Wütend, aber friedlich: Viele Hundert protestieren gegen Polizeigewalt in Leipzig
Mehr als 1500 Demonstranten haben am Abend in Leipzig gegen Polizeigewalt demonstriert. Die Protestler zogen durch die Südvorstadt bis zum Polizeipräsidium und zum Stadtzentrum. Anlass der Demo war die stundenlange Festsetzung Hunderter Demonstranten am „Tag X“.
Zwischen 1500 und 2000 Menschen sind am Montagabend ausgehend vom Alexis-Schumann-Platz durch Leipzig gezogen, um gegen Polizeigewalt zu demonstrieren. Anlass war der Polizeieinsatz am „Tag X“-Samstag, bei dem 1000 Menschen in einem Polizeikessel stundenlang festgesetzt worden waren – darunter auch Minderjährige. Der angemeldete Protestzug führte die Karl-Liebknecht-Straße hinauf bis zur Dimitroffstraße vor das Polizeipräsidium, dann weiter zum Leuschner-Platz und schließlich zum Wagner-Platz.
Für Claudia, eine Teilnehmerin, war es wichtig, dabei zu sein, denn: „Eine Freundin von mir wurde am Samstag bis Mitternacht festgehalten, obwohl sie nur auf dem Platz stand. Jetzt hat sie eine Anzeige wegen Landfriedensbruch und Vermummungsverbot, obwohl sie nur einen Schal trug, und zwar nicht im Gesicht.“
Demo-Mitanmelderin und SPD-Vorsitzende in Leipzig, Irena Rudolph-Kokot, schilderte am Montag: „Ich bin immer noch mitgenommen, wütend, sauer, schockiert. Leute, die im Kessel saßen und das alles über sich ergehen lassen mussten, sind hier. Respekt dafür.“ Nicht nur die Polizei habe das Desaster zu verantworten, dass wegen ihres Demoverbots entstanden sei: „Deshalb ziehen wir auch an den Leuschner-Platz in der Nähe des Rathauses“, erklärte Rudolph-Kokot.
Eine Mutter, die auch im Protestzug mitläuft, schildert, wie ihre zwei Kinder bei der Demonstration am Samstag festgehalten wurden: „Ich fühle mich sprachlos und hilflos, meine Tochter auch.“ Sie muss beim Sprechen pausieren, weil ihr die Tränen kommen. „Durch ein Stärkezeigen, deeskalierend sein zu wollen, ist doch Schwachsinn“, sagt sie in Bezug auf das Verhalten der Polizei.
Die Stimmung unter den mehr als 1500 Demonstranten war am Montagabend wütend, aber dennoch friedlich. Vereinzelt waren Rufe gegen die Polizei zu hören: „Ob flauschig oder militant, wichtig ist der Widerstand.“ Die Einsatzkräfte machten Fotos. Durch die Veranstalter gab es den Aufruf, auf das Zünden von Pyrotechnik zu verzichten, dennoch flogen einige Böller in Richtung Polizeipräsidium.
Die Polizei setzte am Abend einen Passanten der Demo fest, nachdem er gegen die Demonstranten verbal ausfallend geworden war und diese auch filmen wollte.
Bei Redebeiträgen übten die Demonstranten immer wieder erhebliche Kritik am samstäglichen Polizeieinsatz: Polizei und Landesregierung seien eine Bedrohung für die offene und demokratische Gesellschaft. Die Einschränkungen hätten in keinerlei Verhältnis zur Zahl der teilnehmenden Demonstranten gestanden. Es habe zur Eskalation kommen müssen, so der Tenor.
Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek führte die Demo mit an und äußerte sich während seiner Rede so: Es gehe ihm nach dem letzten Tag nicht sonderlich gut, „wir haben in den letzten Tagen einen totalitären Staat erlebt, der uns die Grundrechte genommen hat.“
Seit Mittwochnacht galt in Leipzig eine Allgemeinverfügung, die faktisch zu einem kompletten Verbot von Versammlungen führte. Als am Sonnabend versucht wurde, eine Versammlung in Leipzig, die vorher angezeigt und beauflagt war, durchzuführen, endete dies in einer Eskalation – 1000 Menschen wurden in einem Polizeikessel stundenlang festgesetzt – darunter auch Minderjährige. Politische Äußerungen wurden durch die Polizei für nicht zulässig erklärt.