es euch anguckt.“