Flucht in Psychiatrie: Bewährungsstrafe für Leipziger Corona-Demonstrant
Im Januar 2022 drangen Corona-Demonstranten auf das Gelände der Leipziger Universitätsklinik vor, um aus einem Polizeikessel zu flüchten. Einer von ihnen wurde jetzt am Amtsgericht verurteilt, auch wenn er selbst nicht gewalttätig gewesen ist,
Es war deklariert als „Spaziergang“ und endete in einem Polizeikessel: Mehrere Hundert Menschen versammelten sich am 29. Januar vorigen Jahres am Völkerschlachtdenkmal, um gegen die damaligen Corona-Maßnahmen zu protestieren. In einem Aufruf, der in sozialen Medien verbreitet wurde, hieß es: „Kein Spaziergang ist illegal. Leipzig setzt ein Zeichen gegen dieses menschenfeindliche Unrechtssystem.“ Der Aufzug sorgte für erhebliches Aufsehen, weil einige Demonstranten später auf das Gelände der Universitätsklinik vordrangen. Ein Demonstrant von damals ist jetzt am Amtsgericht Leipzig zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.
Kevin K. (22) war nach Erkenntnissen der Ermittler dabei, als sich an jenem Wintertag zahlreiche Kritiker der staatlichen Pandemie-Politik im Leipziger Südosten zu einem Aufzug trafen. Laut Anklage war die Demo nicht angemeldet worden und nach der damals geltenden Sächsischen Corona-Notfall-Verordnung ohnehin unzulässig. Nachdem die „Spaziergänger“ aus diesem Grund mehrmals von der Polizei gestoppt worden waren, umschlossen Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei schließlich die stadteinwärts laufenden Demonstranten in der Philipp-Rosenthal-Straße, um sie einer Identitätsfeststellung zu unterziehen. Schließlich waren zu dieser Zeit lediglich stationäre Versammlungen erlaubt, sodass die Behörden einen solchen Aufzug als Ordnungswidrigkeit zu ahnden gedachten.
Doch unmittelbar vor dem Areal der Universitätsklinik eskalierte an diesem Nachmittag die Lage. Um 15.39 Uhr sollen mehrere Demonstranten das elektrische Tor zum Gelände der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie aufgezogen haben, um über die Semmelweisstraße zu fliehen. Um zu verhindern, dass weitere eingekesselte Demonstranten einen Ausweg über das Klinikareal suchen, wurden drei Bereitschaftspolizisten am Eingang postiert. In der Anklageschrift wird geschildert, dass die Eingeschlossenen gegen diese Beamten gedrückt und geschoben haben. Vereinzelt sollen Demonstranten auch in Richtung der Polizisten geschlagen haben. Wie die Polizei damals berichtete, durchbrachen mehrere Dutzend Personen die Polizeikette, konnten auf dem Klinikgelände aber größtenteils durch Einsatzkräfte festgehalten werden. Mehr als 50 Identitäten wurden bis zum Ende des Einsatzes gegen 18 Uhr in dem Polizeikessel festgestellt.
Angriffe auf Polizisten billigend in Kauf genommen
Auch jene von Kevin K., der im Prozess am Amtsgericht reumütig gestand. Laut Anklage soll er sich an dem Geschehen beteiligt haben, indem er sich „mit zahlreichen anderen Personen in Richtung der drei Polizeibeamten bewegte und dadurch als Teil einer homogenen Menschenmasse den Druck auf die Einsatzkräfte erhöhte. Billigend habe er in Kauf genommen, dass Demoteilnehmer weiter vorn die Polizisten auch tätlich angreifen könnten. „Der Angeklagte befand sich im vorderen Drittel der Menschenmenge, hat aber nicht das Tor geöffnet oder einen Polizisten attackiert“, erklärte sein Verteidiger Andreas Meschkat. „Aber die Gefahr des gemeinschaftlichen Wirkens als Mitglied einer großen Menschengruppe, der drei Polizisten gegenüberstanden, ist nach der Rechtsprechung ausreichend.“
Mithin kassiert er eine Verurteilung wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und tätlichen Angriffs in einem besonders schweren Fall: sechs Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. Außerdem muss der bislang nicht vorbestrafte Kevin K. eine Geldauflage in Höhe von 500 Euro zahlen. Die Staatsanwaltschaft und der Verteidiger hatten gleichlautend für diese Mindeststrafe plädiert. Das Urteil ist bereits rechtskräftig. Neben dem 22-Jährigen wurde bereits weitere Demo-Teilnehmer verurteilt, weitere Verfahren sind noch anhängig.
LVZ