Schluss mit Feuerwerk-Politik – Warum Leipzig nicht besetzt werden kann
Leipzig hat es als linksradikale Hochburg wieder in die bundesweiten Medien geschafft. Diesmal reichten schon ein paar brennende Barrikaden im Osten der Stadt, nachdem am Tage zuvor ein weiterer Versuche der Gruppe »Leipzig besetzen« gescheitert war und durch die Polizei aufgelöst wurde. Die Gruppe macht seit drei Jahren immer wieder mit neuen Besetzungsversuchen auf sich aufmerksam. Ziel ist dabei ein soziales Zentrum zu schaffen, das den Menschen des Viertels zur freien Gestaltung dienen soll. Ein vielleicht etwas unkonkretes Vorhaben.
Dabei scheint aber gar nicht so klar zu sein, wer die Menschen des Viertels sein sollen. Guckt man sich die Aktionen der Gruppe an, sieht man dabei vor allem das klassische linksradikale Klientel Leipzigs. Das heißt neben uniform schwarzer Kleidung ein paar Balaklavas, Transpis und natürlich Pyro. Wer fühlt sich da nicht eingeladen, zum Mitbring-Frühstück ins frisch umbenannnte Helium zu kommen?
Generell scheint es viel um das Mitbringen zu gehen. Es wird auf Eigeninitiative gesetzt, egal ob beim Frühstück oder bei der Nutzung des neuen sozialen Zentrums. Im Nutzungskonzept wird viel geschrieben, wer so mitmachen könnte, was man sich so wünsche, aber auch was man sich noch so vorstellen könne. Wie das tatsächlich aussehen könnte und wer überhaupt mitmachen würde scheint ungewiss und konkrete Angebote fehlen leider komplett.
Es bleibt der Eindruck, dass es hier vor allem um Symbole geht. Stadt und Polizei machen seit Jahren klar, dass sie keine Besetzungen dulden werden und entsprechend schnell wird auch geräumt. Dass das Helium als erste Besetzung seit Jahren mal die magischen 24 Stunden geknackt hat, lässt sich wohl damit erklären, dass man entweder zu wenig Beamt*innen hatte oder sich die Mehrkosten für einen Einsatz am Sonntag nicht gelohnt hätten. Ein linker Erfolg ist es aber nicht.
Nachdem jahrelang antifaschistische Feuerwehr-Politik in der Leipziger Linken im Zentrum stand und seit den Protesten in Schneeberg im Winter 2015 mindestens wöchentlich organisierte Anreisen ins Umland und die Randbezirke stattfanden bis ein Großteil der antifaschistischen Aktivist*innen ausgebrannt war, geht es heute wohl mehr um Feuerwerk-Politik: Ein kurzes Spektakel und am Ende kriegt man einen Stock auf den Kopf.
Denn den Stock gab es am Ende immer. Ein ums andere Mal wird jede Besetzung mit Repression überzogen. Ein ums andere Mal rücken die Hundertschaften an und ein ums andere mal tragen wir alle zusammen die Folgen. Und das ohne irgendwelche Erfolge. Die Besetzungen werden nicht gehalten, in der Stadt gibt es keine nennenswerte Diskussion über Wohnraum und Leerstand oder Kritik an der Warenförmigkeit von städtischem Raum. Am Ende verpuffen die Besetzungen wie Silvesterraketen.
Dabei gäbe es in Leipzig genug Anknüpfungspunkte. Gerade einmal 14% der Leipziger*innen besitzen Wohneigentum. Umgekehrt wohnen also mindesten 86% zur Miete. Hinzu kommen Obdachlose und Nicht-Gemeldete. Dazu steigen die Mieten rasant an. Die Gentrifizierung walzt durch die Szene-Viertel und das Land Sachsen sperrt sich gegen entsprechende eindämmende Maßnahmen. Die Konflikte sind da, und ein riesiger Teil der Stadt ist davon betroffen. Warum also nicht die entsprechenden Bündnisse schließen?
Es scheint, dass die aktuelle Krise der Linken zur Verklärung der eigenen Vergangenheit führt. Besetzungen wie in den 80er und 90er Jahren sind das Vorbild des Aktivismus von heute. Die Aktionen von damals werden mit der Radikalität der Aktivist*innen erklärt, zu der man anscheinend zurück will, anstatt sich die jeweiligen Kräfteverhältnisse anzugucken. Allein die Aufrüstung der Polizei in den letzten 20 Jahren hat schon dazu beigetragen, es massiv zu verschieben, von der allgemeinen politischen Entwicklung ganz abgesehen.
Es soll hier aber nicht bloß vom hohen Ross kritisiert werden. Der polemische Ton des Textes ist vor allem Zeichen für Wut und Frust, dass so wenig fruchtbares passiert. Dabei gibt es gerade aktuell wahnsinnig gute Vorbilder. Die Initiative Deutsche Wohnen enteignen schafft es zum Beispiel immer wieder mit ihrem doppelten Ansatz von Organizing und Kampagne große Teile der Berliner*innen zu politisieren und die Frage wem die Stadt gehört wieder mit vielen Menschen gemeinsam zu diskutieren. Wir würden uns eine solche Politik auch für Leipzig wünschen. Denn mit unserer Szene-Bubble allein werden wir keine Reform und erst recht keine Revolution erkämpfen können.