Proteste nach Lina-E.-Urteil Erste Krawalle trotz verbotener „Tag X“-Demo in Leipzig-Connewitz Polizisten gehen an einer brennenden Barrikade vorbei. Am Freitagabend ist es im Stadtteil Connewitz zu Ausschreitungen gekommen.

Am Freitagabend hat es in Connewitz Auseinandersetzungen zwischen mutmaßlich linken Demonstranten und der Polizei gegeben. Dabei wurden mehrere Polizisten verletzt, zudem gab es Schäden an Fahrzeugen.

Leipzig. Vor dem linksautonomen Solidaritätstag für die verurteilte Studentin Lina E. (hier im Liveticker) haben Vermummte in Leipzig Polizistinnen und Polizisten angegriffen. Nach zunächst friedlichem Verlauf einer Versammlung am Wiedebachplatz im Stadtteil Connewitz sollen aus einer Menge von mehreren Hundert Vermummten heraus Steine und Pyrotechnik auf Beamte geflogen sein. Sowohl dort als auch in Nebenstraßen brannten Barrikaden aus Mülltonnen und Baustellenabsperrungen, auch Autos von Unbeteiligten seien angezündet oder anderweitig beschädigt worden. Die Polizei setzte Tränengas ein und wurde nach eigenen Angaben von Hausdächern „mit Gegenständen beworfen“.

In sozialen Netzwerken hatte es aus der linken Szene einen Aufruf zum „Massencornern“ gegeben, also zu größeren Versammlungen, um trotz des Verbots der sogenannten Tag X-Demo am Samstag Solidarität mit der Studentin Lina E. zu zeigen. Der „Tag X“ galt als Reaktion auf das Urteil gegen die 28-Jährige und drei Mitangeklagte wegen Überfällen auf vermeintliche oder tatsächliche Neonazis.

Beschädigte Autos und mehrere Leichtverletzte

Wie die Polizei am Samstagmittag mitteilte, haben sich am Freitagabend bis zu 700 Personen im Leipziger Süden versammelt. Zwar waren die meisten brennenden Barrikaden kurz nach Mitternacht gelöscht, teils mithilfe von Wasserwerfern. Im Verlauf der Nacht wurden laut Polizei aber weiter „Straftaten begangen“. Demnach sollen 17 Einsatzfahrzeuge beschädigt und 23 Beamtinnen und Beamten leicht verletzt worden sein, einer sei zur Behandlung ins Krankenhaus gekommen. Ein Journalist sei von einer unbekannten Person attackiert und leicht verletzt worden. Außerdem sei nach Angaben der Polizei ein Schaden im hohen fünfstelligen Bereich an einer Sparkassenfiliale in der Zweinaundorfer Straße entstanden.

Bis zum frühen Morgen habe es fünf vorläufige Festnahmen wegen schweren Landfriedensbruchs gegeben, drei Personen seien in Gewahrsam genommen wurden. „Es wurden Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte, Sachbeschädigung sowie eines Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz aufgenommen“, teilte die Polizei mit.

den Stunden danach habe sich die Lage dann aber beruhigt, die Polizeipräsenz sei am Morgen wieder etwas zurückgefahren worden. Dennoch gebe es verschiedene Kontrollstellen an Zufahrtswegen zu Leipzig und auch ein Polizeihubschrauber sei wieder im Einsatz.

Eilanträge zurückgewiesen – Demo an diesem Samstag bleibt vorerst verboten

Das Quartett um Lina E. war am Mittwoch vom Oberlandesgericht Dresden wegen Körperverletzung und Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Lina E., die seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft saß, kam nach der Urteilsverkündung vorläufig frei – zur Begründung verwies das Gericht auf eine Rheuma-Erkrankung der 28-Jährigen und eine Vorverurteilung infolge medialer Berichterstattung.

Eine am Samstag geplante linksautonome Demonstration bleibt vorerst verboten. Das Verwaltungsgericht in Leipzig und das Oberverwaltungsgericht in Bautzen wiesen einen Eilantrag gegen das Verbot durch die Stadt zurück. Am Samstagmorgen ging eine dritte Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Doch dort wurde die Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Die Stadt Leipzig hatte die „Tag X“-Demo mit dem Motto „United we stand – Trotz alledem, autonomen Antifaschismus verteidigen!“ verboten, weil ein unfriedlicher Verlauf zu befürchten sei. Grundlage dafür waren Gefahrenprognosen der Polizei und Lageeinschätzungen des Verfassungsschutzes. In linken Kreisen war bundesweit mobilisiert worden. Laut Polizei gab es auch Gewaltandrohungen und Aufrufe zur Militanz.

Großer „Kontrollbereich“ in Leipzig eingerichtet

Schon seit Freitag 18.00 Uhr gilt in Leipzig ein sogenannter Kontrollbereich, der große Teile des Stadtgebiets im Osten, Süden und Westen umfasst. Dort kann die Polizei ohne besonderen Anlass Menschen anhalten und deren Personalien überprüfen. Auch der Anreiseverkehr auf den Straßen und am Hauptbahnhof solle kontrolliert werden, hatte die Polizei mitgeteilt. Die Polizeidirektion Leipzig wird eigenen Angaben zufolge von zahlreichen Hundertschaften samt Technik aus zwölf Bundesländern und von der Bundespolizei unterstützt.

Außer dem „Tag X“ stehen am Wochenende in Leipzig etliche andere Großveranstaltungen an. Es ist Stadtfest, Sänger Herbert Grönemeyer gibt ein Konzert vor Zehntausenden Besuchern und am Samstag spielen die Fußballclubs Lok Leipzig und der Chemnitzer FC um den Sachsenpokal. Eine Absage der Partie wurde erwogen, letztlich aber doch verworfen.

Transparenzhinweis: Eine frühere Version des Textes beinhaltete andere Informationen bezüglich der beteiligten und verletzten Personen bei den Ausschreitungen. Am Samstagmittag hatte die Polizei ihre Angaben jedoch aktualisiert.