So rechtsextrem ist Mittelsachsen

Die Demokratie wird immer stärker von Rechtsextremen herausgefordert und sogar gefährdet. Daran lässt der Verfassungsschutz keinen Zweifel aufkommen. Auch in Mittelsachsen hat die Behörde allerhand zu tun: Die Freien Sachsen rufen zuhauf zu Protesten auf. Auch radikale Bands werden gefeiert. Sogar die bekannte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck sprach vor Publikum.

Jugendliche, die den Hitlergruß zeigen, Hakenkreuze, die an Mauern geschmiert werden, Rechtsextreme, die durch die Straßen marschieren und sich gegen die Unterbringung von Flüchtlingen aussprechen. Im Landkreis Mittelsachsen gehört das inzwischen zum Alltag. Das geht aus Berichten von Polizei und Verfassungsschutz hervor.

Musiker aus der rechtsextremen Szene treten in Mittelsachsen auf

So werden beispielsweise von den Verfassungsschützern seit Juli vorigen Jahres für Mittelsachsen eine Reihe von Aktivitäten aus dem rechtsextremen Milieu aufgelistet. Einige davon beschäftigten sogar die Bundesregierung, darunter eine Veranstaltung in Cossen bei Lunzenau, nach der sich die Linkspartei in einer parlamentarischen Anfrage erkundigte.

Es war am 22. November als rund 200 Gäste in dem beschaulichen Dorf abends ein Fest feierten. Laut einer Sprecherin des Verfassungsschutzes handelte es sich um einen „als Geburtstagsfeier getarnten rechtsextremistischen Liederabend“. Auf der Bühne standen der frühere Sänger der Band „Blitzkrieg“ und der Liedermacher „Rac’n’Roll-Teufel“ – beide Musiker gelten als rechtsextrem.

„Wir sind leider vor solchen Veranstaltungen nicht gefeit“, sagt Bürgermeister Ronny Hofmann (CDU). Die Feier hätte in einem Privatobjekt stattgefunden. „Da sind uns als Kommune ein Stück weit die Hände gebunden.“ Trotzdem will die Stadt künftig bei Veranstaltungen, die angemeldet werden, die „Sache noch genauer prüfen“.

Stadt sind bei solchen Konzerten weitgehend die Hände gebunden

Hofmann ist sich bewusst, dass in den vergangenen Jahren mehrfach Musiker aus der rechtsextremen Szene in der Stadt auftraten – etwa im Februar 2019 der Liedermacher Lunikoff. Der 57-jährige Musiker, der Michael Regener heißt, wurde 2005 wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt – er hatte die 2003 verbotene Rechtsrock-Band „Landser“ gegründet. Drei Jahre saß er dafür im Gefängnis.

Stadtchef Hofmann betont: „Wir müssen wachsam bleiben.“ Doch niemand würde „ein Rechtsrockkonzert“ vorher anmelden. Die Stadt erfahre davon erst im Nachgang.

Kundgebungen beschäftigen den Verfassungsschutz ebenfalls

Es sind jedoch nicht allein solche Liederabende, die die Verfassungsschützer beschäftigen. Landkreisweit rufen Rechtsextreme wie die Freien Sachsen regelmäßig zu Kundgebungen auf. Anfangs richtete sich der Protest noch gegen die Coronapolitik und die damit verbundenen Einschränkungen. Danach gelang es der Partei, die im September einen Kreisverband gründete, mit der Energiekrise und der Inflation zu punkten. Inzwischen mobilisiert die Splitterpartei, indem sie gegen die Unterbringung von Flüchtlingen Stimmung macht.

Regelmäßig organisierten sie in den vergangenen Monaten Protestmärsche, Demos und Infostände in Mittelsachsen und tun es weiterhin, darunter in Burgstädt, Döbeln, Freiberg, Kriebethal, Leisnig, Penig und Rochlitz – die Anzahl der Teilnehmer schwankt stark und bewegt sich zwischen einem knappen Dutzend bis zu 150.

Die Freien Sachsen gefährden – daran lassen die Berichte des Verfassungsschutzes keinerlei Zweifel aufkommen – die Demokratie. „Die Tätigkeiten der Partei ‚Freie Sachsen‘ sind objektiv geeignet, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder einzelne ihrer zentralen Wesenselemente zu beseitigen oder zu beeinträchtigen“, heißt es etwa sperrig in Behördendeutsch. Die Splitterpartei ist dabei ein Sammelbecken von Neonazis und NPD-Funktionären, wobei es ihr auch immer mehr gelingt, von der Politik enttäuschte Bürger für sich zu gewinnen.

Auch Holocaustleugnerin sprach in Mittelsachsen

Ein Treffen von Rechtsextremen im Landkreis sticht aus der Auflistung der Behörde hervor: Ein Vortrag mit Ursula Haverbeck am 17. September in einem ehemaligen Gasthof in Frankenau bei Mittweida. Die hochbetagte 94-jährige notorische Holocaust-Leugnerin saß bereits mehrfach auf der Anklagebank und wurde auch zu Freiheitsstrafen verurteilt. Der Vortrag lockte rund 100 Zuhörer an – und zwar nicht nur aus Sachsen, sondern aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Veranstalter gingen, weil ihnen die Brisanz des Treffen wohl bewusst war, äußerst vorsichtig vor. Denn die Teilnehmer wurden zunächst nach Lichtenau gelotst, wo sie dann den richtigen Treffpunkt erfuhren.