Internationaler Frauentag in Leipzig: Überblick über geplante Demos und Veranstaltungen

Im Rahmen des Internationalen Frauentages finden auch 2023 in Leipzig mehrere Demonstrationen und Veranstaltungen statt. Unter anderem treffen sich Interessierte zu thematisch passenden Ausstellungen in Museen und zu feministischen Lesungen.

Leipzig. Am 8. März findet jährlich der internationale Frauentag statt. Aber hierbei geht es nicht nur darum, ein Strauß Blumen zu verschenken, sondern um viel mehr: den Frauen Respekt und Wertschätzung entgegenzubringen. Es wird weltweit gesprochen, nachgedacht und demonstriert.

Dabei wollen Frauen auf die Gleichberechtigung und gegen die Diskriminierung des weiblichen Geschlechtes aufmerksam machen und ein Umdenken bewirken, sowohl bei Individuen als auch bei Arbeitgebern und Politik. Auch die AG Frauenprojekte in Leipzig wollen an diesem Tag ein Zeichen setzen. „Unabhängig von Geschlecht und Herkunft und Alter und Beeinträchtigung. Für uns bedeutet Feminismus genau dies: Gerechtigkeit – auch in der Verteilung von Ressourcen – und damit einhergehend in der Verteilung von Mitsprache“, sagt Christine Rietzke Sprecherin vom Verein Frauenkultur Leipzig.

Zentrale Kundgebung um 16 Uhr auf dem Markt

Nach drei Jahren Pandemie wird es an diesem Tag in Leipzig auch wieder unbeschränkt größere Veranstaltungen und Demonstrationen weltweit geben. In der Messestadt gehen dabei verschiedene Frauenvereine, Projekte und Initiativen mit der Frauenkultur e. V. Leipzig auf die Straße demonstrieren. „Wir werden als Frauenkultur mit weiteren Interessierten Frauen und Mädchen um 16 Uhr zur Demo auf dem Leipziger Markt sein“, so Christine Rietzke.

Nach einer Kundgebung auf dem Markt wollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über den Innenstadtring entlang zum Augustusplatz, zum Hauptbahnhof und zurück zum Markt laufen. Darüber hinaus findet von 13:30 Uhr bis 16:00 Uhr ein buntes Programm mit Musik, Performances, Lesungen, Poetry Slam, Workshops und Theater auf dem Marktplatz Leipzig statt.

Neben den Demonstrationen auf dem Marktplatz sind viele weitere Veranstaltungen in Leipzig geplant. Darüber informiert das Referat Gleichstellung der Stadtverwaltung – hier eine Übersicht.

Uferfrauen – Lesbische L(i)eben in der DDR: Film und Gespräche

Am Mittwoch zeigt das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig um 19 Uhr den Dokumentarfilm „Uferfrauen – Lesbisches L(i)eben in der DDR“. Im Anschluss sprechen die Regisseurin Barbara Wallbraun und die Zeitzeugin Elke Prinz mit der Moderatorin Annegret Richter über die damalige, gesellschaftliche Tabuisierung von Homosexualität, den Zwang zu Konformität und die Anpassung in einem repressiven Staat. Der Eintritt ist dabei frei.

Frauen im Museum der bildenden Künste

Das Museum der bildenden Künste (MdbK) und das Stadtgeschichtliche Museum bieten am 8. März Themenführungen zum Frauentag an. Im MdbK heißt es ab 18 Uhr „Frauen im Museum der bildenden Künste“: Der Rundgang mit Jeannette Stoschek widmet sich der Fotografin Evelyn Richter unter dem Aspekt „Die arbeitende Frau“. Ebenfalls ab. Ab 18 Uhr bieten Aurelia Rager, Sabine Hoffmann und Alejandra Morteo eine Bildbetrachtung zu „Olga Costa: Frauen und die mexikanische Moderne“ in der Sonderausstellung an.

Ladies First. Berühmte Frauen der Leipziger Stadtgeschichte

Das Alte Rathaus widmet sich einer Führung zum Thema Frauen, die die Leipziger Geschichte vom späten Mittelalter bis in die Moderne geprägt haben. So geht es um „die Lutherin“ Katharina von Bora (1499-1552), die erste Berufsfotografin Deutschlands Bertha Wehnert-Beckmann (1815-1901) und um die Sozialdemokratin Julie Bebel (1843-1910). Die Führung startet um 16:00 Uhr.

AVE! – ansprechen, vernetzen, eingliedern

Am 08. März 2023 um 15 Uhr sind Interessierte im Willkommenszentrum Leipzig eingeladen zur Präsentation des Projektes „AVE!- ansprechen, vernetzen, eingliedern“. Das Projekt beschäftigt sich mit den Migrationserfahren von Frauen und begleiten sie dabei in der beruflichen und sozialen Integration. Anmeldungen sind bis zum 07. März 2023 23:00 Uhr unter willkommenszentrum@leipzig.de erforderlich.


Frauen müssen nichts – und können alles. Oder?

Der Frauentag soll jedes Jahr daran erinnern, dass noch nicht alles erreicht ist in der Gleichberechtigung der Geschlechter. Gut, dass das immer wieder thematisiert wird, meint LVZ-Volontärin Juliane Staretzek. Und wünscht sich, dass das Frausein in allen Facetten mehr Raum bekommt.

Leipzig. Es ist unübersehbar: Frauen nehmen heute stärker den Raum ein, der ihnen zusteht. Am Arbeitsplatz, in der Politik, in der Gesellschaft, in der Familie. Heute wachsen junge Frauen in dem Bewusstsein auf, dass sie gar nichts müssen – und doch alles machen können, was sie wollen. Und sie haben ausreichend Rollenvorbilder in diesem neuen Feminismus – und lautstarke Stimmen, die darauf hinweisen, in welchen Bereichen das Geschlecht noch immer einen Unterschied macht. Dann ist doch alles gut, oder?

Zu dieser kalendarischen Erinnerung an Frauenrechte und Ungleichheit, gibt es in Sachsen eine Debatte, ob dieser Frauentag nicht auch wie in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern Feiertag werden könnte. Hilft das der Sache – oder ist das nicht reine Symbolpolitik?

In der Sache gibt es noch zu tun: Es gibt zwar keine Frauenberufe – und trotzdem erwartet jede dritte Frau, die gerade in Vollzeit arbeitet, eine zu geringe Rente. Dazu sind 83Prozent der Pflegekräfte in Deutschland weiblich und der Frauenanteil in Kitas beträgt sogar 93Prozent. Dabei sind die sozialen Berufe ohnehin nur mager entlohnt. Und zudem arbeiten vor allem Frauen in Teilzeit. So dreht sich der Kreis. Der heutige große Kita-Streik weist doppelt darauf hin: Auf die geringe Bezahlung der Erzieherinnen, die hohe Frauenquote in diesen Berufen – und die Tatsache, wie wichtig eine funktionierende Kinderbetreuung wiederum für Frauen im Berufswiedereinstieg ist.

Es ist 2023 und noch immer gibt es zu wenige Frauen in Vorständen großer Unternehmen. Noch immer gibt es Alltagssexismus im Job sowie in der Gesellschaft, wenngleich die Männer damit auch nicht mehr so einfach davonkommen. Ein Tag wie dieser mag Anlass sein, das alles wiederholt lautstark zu thematisieren.

Wie soll eine Gesellschaft lange geschärfte Rollenbilder aufholen – gerade in Westdeutschland? Immerhin ist in Ostdeutschland in der Gleichberechtigung vieles selbstverständlicher. Wir müssen jetzt daran arbeiten, dass in 50 Jahren nicht mehr Frauenquoten für weibliche Führungspersonen sorgen. Es muss selbstverständlich sein, dass Väter im Durchschnitt mehr als nur zwei Monate Elternzeit nehmen, sogenannte Care-Arbeit gerecht verteilt ist, die Geburt eines Kindes nicht ein Karriereaus oder Armutsrisiko für die Frau bedeutet. Klar ist: Alles muss strukturell möglich sein – wie auch immer sich die Frau entscheidet. Dafür brauchen wir nicht nur die Diplom-Informatikerin, sondern auch die männliche Pflegefachkraft – und ein paar Jahre Zeit.

Lebensgeschichten von Frauen gehören in unseren Alltag – nicht nur zum Frauentag. Wir brauchen nicht nur die Geschichten von vermeintlich erfolgreichen Frauen, sondern auch all derer, die nicht so schnell im Fokus stehen. Damit wir von ausgebliebenen Möglichkeiten erfahren, von strukturellen Ungleichheiten, von äußeren Einflüssen, aber auch von mitkämpfenden Männern, die erkannt haben, dass es diese Unterschiede noch immer gibt. Und darauf hinzuweisen, wird wohl auch noch eine Weile nötig sein. Auch deswegen widmen wir uns in der LVZ heute den Lebensgeschichten von Frauen. Um sie sichtbar zu machen.


Kitas, Horte und Behörden im Warnstreik: Das kommt am Mittwoch auf Leipzig zu

Verdi ruft erneut zum Streik in Leipzig auf – und rechnet mit mehr Teilnehmern als beim letzten Kita-Streik Mitte Februar. Wieder sind etliche Kindereinrichtungen betroffen, außerdem die Stadtverwaltung.

Leipzig. Die Menschen in Leipzig müssen sich auf verschlossene Kita-Türen und womöglich Terminausfälle in Behörden gefasst machen. Die Gewerkschaft Verdi ruft alle Beschäftigten der städtischen Kindertagesstätten und Horte sowie der Kommunalverwaltung für Mittwoch, 8. März, zum Warnstreik in Leipzig auf. Auch andere Einrichtungen sind betroffen.

Streik in Leipzig: Keine Einigung in Sicht

Gemeinsam mit der Gewerkschaft Erziehung- und Wissenschaft (GEW) möchte Verdi durch den erneuten Streikaufruf weiter Druck aufbauen, da in den bisherigen Verhandlungen mit den öffentlichen Arbeitgebern keine Einigung erzielt werden konnte.

Verdi fordert für alle Beschäftigten in kommunalen Einrichtungen eine Lohnerhöhung von 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro monatlich mehr. Die Arbeitgeber sind bislang bereit, 5 Prozent und einmalig 2.500 Euro zu bezahlen. Damit geben sich die Gewerkschaften nicht zufrieden.

Kein Zufall: Streik am Weltfrauentag

Das ausgerechnet am Weltfrauentag zum erneuten Kita-Streik aufgerufen wird, liege auch daran, dass viele Beschäftigte in Sozial- und Erziehungsdiensten weiblich sind, sagt Claudia Kirsch von Verdi. Sie kritisiert die „geringe Entlohnung, hohe Arbeitsbelastung, Personalmangel und geringe gesellschaftliche Anerkennung für diese Arbeit“. Claudia Kirsch fordert daher: „Die Arbeitgeber müssen ihren Teil zu einer gerechten Bezahlung beitragen.“

In Leipzig werden voraussichtlich 33 Kindertagesstätten und 44 Horte am Mittwoch geschlossen bleiben, wie aus einer Mitteilung der Stadtverwaltung vom Montag hervorgeht.

Weitere Einrichtungen sind vom Streik in Leipzig und Umgebung betroffen

Und das sind weitere Einrichtungen, für die der Aufruf zum Arbeitsausstand gilt:

Kommunalverwaltung Schkeuditz, Brandis, Taucha, Borna, Kreis Leipzig, Gemeinde Mockrehna

Städtischer Eigenbetrieb Behindertenhilfe Leipzig

Sparkasse Leipzig

Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland

Bundesagentur für Arbeit

Neben Leipzig wird auch in anderen Städten Sachsens gestreikt. In Dresden betrifft das zum Beispiel die Kitas, die Verwaltung und die Verkehrsbetriebe. In Chemnitz streiken ebenfalls die Verwaltungsmitarbeiter, aber auch die Sparkasse und das Jobcenter sind betroffen.

Demo zieht Richtung Leipziger Markt

Am Streiktag wird es Kundgebungen und einen Demo-Zug geben. Sammelpunkt für die Streikenden ist ab 10.30 Uhr am Volkshaus in der Karl-Liebknecht-Straße. Gegen 11 Uhr startet die Demonstration in Richtung Markt. Dort findet ab 12 Uhr die Streikkundgebung mit „kämpferischer Mittagspause“ inklusive Mittagessen statt.

„Redebeiträge kommen dieses Mal vor allem von Beschäftigten, insbesondere natürlich aus dem Bereich des Sozial- und Erziehungsdienstes“, kündigt Verdi-Landesbezirksfachbereichsleiter Paul Schmidt an. Ab 14 Uhr veranstalten Verdi-Vertreter gewerkschaftliche Workshops, bis dann um 16 Uhr die Auftaktkundgebung mit anschließender Demo startet.

„Stimmung aufgeheizt“: Verdi-Vertreter rechnet mit mehr Teilnehmern

Gewerkschafter Schmidt rechnet am 8. März mit mehr Streikenden als noch vor rund drei Wochen, als die Kindertagesstätten schon einmal bestreikt wurden und sich rund 2.000 Verdi-Mitglieder beteiligten. „Ich habe keine Hinweise bekommen, dass sich weniger Beschäftige am Streik beteiligen wollen“, verrät der Verdi-Mann. Die allgemeine Stimmung bei den Arbeitnehmern im kommunalen Bereich habe sich eher noch weiter aufgeheizt statt abgekühlt, vermutet Schmidt.

Einschränkungen bei Dienstleistungen der Verwaltung sind möglich

Da der Streikaufruf auch die kommunale Verwaltung betrifft, kann es zu Terminausfällen kommen. Welche Behörden und Ämter voraussichtlich vom Streik betroffen sein werden, konnte die Verwaltung bis Redaktionsschluss noch nicht mitteilen. Am Dienstag, 7. März, werde darüber informiert, so das Rathaus.


Christine Jacob 08.03.2023

Kommentar: Frauentag ist Männersache

Am 8. März ist Frauentag. Den an nur einem Tag im Jahr zu zelebrieren, kann man(n) sich auch sparen, findet LVZ-Autorin Christine Jacob und plädiert für einen anderen Umgang mit Feminismus.

Frauentag? Kann man(n) sich sparen. Jedenfalls solange Frauentag genau wie „Malle is nur einmal im Jahr“ begangen wird – bisschen süffisant Party machen, dann schnell vergessen.

Frauentag feiern ist wie seine Tage haben – krampfig. Manchmal ist einem auch zum Heulen. Am Frauentag werden mit einer an PMS erinnernden Betroffenheitsmi(e)ne Statistiken ausm Tante-Emma-Laden des Gleichberechtigungsgetues hervorgekramt, die nur belegen, was viele ein Leben lang am eigenen Leib erfahren: Frauen sind am Ar***, andere sind am Ruder. Männertag ist jeden Tag.

Frauen arbeiten häufiger in schlecht bezahlteren Jobs, werden sogar bei gleicher Arbeit geringer entlohnt als männliche Kollegen, sind seltener in der Führungsebene vertreten. Doch, hoch, die Menstruationstassen: Frauen sind Spitze bei der Altersarmut, leisten den Großteil der Hausarbeit, sind häufiger Opfer von nicht nur häuslicher und sexualisierter Gewalt. Die Liste der Ungerechtigkeiten ist länger als der Beipackzettel der Pille.

In Deutschland leben 84,3 Millionen Menschen. 42,8 Millionen sind Frauen. 41,5 Millionen sind Männer. Dass es nach wie vor gelingt, die Mehrheit wie eine Minderheit zu behandeln, nennt sich Sexismus.

Ein einzelner Tag nützt nichts

Was nützt da ein einzelner Tag? Es ist als müssten Frauen am 8. März besonders dankbar sein. Als ob sie nicht schon genug müssten?! Der Frauentag verkommt zu einer weiteren Gelegenheit für Gratulationsgemüse. Der Blumenstrauß, die Beweihräucherung, das Betroffenheitsgetue ist wie ein „Hab dich nicht so.“ oder „Ihr seid doch mitgemeint.“ – es ist alles ganz große Sch**** (ja, diese Gendersternchen ersetzen e-i-ß-e), nur riecht es im besten Falle nach Rose.

Also: Danke für nichts!

Mit dem Frauentag ist es wie mit jedem Gedenktag. Einmal gucken alle hin, es bleibt bei Symbolik. Einmal im Jahr ein bisschen „Ach, schau an“ bis Aufschrei, an den restlichen 364 Tagen weitermachen wie gehabt und Klappe halten. Das alles ändert nicht, dass der kleine Unterschied nach wie vor viel zu oft einen viel zu großen Unterschied macht. Das ist wie Klatschen für Pflegekräfte – kein Paukenschlag, das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Und alle machen mit… p-F-ui!

Kommen wir zum F-Wort: Wer das Wort Feminismus heute noch wie ein Schimpfwort nutzt, der hat es vermutlich nicht so mit der Menschenwürde. Wer all das, was zum 8. März benannt wird, als reine Frauenthemen abwertet, dem sei hiermit höflich, aber bestimmt empfohlen, sich bewusst zu machen, dass mindestens die Mutter eines jeden Mannes (vielleicht hat er auch Frau, Schwester, Tochter oder mehrere davon?) tagtäglich von struktureller Benachteiligung betroffen ist oder betroffen sein kann. Kann man(n) da ernsthaft wollen, dass es ewig so weitergeht?!

Feminismus ist kein Frauending

Der Frauentag sollte also weniger Anlass zu Blumen und/oder Beileidsbekundung sein, sondern als Mahnung zur Menschlichkeit dienen: Es gibt Themen, die gehen uns so oder so alle an und wir alle haben so oder so noch einen weiten Weg voller großer und kleiner Schritte vor uns.

Dass es auch 2023 (!) beispielsweise schier unmöglich scheint, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen ohne selbst im Burnout zu erlischen, die gläsernen Decken in der Arbeitswelt, das Typisch-Mann-typisch-Frau-Schubladendenken, so viele zementierte Geschlechterdomänen, Misogynie als Teil unserer Kultur – es gibt unzählige Dinge, die es letztlich Menschen jeden Geschlechts schwer machen, gleichberechtigt zu dem (voran) zu kommen, was sie für sich und ihr Leben wollen. Auch heute ist es zum Beispiel in vielen heterosexuell gelebten Partnerschaften noch so, dass Frauen Kinder, Job und Haushalt wuppen müssen, während die Männer die Rolle der ewig starken Familienernährer übernehmen müssen – das ist unfair, beiden Geschlechtern gegenüber!

Wenn wir diesen Tag schon besonders zelebrieren wollen, dann in seinem Ursprung, bei dem er dem Kampf für mehr Geschlechtergerechtigkeit dient, der uns alle angeht – Tag für Tag, und weltweit. Feminismus ist folglich kein Frauending. Gleichbehandlung und Gleichberechtigung sind für alle Menschen. In diesem Sinne sollte Frauentag jeden Tag sein. Genau wie Männertag. Das wäre ein großer Schritt für die Menschheit.


Sozialarbeiterin Arezoo Mohadjeri: „Ich wurde schon als Kind zur Frau geformt“

Wie wird eine Frau zur Frau? Dass sie bereits in Kindertagen zur Frau geformt wurde, beschäftigt Arezoo Mohadjeri (23) aus Leipzig sehr. Lesen Sie hier ihre Geschichte.

Arezoo Mohadjeri ist noch ein Mädchen, als ihre ältere Schwester sie zu schminken beginnt und ihr T-Shirt mit Socken ausstopft. „Ich wurde schon als Kind zur Frau geformt“, sagt die heute 23-Jährige. Über die Jahre merkt sie, wie sie in der ihr aufgedrückten Rolle weniger ernst genommen wird, immer erst nach männlichen Kollegen zum Zug kommt.

„Hinzu kommt, dass ich nicht Weiß bin“, merkt die Sozialarbeiterin an. „Das beeinflusst die Dynamik zusätzlich.“ Dass, und wie sie geformt wurde, beschäftigt Arezoo Mohadjeri: „Ich weiß gar nicht, wer ich sonst eigentlich wäre.“

Auf ihrem Weg, das herauszufinden, hat es die gebürtige Oldenburgerin vor dreieinhalb Jahren nach Leipzig verschlagen. „Es hilft, aus der Heimat rauszukommen, neue Eindrücke zu sammeln und Bekanntschaften zu schließen.“ Eigentlich habe sie nach der Schule eine Reise machen wollen, doch die Angst vor dem Alleinsein war zu groß.

Heute ist die 23-Jährige glücklich darüber, stattdessen in Leipzig gelandet zu sein: Hier fühle sie sich zu Hause, könne sich neu erkunden und hinterfragen. Und glücklich, das macht Arezoo Mohadjeri auch das Tanzen. „Zum ersten Geburtstag in Leipzig habe ich mir selbst eine Poledance-Stange geschenkt“, erzählt sie voller Begeisterung. „Beim Tanzen kann ich mich entfalten und ausdrücken“, sagt sie, „herausfinden, wer ich sein kann.“

Mit einer tanztherapeutischen Ausbildung in der Tasche will sie zukünftig mit eigenen Tanzkursen Menschen unterstützen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität diskriminiert werden – egal, ob in Deutschland oder im Iran, dem sie sich sehr verbunden fühlt. „Wenn ich mit 80 auf mein Leben zurückblicke, würde ich gerne sagen können, dass ich immer meinem Herzen gefolgt bin“, sagt sie. Auf dem Weg dahin habe sie es aber nicht eilig.


Imbissbetreiberin Birgit Hofmann: „Es ist schwierig, für die Rente vorzusorgen”

Birgit Hofmann (63) arbeitete in der DDR bei der Handelsorganisation und in der Statistik. Die Wende brachte einen Neuanfang – als Gastgeberin in „Hofmann’s Hütte“ auf dem Oschatzer Altmarkt. Lesen Sie, was die Selbstständige glücklich macht und was ihr Sorgen bereitet.

„Ich habe nie Benachteiligung erfahren als Frau“, erzählt Birgit Hofmann. Der gebürtigen Oschatzerin habe es nie an etwas gefehlt. Am 8. März hat sie Geburtstag und wird 63 Jahre alt. Die gegenseitige Unterstützung von Frauen sei ihr wichtig: „Bei mir suchen viele junge Mädchen Rat, und ich helfe ihnen gern. Das stärkt auch die Rolle der Frau, finde ich.” Was sie ihrem 18-jährigen Ich mit auf den Weg geben würde: „Mach alles anders.“ Alles? „Nein. Das Studium nicht.“ Birgit Hofmann studierte zu DDR-Zeiten Binnenhandel in Leipzig. Nach dem Uniabschluss arbeitete sie zunächst bei der Handelsorganisation und später in der Zentralverwaltung für Statistik. Nach der Wende wurde das Institut aufgelöst.

Birgit Hofmann hatte die Möglichkeit, bei der Arbeitsagentur anzufangen – doch stattdessen machte sie sich selbstständig. 2001 eröffnete sie den Imbiss „Hofmann’s Hütte“ auf dem Oschatzer Altmarkt. „Die Wertschätzung meiner Kundinnen und Kunden macht mich glücklich“, sagt sie und lächelt. Glücklich machen sie auch ihre Familie und ihre Freunde. Dennoch bereue sie den Schritt in die Selbstständigkeit: „Es ist schwierig für die Rente vorzusorgen.”


Gymnasiastin Christina Geilen: „Als Frau geht man mit mehr Unsicherheiten durchs Leben“

Christina Geilen (18) will nach ihrem Abschluss Biologie studieren. Dafür arbeitet sie hart auf dem Gymnasium. Immer wieder hat sie das Gefühl, als Frau mehr leisten zu müssen als ein Mann. Warum sie gemerkt hat, dass sie sich selbst zu viel Stress macht.

Häufig hat Christina Geilen das Gefühl, dass man als Frau mehr leisten und auf sein Auftreten bedacht sein muss als ein Mann. Beispielsweise, wenn ihr in der Schule weniger zugetraut wird als den Mitschülern oder sie für einfache Dinge, wie Eis essen, sexualisiert wird. „Als Frau geht man mit mehr Unsicherheiten durchs Leben“, findet sie. Auf der Straße gesagt bekommen „Lächle mal, Püppchen“? Für Männer undenkbar.

Viel zu leisten, das ist ihr Credo. Sie geht in die 11. Klasse eines Gymnasiums und hat vor, Biologie zu studieren. Dafür müssen die Noten stimmen, doch die hat man nicht immer selbst in der Hand. Auch wenn sie hart arbeitet: Die Bewertung mancher Lehrkräfte stünde ihren Zielen im Weg. „Aber auch der Stress, den ich mir selbst mache, der mich eher behindert, als dass er mich antreibt“, reflektiert die 18-Jährige. Sie hat Angst zu scheitern, den eigenen Erwartungen und denen anderer nicht entsprechen zu können. Auf ihre Freundinnen ist sie für die kleinsten Erfolge stolz und freut sich mit. Sich selbst behandelt sie nicht wie eine Freundin, fällt ihr auf. Sie fühlt sich fast nie genug.

Für die Zukunft wünscht sie sich, mehr danach zu handeln, was sie wirklich möchte und nicht, um anderen zu gefallen. Sie hat gelernt, weniger auf ungefragte Meinungen zu zählen und bei neuen Leuten nicht zu offen zu sein. In ihrer Freundesgruppe aber erlebt sie wahren Rückhalt und viel Unterstützung. Sie sagt, sie würde gerne die Zeit stoppen können – neben dem Lernen mehr mit den Freunden unternehmen, aber auch mehr Momente für sich selbst haben. Dann liest sie Bücher, das macht sie nur für sich: „In einem Roman zu versinken hilft mir, die Außenwelt abzuschalten.“


Influencerin Nikey: „Frausein ist für mich eine Mischung aus schwach und stark sein“

Nikey aus Leipzig teilt als Nikeydauringon auf Instagram ihr Leben mit anderen. Das hilft der 24-Jährigen, sich weniger einsam zu fühlen. Sie erzählt, warum es nicht darum geht, etwas Bestimmtes im Leben zu erreichen.

„Dabei, meine Ziele zu erreichen, hat mich Frausein noch nicht eingeschränkt, aber in meiner Ausdrucksweise“, sagt Nikey. Die Leipzigerin ist auf Instagram als Nikeydauringon aktiv. „Es kommt schön öfter vor, dass ich mich zurückhalte oder mir bestimmte Sachen zweimal überlege, weil ich mir denke, wie reagieren andere Menschen, beziehungsweise wie reagieren Männer darauf oder wie reagiert die Welt darauf, dass ich das mache“, erzählt die 24-Jährige. Etwas, das Nikey nur für sich tut? „Tagträumen. Das ist was ganz kleines, aber ein großer Teil in meinem Leben, dass ich mir ganz viele Dinge in meinem Kopf ausmale und das niemandem erzähle“, das große Lächeln kehrt auf ihr Gesicht zurück.

Ihre klaren blauen Augen scheuen jedoch nicht den realistischen Blick auf die Welt: „Frausein ist eine Mischung aus schwach und stark sein für mich, sich komplett ausleben zu können, wie man ist, und gleichzeitig dafür kämpfen zu müssen.“ Verträumt, ruhig und angekommen wird die 24-Jährige, wenn sie von ihrem Leben spricht: „Ich glaube, ich bin zum ersten Mal an einem Punkt in meinem Leben, wo es nicht darum geht, irgendwas zu erreichen. Davor ging es immer darum, gewisse Punkte zu erreichen, Abi machen, Ausziehen, Studium abschließen. Ich habe alle meine Punkte geschafft. Es gibt ganz viel, was ich machen möchte, aber nichts, was ich von außen machen muss.“ Nikeys letzte große Entscheidung liegt zwei Wochen zurück: „Meine Freundin und ich haben uns eine Katze geholt, eine große Entscheidung, die sich sehr gelohnt hat, die sich sehr gut anfühlt.“

Ein zentraler Punkt an Instagram: Es hilft dagegen, sich mit seinen Gedanken allein zu fühlen. „Ich glaube, ich würde mich einsamer fühlen, wenn ich nicht mein Leben auf Social Media teilen würde“, sagt Nikey. Sie habe gelernt, das Gefühl gut auszuhalten. Einsamkeit bedeutet für sie nicht allein sein. „Ich fühle mich einsam in meiner Gefühlswelt, oder denke, dass es niemandem geht wie mir, oder mich niemand verstehen kann.“ Dann sind da ihre Follower – sie interessieren sich für ähnliche Sachen und reagieren auf Gedanken, die sie teilt.


Vierfach-Mutter und Unternehmerin Susan Pannier: „Ich sehe Probleme mittlerweile als Herausforderungen“

Susan Pannier (44) aus Görschlitz ist Unternehmerin und Mutter von vier Kindern. Hier berichtet sie, wie ihr der Spagat zwischen Job und Familie gelingt.

„Mein Lebensmittelpunkt ist meine Familie, hier fühle ich mich am wohlsten“, sagt Susan Pannier. Zusammen mit ihren zwei Söhnen, zwei Töchtern und ihrem Mann lebt sie in Görschlitz bei Bad Düben. „Gleichzeitig muss ich den Spagat zwischen Familie und Unternehmerin schaffen.“ Die Ergotherapeutin hat sich mit Gesundheitskursen für werdende Eltern und junge Familien in Eilenburg selbstständig gemacht.

Als Mutter von vier Kindern sei sie schnell in Kategorien gerutscht. „Entweder ich habe vier Kinder, weil ich nicht arbeiten will, oder ich bekomme von irgendwem viel Geld und kann mir nur deswegen vier Kinder leisten.“ Damit wollte sie aufräumen. „Ich wollte zeigen, dass ich bodenständig bin und es mit vier Kindern und dem Unternehmen schaffe.“

Die 44-Jährige strahlt, als sie über ihr Leben spricht. „Ich fühle mich gerade in der Blüte meines Lebens und in meiner Mitte.“ Sie sei gelassener geworden. „Ich sehe Probleme mittlerweile eher als Herausforderungen an. Ich weiß, dass es immer einen Weg gibt, und dass dieser Weg meiner ist.“ Sie sei sehr dankbar dafür, wie ihr Leben läuft. „Es macht mich stolz, dass ich das alles geschafft habe. Dank der Unterstützung meiner Eltern musste ich weder in der Familie noch beruflich Abstriche machen.“

Susan Pannier beschäftigt auch das Spannungsfeld, in dem sie sich als Frau, Mutter und Unternehmerin bewegt. „Ich möchte mir als Frau das Gefühl der Weichheit behalten, das ist in solchen Strukturen nicht immer einfach.“ Ihr gelinge das aber mittlerweile sehr gut. „Ob wir Frauen stark sein können und trotzdem weiblich? Na klar können wir das! Das Leben als Frau bedeutet für mich ganz viele Gefühlswelten haben zu dürfen, weiblich sein zu dürfen und gleichzeitig viel Power und Kreativität zu haben.”


Ehrenamtlerin Christel Krauthoff: „Wenn es darauf ankommt, kämpfe ich für mein Recht“

Christel Krauthoff kümmert sich viel um andere. Früher vor allem um die Familie, heute um Senioren in Eilenburg. Obwohl sie schon 83 ist, vergisst sie ihr Alter, wenn andere im Mittelpunkt stehen – hier berichtet sie, wie sie daraus Kraft schöpft.

„Wenn ich mein Leben in drei Stationen einteilen soll, beginnt es mit dem Leben in der DDR bis zur Wende“, fängt Christel Krauthoff an zu erzählen. „Die nächste Phase war dann die Wendezeit. Als Mitarbeiterin im Rathaus war das keine leichte Zeit.“ Die dritte Station prägt ihr Leben bis heute: „Das Ehrenamt bei der Volkssolidarität ist mein Lebensmittelpunkt, seit ich vor gut 20 Jahren in Rente gegangen bin.“ Als Vorsitzende der Eilenburger Ortsgruppe der Volkssolidarität kümmert sie sich um ihre „Oldies“, wie sie liebevoll sagt. „Manchmal vergesse ich, dass ich ja selbst alt bin“, sagt sie und lacht kurz.

„Ich habe nie eine Beeinträchtigung erfahren, weil ich eine Frau bin“, sagt Christel Krauthoff vehement. „Ich bin kein Mensch, der sich einschränken lässt. Wenn es darauf ankommt, kämpfe ich für mein Recht.“ Diese Einstellung hat ihr über Verluste und die Wendezeit geholfen. „Mein Mann ist 1987 gestorben, dann war ich mit meinen Töchtern allein. Da musste ich mich wieder hochziehen und durfte mich nicht unterkriegen lassen. Kurz darauf kam die Wende mit all ihren Problemen. Bis dahin habe ich in der DDR-Zeit in Eilenburg als Stadträtin und im Rathaus gearbeitet. Ich habe dann schon um meine Anstellung gebangt. Zum Glück konnte ich aber bleiben. Die Wendezeit war ja für alle eine harte Zeit.“

Das Sich-um-andere-Kümmern bestimmt den Großteil ihres Lebens. „Ich habe eine Aufgabe gesucht, bei der ich mich auspowern kann, und das ist jetzt das Ehrenamt. Organisation ist meins, da macht mir keiner was vor.“ Ihr Engagement sei daher ihr Hobby. Ihr Highlight sei aber der jährliche „Weiberurlaub“ mit ihren beiden Töchtern und ihrer Enkeltochter. „Auf meine Kinder bin ich stolz. Stolz, dass ich sie zu ordentlichen Menschen erzogen habe.“


Alleinerziehende und Zahnmedizinexpertin Grit Azendorf: „Ich bin nicht nur im Sternzeichen eine Löwin“

Grit Azendorf geht auf im Job als zahnmedizinische Fachangestellte – und stemmt den Alltag als fünffache Mutter. Das war schon mal leichter, inzwischen schauen die Ältesten beim Nachwuchs nach den Jüngsten. Eine Eigenschaft hat der Leipzigerin durch alle Höhen und Tiefen geholfen.

„Ich bin nicht nur im Sternzeichen eine Löwin“, sagt Grit Azendorf, Alleinerziehende von drei Söhnen und elfjährigen Zwillingsmädchen. „Meine Kinder und meine Arbeit als zahnmedizinische Fachangestellte sind mein Leben. Beides muss nebeneinander funktionieren“, betont die Leipzigerin. Dass die heute 51-Jährige ihren Alltag ohne Partner rockt, war nicht geplant. Mit 25 hat sie mit ihrem damaligen Ehemann eine Familie gegründet. „Als unser erstes Kind auf die Welt kam, war das ein großer Umschwung. Raus aus dem Job und rein in die Verantwortung für den Kleinen“, sagt sie rückblickend.

Ohne ihre Eltern wäre vieles schwerer gewesen: „Mama und Papa waren immer für uns da. Wegen kranker Kinder habe ich in der Arbeit nie gefehlt“, erzählt die Angestellte. Nach dem Tod ihrer Mutter vor drei Jahren sei der zweitälteste Sohn zu einer wichtigen Stütze geworden. Heute ist Christian 24 und kümmert sich neben seinem Studium auch um seine drei jüngeren Geschwister, kocht und hängt die Wäsche auf. Ohne seine Hilfe könnte die Alleinverdienende, die an drei Tagen erst nach 20 Uhr vom Dienst kommt, ihre 37 Wochenstunden nicht erbringen.

„Seit dem vergangenen Sommer kann ich mich mehr auf meinen Beruf konzentrieren, mein Wissen erweitern, um später mehr Geld zu verdienen und im Alter allein klarzukommen“, erklärt sie ihr berufliches Engagement. Einziger Wermutstropfen: Die Kurse muss sie selbst zahlen. Nur Arbeitslose bekommen einen Bildungsgutschein.

„Hauptsache, wir bleiben alle gesund“, lautet ihr größter Wunsch. „Wir sind ein Dream-Team. Mit Höhen und Tiefen. Wir halten zusammen, die Großen und die Kleinen.“ Was hat sie vom Leben gelernt? Immer positiv bleiben! „Ich bin stolz auf das, was ich geschafft habe. Und wenn es in meiner Straße wegen der unterschiedlichen Hautfarben meiner Kinder Getuschel gibt, verteidige ich sie wie eine Löwin.“


Afrika-Helferin Ulrike Nitzsche: „Ich sehe es als meine Lebensaufgabe, Menschen zu unterstützen“

Bevor sie Rentnerin wurde, betreute Ulrike Nitzsche den Saunabereich des Leipziger Astoria-Hotels. Nun ist sie 78 – und ihr Glück liegt zum einen zu Hause und zum anderen mehrere Tausend Kilometer im Süden der Welt.

„Zum Frausein hatte ich immer Bezug“, blickt Ulrike Nitzsche (78) zurück. Früh habe sie die weiblichen Waffen für sich entdeckt, es immer genossen, sich schönzumachen. Eingeschränkt habe sie sich nie gefühlt – sie attestiert sich einen gesunden Egoismus. Sie berichtet aus ihrer Jugend, der ersten Schwangerschaft mit 18, dem Wunsch, Mutter zu sein, statt zu studieren und der anschließenden Fehlgeburt.

Auf den Einschnitt folgte eine Ausbildung zur Physiotherapeutin und eine Anstellung im Klinikum Altscherbitz. „Ich sehe es als meine Lebensaufgabe, Menschen zu unterstützen“, sagt sie heute. Die lebte sie durch ihre medizinischen Behandlungen aus, aber auch als Gesprächspartnerin. 20 Jahre hat sie den Saunabereich des Astoria-Hotels betreut, die Gäste massiert und ihnen ein offenes Ohr geschenkt. Mit Renteneintritt richtete sie ihre Aufmerksamkeit neu aus: nach Gambia. „Das ist das wahre Afrika. Die Leute und ihre Mentalität faszinieren mich“, schwärmt sie. Als Mitglied in einem Hilfsverein unterstützt sie soziale Projekte vor Ort und hat das Land oft bereist.

Ihr persönliches Glück findet sie aber zu Hause: Mit 24 brachte sie ihre Tochter, „ihr Wunschkind“, zur Welt. Dass sie heute auf einem Grundstück wohnen, erfüllt sie. „Ich bin stolz auf das gute Verhältnis zu meiner Familie, zu meiner Tochter.“ Besonders, da es ihr selbst nicht so vorgelebt wurde. Ihre eigene Mutter, welche mit ihr aus Schlesien geflohen war, habe sie immer distanziert erlebt. Ulrike ging ihren eigenen Weg. Was sie vom Leben gelernt hat? Dass man zu seinen Eigenschaften stehen und offen sein sollte. Und dass man sich Dingen stellen muss: „Die kriegen dich nicht“, sagte sie sich, als sie die Diagnose Brustkrebs erhielt und besiegte die Krankheit.


Wehrleiterin Nicole Fischer: „Es gibt Feuerwehren, da sind Frauen immer noch nicht gern gesehen“

Nicole Fischer hat nicht nur im Job eine Führungsposition inne – sie steht auch an der Spitze der Feuerwehr von Wiedemar. Warum sie bei manchen Einsätzen mehr als ihre männlichen Kameraden gefragt ist, erzählt die 44-Jährige hier.

Nicole Fischer aus Wiedemar ist gleich zwei Karriereleitern hinaufgeklettert. „Ich würde den gleichen Weg wieder gehen“, sagt sie heute. In der Personalabteilung einer Zwenkauer Gartenbau-Firma hat sie eine Führungsposition inne. Doch sie schmeißt noch einen zweiten Laden: Bei der Freiwilligen Feuerwehr in Wiedemar ist sie die Chefin. Sie ist zwar mit der Feuerwehr aufgewachsen, weil ihr Vater sich dort engagiert, aber selbst eingetreten ist Nicole Fischer erst vor 17 Jahren als längst erwachsene Frau. Vom Ruf als „Männerdomäne“ hat sie sich nicht beirren lassen, aber das war schon immer so. Als sie als Mädchen in der Schule nähen und kochen sollte, ließ sie sich in die Klasse der Jungen versetzen, um technische Fertigkeiten zu erlernen.

Zwar habe sie sich während der Grundausbildung Sprüche anhören müssen wie „Frauen gehören an den Herd“. Doch die Zeiten, in denen solche Aussagen sie verunsichert haben, sind vorbei. Auch wenn sie den Männern mal in etwas nachsteht, wie etwa der Körpergröße, sei das kein Problem. Bei der Feuerwehr geht es um Kameradschaft und darum, dass alle ergänzend zusammenwirken. Sie hat bei einigen Einsätzen beobachten können, dass viele Menschen eher sie als emotionale Stütze ansehen als ihre männlichen Kollegen. „Überraschte Gesichter erlebe ich, wenn ich sage ,Ich bin die Wehrleiterin‘“, erzählt Nicole Fischer. Mit ihren Kameraden habe sie großes Glück gehabt: „Wir Frauen werden geachtet“, stellt sie klar. Aber sie weiß auch, dass das in diesem Metier noch nicht überall so ist: „Es gibt Feuerwehren, da sind Frauen immer noch nicht gern gesehen.“

In Wiedemar ist es aber längst normal, dass eine Frau die Hosen anhat. Wehrleiterin zu sein, bringt viel Verantwortung, aber auch viel Arbeit mit sich. Um zu entspannen, liest und fotografiert sie gern und verbringt viel Zeit mit ihrer Familie. Dem Umstand, dass ihr Mann und sie keine Kinder bekommen konnten, kann sie heute etwas abgewinnen: Als Paar flexibel mit dem Wohnmobil verreisen zu können, bedeute eine gewisse Freiheit. „Alles hat Vor- und Nachteile“, sagt sie. Sie wünscht sich, solche Reisen auch in Zukunft mit ihrem Partner teilen zu können.


Wave-Gotik-Fan Gabriele Ziegler: „Das Leben hält jetzt viel Schönes für mich bereit“

Gabriele Ziegler hat viel durchgemacht, in der Kindheit und später als Ehefrau. Jetzt hat die 59-Jährige eine neue Liebe gefunden, dazu Halt im Sorgenfrei-Verein – und träumt von einem ganz besonderen Ereignis nicht weit entfernt von Leipzig.

„Am Internationalen Frauentag habe ich immer gerne mit anderen Frauen einen Tagesausflug gemacht“, erzählt Gabriele Ziegler, die als Küchenhilfe der Behindertenwerkstatt des Lebenshilfe-Vereins arbeitet. Eigentlich sei sie in der Gewürzsortierung eingeteilt: „In der Essensausgabe fühle ich mich aber am wohlsten“, strahlt die 59-Jährige.

Den größten Halt bekomme sie seit über 20 Jahren von Frau Meißner, die für den Leipziger Betreuungsverein Sorgenfrei arbeitet. „Meine Betreuerin war nach meiner Scheidung immer für mich da“, erklärt sie die große Verbundenheit mit der Frau, die auch ihren Freund betreut. Aufgewachsen ist die gebürtige Delitzscherin bei Pflegeeltern. Über ihre Kindheit und Jugend möchte sie schweigen.

In den Neunzigerjahren musste sie als Ehefrau viele Demütigungen ertragen. Jetzt ist die gelernte Kellnerin über beide Ohren in Micha, einen 2,08 Meter großen Hünen, verliebt. Gemeinsam besuchen sie seit über zehn Jahren das Wave-Gotik-Treffen, das am langen Pfingstwochenende in Leipzig stattfindet. „Letztes Jahr habe ich mir ein schwarzes Kleid gekauft. Das trage ich mit Schleier und Krönchen“, plaudert sie ganz aufgeregt. Und manchmal kämen sie erst am frühen Morgen glücklich von den Konzerten nach Hause

Was sie vom Leben gelernt hat? Nach dem Regen kommt die Sonne! „Nach all den negativen Erfahrungen mit meinem ersten Mann hält das Leben jetzt viel Schönes für mich bereit“, strahlt die Mutter zweier erwachsener Kinder. Die Familie ihres Verlobten, dem sie am Valentinstag einen Antrag gemacht hat, habe sie wie eine Tochter aufgenommen. Und was sie sich vom Leben noch wünscht, verrät die knapp 60-Jährige am Schluss: „Ich würde gerne noch einmal heiraten und Schlagersänger Roland Kaiser bei der ‚Kaisermania‘ in Dresden erleben.“


Frauentag als gesetzlicher Feiertag: Was sagen die Frauen aus Döbeln dazu?

Die Landesverbände von ver.di und SPD wollen den Frauentag zum gesetzlichen Feiertag machen. Wie finden Frauen aus Döbeln und Umgebung den Vorschlag? Wir haben nachgefragt.

In Berlin ist der Internationale Frauentag am 8. März bereits seit 2019 ein gesetzlicher Feiertag. In Mecklenburg-Vorpommern wird er in diesem Jahr zum ersten Mal begangen. Auch in Sachsen soll es bald soweit sein – wenn es nach der Vereinten Dienstleistungsgesellschaft (ver.di) geht. Im November 2022 startete der sächsische Landesverband von ver.di die Volksinitiative „Ein Feiertag für Alle!“, um den 8. März zum gesetzlichen Feiertag im Freistaat zu machen. 40.000 Unterschriften benötigt die Gewerkschaft, damit das Vorhaben im Dresdner Landtag debattiert wird. Unterstützt wird ver.di von der sächsischen SPD, zudem spricht sich die Die Linke-Sachsen für den Feiertag aus.

Wie stehen die Frauen in Döbeln und aus dem Umland zu dieser Idee? Wir haben Frauen aus Politik und Wirtschaft gefragt. Ihre Antworten finden Sie hier.

Susan Zache (CDU), stellvertretende Bürgermeisterin von Döbeln

Generell freue sich Susan Zache über die Feiertagsdebatte. „Das rückt uns Frauen in den Fokus. Die Diskussion zeigt, dass wir das Bindeglied in der Gesellschaft sind durch Familienarbeit, generelle tägliche Arbeit und unser Wirken und Schaffen in der Freizeit“, erklärt Zache und spielt damit auf ehrenamtliche Tätigkeiten an. „Jedoch würde ich mich freuen, wenn ich als Frau 365 Tage im Jahr Wertschätzung erfahren würde.“ Die Einführung eines gesetzlichen Feiertags allein liefere keine generelle Anerkennung. Das könne zum Beispiel gelingen, in dem sich Frauen mehr zeigen. „Zum Beispiel indem wir uns in der Politik einbringen, uns positionieren und uns trauen anzupacken.“

Katrin Stenker (SPD), Mitglied im Stadtrat von Roßwei

Katrin Stenker unterstützt den Vorschlag ihrer Partei. „Frauen sind in unserer Gesellschaft weiterhin unterrepräsentiert“, sagt sie. „Zum Beispiel hat der Roßweiner Stadtrat 22 Mitglieder, davon sind nur vier Frauen.“ Mit dem gesetzlichen Feiertag würde dieses Ungleichgewicht mehr Beachtung finden. Frauen würden sich gehört und gestärkt fühlen. „Der Muttertag fällt auf einen Sonntag, dann ist eh frei. Der Männertag hingegen ist an Himmelfahrt. Das ist ein Donnerstag, also ein zusätzlicher freier Wochentag.“ In der Gesellschaft würden Frauen weiterhin vor allem durch ihre Rolle als Mutter definiert. „Wenn Frauen für den Beruf oder das Ehrenamt abends an mehreren Terminen teilnehmen, anstatt bei ihrer Familie zu sein, werden sie damit oft konfrontiert“, erzählt Stenker. Bei Männern sei das nicht so.

Donata Porstmann, (Bündnis 90/Die Grünen), Inhaberin der Physiotherapie Porstmann

Die Physiotherapeutin ist gegen die Initiative. „Was bringt ein Feiertag denn?“, fragt Donata Porstmann. „So werden die Rechte der Frauen nicht gestärkt.“ Stattdessen unterstütze sie den Vorschlag der Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) für eine feministische Außenpolitik. Mit ihren Leitlinien möchte die ehemalige Parteivorsitzende mehr Frauen in die Außenpolitik bringen, auf die Bedürfnisse von Frauen in Krisenregionen eingehen und ihre Rechte stärken. „Ich glaube, es würde weniger Kriege geben, wenn mehr Frauen in den Schlüsselpositionen wären. Wir würden unsere Söhne nicht in den Krieg schicken“, sagt Porstmann. Generell habe sich in Deutschland mittlerweile viel getan für die Gleichstellung von Frau und Mann. „Zum Beispiel nehmen immer mehr Väter Elternzeit.“

Marika Tändler-Walenta (Die Linke), MdL

Marika Tändler-Walenta unterstützt den ver.di-Vorschlag. „Wir Frauen haben einen politischen Tag verdient“, sagt die gebürtige Leisnigerin. Das Gesetz schreibt zwar die Gleichberechtigung von Frau und Mann vor, „aber de facto ist sie noch nicht erreicht.“ Beispielsweise verdienen Frauen im Leistungssport noch immer weniger als Männer. Für die Politikerin ergibt der Frauentag als gesetzlicher Feiertag mehr Sinn als ein kirchlicher Feiertag. „Ein Drittel aller Menschen in Sachsen sind kirchlich organisiert, aber die Hälfte der Bevölkerung sind Frauen.“ Um die Rechte von Frauen zu stärken, habe sich in den letzten Jahren viel getan. Doch weitere Maßnahmen, beispielsweise für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, seien nötig: „Viele Arbeitgeber bieten Kitaplätze an. Das ist gut, aber bei vielen Betrieben müssen die Öffnungszeiten ausgeweitet werden.“

Cornelia Brambor, Geschäftsführerin der Brambor Pflegedienstleistungen

Cornelia Brambor ist gegen die Volksinitiative. „Wir haben genügend Feiertage“, sagt sie. Der Internationale Frauentag sei aus ihrer Sicht eine Möglichkeit für die Betriebe, ihren Arbeitnehmerinnen die notwendige Wertschätzung zu zeigen; von Seiten der Familie komme diese Anerkennung am Muttertag. Stattdessen müsse Arbeit im Allgemeinen wieder mehr Wertschätzung erfahren. „Die Achtung der Menschen untereinander und die Dankbarkeit, auch für kleine Dinge, fehlt. Das ist ein Erziehungsproblem“, meint die 61-Jährige. Dennoch sehe Brambor eine Lücke in der Repräsentation von Frauen in der Politik: „Der Landtag ist nicht mal zu einem Drittel mit Frauen besetzt.“ Konkret sind es aktuell 28,57 Prozent. „Da sollte sich was ändern.“ Brambor saß selbst 22 Jahre lang im Stadtrat von Roßwein.

Maria Euchler (Freie Wähler), Bürgermeisterin von Kriebstein

Maria Euchler unterstützt „keine Quote und auch nicht diesen Gender-Wahnsinn, der momentan durch unsere Gesellschaft kursiert“, wie sie selbst sagt. Doch sie ist für den gesetzlichen Feiertag am 8. März. „An Christi Himmelfahrt ist ja Männertag, also warum sollte es nicht auch einen Frauentag geben?“, fragt sich die Bürgermeisterin von Kriebstein. „Ein gesetzlicher Feiertag wäre ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Aber die grundlegenden Probleme sind damit trotzdem nicht gelöst.“ Euchler kritisiert vor allem die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern, die sich dann auch in der Rente widerspiegelt. Hinzu komme, dass Frauen öfter in Elternzeit gehen als Männer und dadurch noch weniger Rente beziehen.

Grit Neumann (FDP), Friseurin und Mitglied im Döbelner Stadtwerbering

Die Inhaberin des „City Haarstudio“ ist gegen einen weiteren Feiertag. „Sicher ist man in stressigen Zeiten immer froh über Freizeit. Aber wir haben bereits einen zusätzlichen Feiertag im November“, sagt Grit Neumann und spielt damit auf den Buß- und Bettag an, der einzig in Sachsen Feiertag ist. „Dieser freie Tag muss ja auch erarbeitet werden, das Geld muss irgendwo herkommen“, erinnert Neumann. In diesem Sinne sieht sie die aussterbenden Innenstädte als größere Baustelle. „Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten, Mitarbeiter zu bekommen und melden Insolvenz an.“ Zudem würden gerade Frauen in Ostdeutschland ausreichend Wertschätzung erfahren.

Unterschriftensammlung für „Ein Feiertag für Alle!“

Die mittelsächsischen Landtagsabgeordneten Marika Tändler-Walenta (Die Linke) und Henning Homann (SPD) sammeln Unterschriften für das Verdi-Volksbegehren „Ein Feiertag für Alle!“ Am Mittwoch werden Tändler-Walenta und Homann von 10 bis 12 Uhr mit Ständen auf dem Döbelner Niedermarkt und dem Döbelner Obermarkt stehen, um Unterschriften zu sammeln. Darüber hinaus kann man das Volksbegehren in den Bürgerbüros beider Abgeordneter unterzeichnen. Das Büro von Marika Tändler-Walenta in der Bahnhofstraße 1a ist dienstags von 10 bis 18 Uhr und donnerstags von 10 bis 15 Uhr offen. Das Büro von Henning Homann in der Breite Straße 5 hat montags bis donnerstags von 10 bis 14 Uhr geöffnet.


 
Feiertag statt Blumengrüße: Warum Sachsen über den Frauentag diskutiert
 
Nicht nur die Gewerkschaft Verdi würde den 8. März gern in Sachsen zum gesetzlichen Feiertag machen. Hat das Aussicht auf Erfolg?
Daniel Herold war der Erste, der seine Unterschrift abgab. Der Geschäftsführer der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Sachsen setzte am 12. November seinen Namen unter den Volksantrag, mit dem die Arbeitnehmer der Gleichberechtigung von Männern und Frauen einen Dienst erweisen wollen. Der 8. März, der Internationale Frauentag, soll im Freistaat ein Feiertag werden. Oder wie es Verdi-Bezirksleiter Oliver Greie ausdrückte: „Was Frauen in unserer Gesellschaft leisten, wird noch immer unterschätzt und zu wenig gewürdigt. Die Forderung, hierfür den 8. März zum offiziellen Feiertag zu erklären, ist einer von vielen Schritten.“40 000 Unterschriften muss Verdi im Rahmen des Volksantrags zusammenbekommen, damit der Landtag über das Thema diskutieren muss. Ein Zwischenstand, wie viele Unterschriften inzwischen gesammelt wurden, ist trotz mehrmaliger Nachfrage nicht zu erfahren. Der Vorteil der Gewerkschaft ist allerdings, dass der Zeitgeist auf ihrer Seite ist. Einige Bundesländer haben in den vergangenen Jahren neue Feiertage eingeführt.

Einige Bundesländer haben neue Feiertage
2018 wurde der Reformationstag in Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zum Feiertag. Thüringen hat den Internationalen Kindertag am 20. September zum Feiertag erklärt. Berliner haben seit 2019 am Frauentag arbeitsfrei. Mecklenburg-Vorpommern hält es in diesem Jahr erstmals genauso. Auch in Sachsen gab es Bemühungen: Die Linke scheiterte aber mit ihrem Versuch, den ersten Freitag im Juni zum gesetzlichen Kinder- und Familienfeiertag zu machen. Dennoch könnte es jetzt ein Momentum geben.

Sachsen gehört nicht zu den Bundesländern mit den meisten Feiertagen: Mit 11 liegt man im Mittelfeld. 14 hat man dagegen in Bayern – 12 im ganzen Land, zwei in einzelnen Regionen. Die Sächsinnen und Sachsen zahlen dagegen noch immer einen höheren Beitrag zur Pflegeversicherung, weil sie am Buß- und Bettag als einzige in Deutschland nicht arbeiten müssen. Die neuen Feiertage der übrigen Bundesländer haben daran nichts geändert. Sie hatten für die Thüringer, die Berliner, die Norddeutschen keine Auswirkungen.

Unterstützung von SPD und Grünen
Warum, fragen manche, sollte Sachsen also auf einen freien Frauentag verzichten? „Der 8. März soll kein zusätzlich durch die Bürgerinnen und Bürger finanzierter Feiertag werden“, betont Verdi, „sondern als regulärer Feiertag ins sächsische Feiertagsgesetz aufgenommen werden.“

Unterstützung erhält Verdi aus der schwarz-grün-roten Koalition. SPD und Grüne haben sich das Anliegen zu Eigen gemacht. Die sächsischen Sozialdemokraten sammeln Unterschriften für den Volksantrag und stellen Parteibüros als Sammelstellen zur Verfügung. Die Grünen halten es ähnlich, sind aber zurückhaltender in der Frage, ob sie in der Koalition Druck ausüben werden. Ganz anders die SPD.

CDU kann mit einem neuen Feiertag wenig anfangen

„Mit einer erfolgreichen Unterschriftenkampagne im Rücken werden wir auch den Frauentag zum Thema in der Koalition machen“, verspricht die Landesvorsitzende Kathrin Michel. Sollten die Sozialdemokraten nach der Landtagswahl 2024 erneut an Koalitionsverhandlungen beteiligt sein, wird der Frauentag Thema: „Ein Feiertag ist immer erst einmal nur ein Symbol“, sagt Laura Stellbrink, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen. „Der Frauentag als Feiertag wäre jedoch ein sehr starkes Symbol für Frauen und Mädchen.“

Dennoch ist es nicht so, dass ein zusätzlicher Feiertag in Sachsen auf allumfassende Gegenliebe stößt. Die CDU kann damit relativ wenig anfangen, wie Generalsekretär Alexander Dierks deutlich macht: Die Diskussion gehe „über reine Symbolpolitik“ nicht hinaus. „Wir erleben gerade eine schwere Zeit für unsere Volkswirtschaft. Wachstum, Innovation und Sicherung des Wohlstands – das sind die Themen der Stunde.“

290 Millionen Euro kostet ein freier Tag

Wie die Wirtschaft die Aussicht findet, einen Tag weniger Wertschöpfung zu betreiben, dürfte klar sein. In Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin wurde vorgerechnet, wie stark die Wirtschaftsleistung durch einen zusätzlichen freien Tag zurückgeht. Für Sachsen wären es 290 Millionen Euro, wie Christoph Schröder vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft sagt: Würde der neue Feiertag auf ein Wochenende fallen, reduziert sich die Summe auf 200 Millionen. Das verarbeitende Gewerbe, der Handel und wirtschaftsnahe Dienstleistungen hätten besonders mit Einbußen zu kämpfen, das Gastgewerbe dürfte von einem Feiertag eher profitieren.

Die sächsischen Unternehmer führen momentan sowieso ganz andere Debatten: Wie viele Feiertage verträgt die vom Bundeskanzler ausgerufene Zeitenwende? Arbeitgeberpräsident Jörg Brückner würde gern dem Beispiels Dänemarks folgen und einen Feiertag streichen, um die Verteidigungsausgaben steigern zu können. „Klug“, nennt Brückner diese Lösung: „Es ist kein Problem, einen Tag mehr arbeiten zu müssen. Auch das hilft, den Rückgang des Arbeitsvolumens infolge des demografischen Wandels abzubremsen.“


Frank Hörügel 08.03.2023

Wermsdorf: Wie sich zwei Feuerwehrfrauen großes Lob verdient haben

Mit Blumen hat die SPD zwei Feuerwehrfrauen aus Malkwitz (Gemeinde Wermsdorf) zum Frauentag geehrt. Für die Auszeichnung von Julia und Antje Frenzel gibt es gute Gründe.

Über jeweils einen Strauß bunter Frühlingsblumen zum Frauentag können sich Julia Frenzel (25) und ihre Mutter Antje Frenzel (47) freuen. Der SPD-Landtagsabgeordnete Volkmar Winkler (63) und Anja Kohlbach (42) vom SPD-Ortsverein Döllnitztal bedankten sich mit dieser Geste für das ehrenamtliche Engagement der beiden Frauen in der Freiwilligen Feuerwehr Malkwitz.

Dass Julia und Antje Frenzel für die Ehrung ausgesucht wurden, ist kein Zufall. Die Familie Frenzel ist sozusagen das Rückgrat der Feuerwehr in dem Wermsdorfer Ortsteil. „Schon mein Großvater war hier Wehrleiter, wir sind da so reingewachsen“, erzählt Julia Frenzel. Neben ihrer Mutter Antje, ihrem Vater Lutz als Wehrleiter sind auch noch ihr Freund Tom und ihr Bruder Johann Mitglieder der Wehr. „Wenn in Malkwitz nach der Feuerwehr gerufen wird, dann wird nach der Familie Frenzel gerufen“, bringt es Volkmar Winkler auf den Punkt.

Familieneinsatz bei Waldbrand

So hat es auch beim Brand im Wermsdorfer Wald im August des vergangenen Jahres funktioniert. „Da waren wir alle Fünf im Einsatz“, erinnert sich Julia Frenzel. Wenn sie gerade mal nicht zum Löschen eines Brandes oder zur Hilfe nach einem Unfall gerufen wird, kümmert sich die 25-Jährige als stellvertretende Jugendwartin um die Ausbildung der 15 Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 8 und 18 Jahren.

Absagen von Landesfeuerwehrschule

Als nächstes Ziel steht auf der Agenda der jungen Frau die Ausbildung zur Gruppenführerin. Dafür hat sie sich an der Landesfeuerwehrschule beworben, jedoch schon zwei Mal eine Absage erhalten. „Wir haben jetzt die benötigte Kapazität an der Landesfeuerwehrschule, aber die Ausbilder fehlen“, nennt der Landtagsabgeordnete Winkler das Problem.

Antje Frenzel gehört als Schriftführerin zur Leitung der Malkwitzer Feuerwehr mit ihren 68 Mitgliedern, wovon 38 aktiv sind. „Und zu den Aktiven zählen zehn Frauen“, sagt die 47-Jährige stolz. Die Malkwitzerin kümmert sich nicht nur um den Schriftkram, sondern auch um die Organisation von Veranstaltungen wie das Malkwitzer Osteranspritzen. Sie kocht Essen für die Feuerwehrleute und gratuliert zu runden Geburtstagen. „Antje Frenzel ist die gute Seele der Malkwitzer Wehr“, lobt Volkmar Winkler.

Für die Sozialdemokraten in der Region Oschatz ist es seit Jahren Tradition, engagierte Frauen zum Frauentag mit Blumen zu überraschen. „Das haben wir selbst in der Corona-Zeit gemacht – natürlich mit Abstand“, sagt Winkler. 2022 wurde die langjährige Erzieherin Bettina Wittenberg aus Oschatz gewürdigt. Ein Jahr zuvor konnte sich Katja Bachmann als Managerin des O-Schatz-Parkes über die Ehrung freuen.


Typisch Frau, typisch Mann? Ich lasse mir keine Grenzen auferlegen!“

Am Mittwoch ist Frauentag. Doch welche Bedeutung hat der Tag überhaupt noch? Wir haben sieben Frauen aus Nordsachsen gefragt.

Jasmin Dorrow (27), Beschäftigte im öffentlichen Dienst aus dem Liebschützberger Ortsteil Borna:

Ich bin der Meinung, dass ein Tag nichts ändern kann. Generell müsste sich ändern, dass die Frau viel mehr gesehen wird – mit allem, was sie macht und schafft und stemmt. Ich finde, dass die Rolle einer Mutter beziehungsweise einer arbeitenden Mutter völlig unterschätzt wird. Ich selbst habe keine Kinder, doch ich möchte, dass solche Frauen endlich gesehen werden. Generell müsste sich auch die Bezahlung ändern. Es kann nicht sein, dass eine Frau, die dasselbe leistet wie ein Mann, weniger verdient. Und es immer abgetan wird, wie: Such dir einfach einen Mann der gut verdient und dann geht das schon. Der Frauentag an sich spielt für mich eigentlich keine wichtige Rolle. Ich werde ganz normal arbeiten gehen. Ich finde, dass eine Frau jeden Tag gewürdigt werden sollte. Der Tag sollte aber auf jeden Fall zum gesetzlichen Feiertag werden – auch als Statement. Die Männer haben sich ihren Männertag einfach „genommen“ – es ist eigentlich Christi Himmelfahrt und kein Vatertag.

Patricia Groth (42), Bürgermeisterin der Stadt Delitzsch

Für mich ist der Frauentag ein Tag wie jeder andere. Ich kann mir schon vorstellen, dass der 8. März in manchen Institutionen oder Bereichen als Anlass zur Gleichstellung genutzt wird, aber ich finde, da könnte man auch jeden anderen Tag nehmen. Das Thema Gleichberechtigung sollte man nicht nur auf einen bestimmten Tag fokussieren, sondern es stattdessen in den Alltag einbauen. Auf der anderen Seite denke ich, dass solche Welttage immer wieder dazu sensibilisieren, noch einmal über die Situation nachzudenken. Generell sollte man im Arbeitskontext versuchen, nicht geschlechtsspezifisch zu denken, sondern viel mehr anhand anderer Sachen, wie Leistung oder Sympathie. Aber eben völlig geschlechtsneutral agieren. In meinem Arbeitsumfeld, in dem ich als Bürgermeisterin seit einem Monat tätig bin, habe ich nicht das Gefühl, dass Frauen an irgendeiner Stelle benachteiligt werden. Ich hatte auch während meines gesamten Bewerbungsverfahrens nicht das Empfinden, dass da zwischen Mann und Frau unterschieden wird.

Annett Fleig (41), Schulsekretärin aus Belgern

Für mich ist der Internationale Frauentag kein Kampfbegriff mehr, denn ich sehe in meinem Umfeld zwischen Männern und Frauen keine Unterschiede mehr. Jeder kann die Aufgaben des anderen übernehmen. Männer achten Frauen genauso, wie es Frauen mit Männern tun. Deswegen ist der Frauentag für mich eher ein hervorragender Anlass, der Lebensfreude der Frauen einmal freien Lauf zu lassen. Dem versuche ich seit Jahren als Eventmanagerin Rechnung zu tragen. So habe ich schon in vielen Orten entsprechende Feiern organisiert. In Belgern steht am kommenden Wochenende das nächste große Ding an. Hier wird der Gugge-Tempel Kopf stehen. Ich glaube, dass solche echten Feiertage vielen Frauen deutlich mehr geben als ein gesetzlich verordneter Feiertag. Lebensfreude lässt sich nun mal nicht in Paragrafen gießen.

Lara Behr (20), Studentin für Mathe und Sport auf Grundschullehramt aus Eilenburg

Ich selbst habe eigentlich wenig Verbindung zum Frauentag. Meine einzige Erinnerung dazu sieht so aus, dass unser Handballtrainer eines Freitags zum Training kam und uns allen eine Rose mitgebracht hat. Er meinte dann: „Danke Mädels, dass es euch gibt.“ Würden wir dieses Gespräch gerade nicht führen, wüsste ich ehrlich gesagt gar nicht, dass am Mittwoch der Frauentag ist. Ich glaube, einen Tag zu haben, um Frauen zu zelebrieren – das kann man machen, muss man aber nicht. Ich finde, dass man jeden Menschen an jedem Tag wertschätzen sollte. Hier extra etwas zu schenken oder was für mich zu unternehmen, weil zufällig gerade Frauentag ist – das brauche ich nicht. Das kann man ja an jedem Tag genauso machen, wenn man einfach Lust drauf hat. Für das Thema Gleichberechtigung ist es aber sicher gut, wenn es einen Tag gibt, um drauf aufmerksam zu machen. Ob das jetzt unbedingt was bringt, ist eine andere Frage.

Elke Theuerkorn (72), Rentnerin und aktiv im Senioren-Selbsthilfe-Verein Torgau

Für mich privat spielt der Internationale Frauentag keine große Rolle. Früher gab es von meinen Kindern hin und wieder mal einen Blumenstrauß, doch die Kinder haben sich in den zurückliegenden Jahren mehr dem Muttertag zugewandt und da bekomme ich Grüße und ein Blümchen. Zur DDR-Zeit wurde dem Frauentag mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Als Frau ist es schon schön und ich denke, sie fühlen sich ganz gut damit, dass ihnen am Frauentag ein Stück weit Aufmerksamkeit zugutekommt. Aber daraus nun gleich einen Feiertag in Sachsen zu machen, wie in Mecklenburg-Vorpommern oder Berlin, dafür bin ich nicht, denn wir haben mit dem Buß- und Bettag in Sachsen ja schon einen Feiertag mehr. Bei uns im Verein Senioren-Selbsthilfe treffen wir uns am Mittwoch zu einer Kaffeerunde und werden gemeinsam den Frauentag ein wenig feiern. Die Frauen freuen sich schon, werden sicherlich in Erinnerung an die früheren Frauentagsfeiern zur DDR-Zeit schwelgen. Und die Männer werden uns am Mittwoch gut umsorgen.

Denise Horn (35), Vermögensberaterin aus dem Oschatzer Ortsteil Thalheim und Leiterin eines Lebenshofes für Rinder

Ich finde es schön, wenn am Frauentag an mich gedacht wird. Aber ich habe gelernt, dass weder ein Tag noch eine Geste mir meinen Selbstwert gibt. Ich finde, wir sollten aufhören, Dinge zu beurteilen, die typisch Mann oder typisch Frau sind. Ich leite einen Lebenshof für Rinder. In vielen Augen sicher typisch Mann! Na und! Ich lasse mir keine Grenzen auferlegen! Jeder sollte den Weg gehen, für den das Herz brennt. Möchte die Frau gern Elektrikerin sein oder der Mann Kosmetiker, go for it! Nur wer bereit ist, Grenzen zu sprengen, wird glücklich sein. Gleichberechtigung war mir bei der Berufswahl besonders wichtig. Ich habe ein Unternehmen gewählt, wo Gleichberechtigung herrscht und jedes Geschlecht aufgrund von Leistungen dieselben Aufstiegschancen hat. Der Frauentag hat für mich aber eine besondere Bedeutung. Ich wohne in einem Mehrgenerationenhaus und mein Großvater gehört zur „alten Schule“ und schenkt jeder Frau im Haus eine Blume. Das ist eine tolle Tradition. Ich werde morgens mit einer Blume meines Großvaters begrüßt und gehe meinem gewohnten Tagesablauf nach. Abends werde ich dann an einem Online-Frauenzirkel teilnehmen, wo es um das Thema Selbstliebe geht.

Janett Rohnstock (38), Angestellte aus Oschatz

Wenn der Frauentag ein arbeitsfreier Feiertag wäre, dann würde ich das gut finden. Aber bitte nur für Frauen. Nein, im Ernst, ich glaube, dass der Kampf um die Gleichberechtigung der Frauen in unserer Gesellschaft immer noch ein Thema ist. Und wenn ich hören, dass bei manchen Arbeitgebern Frauen schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen, dann macht mich das wütend. Für mich ist der Frauentag nicht unbedingt der Tag, an dem die Männer Blümchen und Konfekt überreichen, sondern der Tag sollte die Gelegenheit sein, darüber nachzudenken, ob das Verhältnis zwischen Frauen und Männern in der Gesellschaft stimmt. Ich möchte an dem Tag nicht gefeiert werden wie eine Prinzessin. Ich möchte, dass nicht vergessen wird, dass es für diesen Tag einen ernsthaften Hintergrund gibt. Der Frauentag suggeriert, dass an dem Tag alles für die Frauen gemacht wird und an den restlichen 364 Tagen im Jahr ist es dann egal.


06.03.2023

Frauenhäuser am Limit: Einrichtungen durchschnittlich über 300 Tage im Jahr voll belegt

Viele Frauenhäuser laufen in Deutschland am Limit. Das zeigt eine Datenauswertung des Recherchenetzwerks Correctiv.Lokal. In einigen Bundesländern zeigt sich die Lage in der Recherche besonders kritisch.

Frauenhäuser in Deutschland sind stark überlastet. Das zeigt eine bundesweite Datenauswertung des Recherchenetzwerks Correctiv.Lokal. Im vergangenen Jahr meldeten die ausgewerteten Frauenhäuser danach im Durchschnitt an 303 Tagen an, dass sie keine Kapazitäten für weitere Aufnahmen hätten. Wurde ein Platz frei, so sei er oftmals schon nach kurzer Zeit wieder besetzt gewesen. Als besonders kritisch wird die Lage im vergangenen Jahr in Hessen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz beschrieben: Frauenhäuser seien dort durchschnittlich an neun von zehn Tagen voll ausgelastet.

Correctiv.Lokal hat im Jahr 2022 auf der Internetseite Frauenhaus-Suche.de täglich erfasst, wie oft entsprechende Einrichtungen in Deutschland belegt waren. In der Auswertung sind 200 Frauenhäuser aus 13 Bundesländern berücksichtigt worden. „Für jeden freien Platz, den wir haben, rufen pro Tag etwa vier bis fünf Frauen an. Von daher sind wir immer voll“, zitiert Correctiv.Lokal Kornelia Wagner-Kokabas aus dem Frauenhaus Bergisch-Gladbach.

Hilfesystem droht zu kollabieren

Erfährt eine Frau häusliche Gewalt, so braucht sie schnell Hilfe und Schutz – zum Beispiel in einem Frauenhaus. Doch dieser Teil des Hilfesystems drohe laut der Recherchen zu kollabieren. Das stehe im Widerspruch zur sogenannten Istanbul-Konvention, zu der sich Deutschland 2018 verpflichtete. Der Gewaltschutz für Frauen und Mädchen sollte verbessert werden. Darunter fielen auch genügend Frauenhausplätze, so Correctiv.Lokal.

„Die Frauen, die sich trennen, stoßen auf ein chronisch unterfinanziertes und schlecht ausgestattetes Unterstützungssystem“, sagt Britta Schlichting von der Zentralen Informationsstelle der Autonomen Frauenhäuser (ZIF) gegenüber Correctiv.Lokal.

Im 2021 formulierten Koalitionsvertrag seien konkrete Ziele vereinbart worden, um die Situation zu verbessern. Dort heiße es, dass die Bundesregierung eine verlässliche bundesweite Finanzierung sicherstellen werde. Das Geld solle sowohl vom Bund als auch von den Ländern kommen. Doch das sei bisher nicht umgesetzt worden. Laut Correctiv.Lokal sei das BMFSFJ vage geblieben: Die bundesgesetzliche Regelung solle noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden, habe eine Sprecherin auf Anfrage des Recherchenetzwerks mitgeteilt. Die Originaldaten und genauere Infos zur Methodik können hier eingesehen werden. https://correctiv.org/aktuelles/2023/03/06/haeusliche-gewalt-frauenhaus-platz-finden/


Zu wenig Plätze für Frauen in Not: „Wir müssen täglich Menschen abweisen“

Die autonomen Frauenhäuser streiken am 7. März. Sie fordern eine bundeseinheitliche Finanzierung der Häuser, um nicht mehr täglich Frauen abweisen zu müssen. Dazu gibt es bereits politische Pläne.

Wegen chronischer finanzieller Nöte streiken die Mitarbeiterinnen der autonomen Frauenhäuser am 7. März und protestieren vor dem Branden­burger Tor in Berlin. „Wir wollen dieses Jahr ein starkes Zeichen setzen, weil die Situation in den Frauenhäusern so prekär ist“, sagte Sylvia Haller. Sie ist eine der drei Vertreterinnen der Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser. Autonom nennen sich die Einrichtungen, weil sie nicht in kirchlicher oder karitativer Trägerschaft sind, sondern aus der Frauenbewegung der 70er-Jahre entstanden sind. Sie finanzieren sich durch öffentliche Gelder. Hauptforderung der Streikenden ist eine bundes­einheitliche Regelung der Finanzierung – und an der arbeitet die Bundesregierung sogar.

Aktuell ist die Finanzierung in jedem Bundesland anders und unterscheidet sich zum Teil sogar von Kommune zu Kommune. „Die ungünstigste Art haben wir unter anderem in Baden-Württemberg. Da gibt es eine Tagessatz­finanzierung. Das bedeutet, dass wir pro Tag und pro Kopf Geld bekommen – aber nur, wenn die Frauen einen Leistungs­­anspruch haben“, sagte Haller.

So einen Anspruch haben nur deutsche Staatsbürgerinnen, die Sozial­leistungen beziehen. Frauen mit Einkommen, Studentinnen und Rentnerinnen haben keinen, sie müssen selbst für die Leistungen aufkommen. „Uns fehlt dadurch nicht nur Geld. Auch auf politischer Ebene ist das fatal, weil die Verantwortung auf das Individuum verschoben wird. Aber Gewalterleben ist ein strukturelles Problem“, sagte Haller. Deshalb sollten Frauenhäuser unabhängig vom Einzelfall als Einrichtungen finanziert werden, so wie aktuell in Schleswig-Holstein – auch wenn dort die Höhe der Mittel nicht reiche.

Streik der Frauenhäuser: „Das geht auch an uns nicht spurlos vorbei“

Nach Angaben der Bundesregierung gibt es bundesweit insgesamt 5086 Betten in Frauenhäusern. Die Empfehlung des Europarats liegt nach der Istanbul-Konvention aber bei 21.000 Betten für Deutschland – es fehlen also etwa 16.000 Betten. „Wir müssen täglich Menschen abweisen, das geht auch an uns nicht spurlos vorbei“, sagte Haller, die in einem Frauenhaus in Heidelberg arbeitet. Es belaste die Mitarbeiterinnen, wenn die Frau keinen sicheren Ort finde. „Abgesehen davon, dass es die Frau entmutigt, gibt es auch dem gewalttätigen Partner Zeit, sich zu entschuldigen, vielleicht mit einem Blumenstrauß nach Hause zu kommen“, sagte Haller. Dann dauere es mitunter noch länger, bis die Frau wieder den Mut fasse, sich Hilfe zu suchen.

Für Frauen, die keinen sicheren Aufenthaltstitel haben, erschwert sich die Lage noch. Sie dürfen sich teilweise nur in einer bestimmten Stadt aufhalten. Dort sind sie aber nicht immer sicher, deshalb fordern die Streikenden auch „ein Ende der prekären Aufenthaltstitel“ für Geflüchtete. Das Problem von Aufenthalts­status und Wohnort spielt bei der Finanzierung eine entscheidende Rolle. Manche Bundesländer oder Kommunen geben Geld an die Frauen­häuser, machen aber zur Auflage, dass dort nur Frauen aus dem betreffenden Umkreis davon profitieren.

Bund will Frauenhäuser einheitlich finanzieren

Auf Bundesebene gibt es nun Bestrebungen, die uneinheitlichen Regelungen zu ändern. „Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem bundes­einheitlichen Rechtsrahmen für die Finanzierung von Frauenhäusern“, sagte Ulle Schauws. Sie fordert, die Istanbul-Konvention vorbehaltlos und wirksam umzusetzen. Leni Breymaier, die frauenpolitische Sprecherin der SPD, bekräftigt das: „Jede Frau und ihre Kinder haben ein Recht auf Schutz vor Gewalt. Jetzt geht es darum, diesen Rechtsanspruch praktisch umzusetzen.“ Einen niedrig­schwelligen Zugang zu Schutzräumen fordert Nicole Bauer, frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. „Dazu gehören auch barrierefreie Plätze in ausreichender Zahl“, sagte Bauer. Sie unterstützt die Streikforderung nach einem Ende der prekären Aufenthaltstitel von Bewohnerinnen und deren Kindern.

Auch die CDU/CSU-Fraktion unterstützt das Vorhaben. „Ich hoffe, dass Aktionen wie die Kundgebung dafür sorgen, dass die Bundesregierung etwas Konkretes auf den Weg bringt“, sagte die frauenpolitische Sprecherin Silvia Breher. „Dass sich die Bundesregierung auf den Weg macht, ist ein Meilen­stein in unserer 40-jährigen Geschichte“, sagte Frauenhausvertreterin Haller. Sie wünsche sich allerdings auch noch mehr Mitspracherecht der Frauenhäuser bei der Erstellung der Regelung.


Bei Angst, Gewalt und Krisen: Diese Hilfsangebote gibt es für Frauen

Ob auf dem Nachhauseweg, bei der Arbeit oder in den eigenen vier Wänden: Frauen werden nach wie vor deutlich häufiger Opfer von Gewalt als Männer. Mitunter ist schnelle Hilfe erforderlich. Doch wo gibt es sie? Ein Überblick.

Laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wird jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer und/oder sexualisierter Gewalt. Hierzulande gibt es diverse Hilfsangebote, die sich speziell an Frauen richten, die sich nicht sicher fühlen und/oder akut Hilfe benötigen.

Heimwegtelefon

Bereits seit 2013 gibt es in Deutschland das Heimwegtelefon. Hier können Menschen anrufen und sich telefonisch begleiten lassen – etwa weil sie nachts Angst haben, wenn sie alleine unterwegs sind. Dieses Angebot ist zwar auch für Männer offen, etwa 70 Prozent der Anrufenden sind allerdings Frauen.

Wer sich auf dem Heimweg unwohl fühlt, kann sonntags bis donnerstags in der Zeit von 20 bis 24 Uhr und freitags und samstags in der Zeit von 20 bis 3 Uhr das Heimwegtelefon erreichen.

Telefonnummer: (030) 12074182 (deutschlandweit)

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen

Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ stellt ein Beratungsangebot für Frauen dar, die „Gewalt erlebt haben oder noch erleben“. Frauen können sich hier anonym zu allen Formen von Gewalt beraten lassen, etwa bei häuslicher Gewalt, psychischer, physischer und sexualisierter Gewalt, Stalking, Mobbing oder Zwangsheirat.

Das Hilfetelefon wird vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) betrieben und bietet auch eine Onlineberatung und einen Sofortchat an. Das Hilfetelefon ist rund um die Uhr – auch an Wochenenden und Feiertagen – erreichbar.

Telefonnummer: (08000) 116016 (deutschlandweit)

Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe

Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe ist eine gemeinnützige Organisation von Frauen für Frauen. Nach eigenen Angaben schließen sich im Bundesverband mehr als 210 Frauennotrufe und Frauenberatungsstellen zusammen und leisten in Deutschland „den hauptsächlichen Anteil der ambulanten Beratung und Hilfestellung für weibliche Opfer von Gewalt“.

Die Beratung richtet sich an Mädchen und Frauen, die sexualisierte, körperliche oder psychische Gewalt erleben oder erlebt haben. In Lebenskrisen oder Notlagen wie Schwangerschaftskonflikten, Essstörungen oder finanziellen Notlagen können Mädchen und Frauen sich kostenfrei und anonym vom Bundesverband beraten lassen.

Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe bietet eine Suchfunktion auf der Website an, über die Beratungsstellen in der Nähe gefunden werden können.

Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung

Zwei von drei Frauen erleben in ihrem Leben sexuelle Belästigung, jede siebte Frau wird Opfer schwerer sexualisierter Gewalt, heißt es beim BMFSFJ. Das Modellprojekt „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ bietet Frauen nach einer Vergewaltigung vertrauliche Hilfe und wird von der Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt organisiert. Dieses Angebot beschränkt sich bislang auf die Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Sachsen – soll aber weiter ausgebaut werden.

„Eine Vergewaltigung ist ein medizinischer Notfall“, heißt es auf den Seiten der Soforthilfe. Das Ziel des Modells ist es, den vergewaltigten Frauen zu einer guten medizinischen Versorgung zu verhelfen. Wichtig: Eine Anzeige erfolgt nicht automatisch, weder durch ein Krankenhaus, eine Praxis noch eine Beratungsstelle. Auf Wunsch können die Befunde allerdings gesichert werden, um diese später für eine Anzeige zu nutzen. Der Website sind nicht nur die teilnehmenden Kliniken und Beratungsstellen zu entnehmen. Den Opfern werden ebenfalls wichtige Schritte erklärt, die sie – wenn möglich – nach der Tat einhalten sollten.

Direkt zu den Handlungsempfehlungen für Opfer von Vergewaltigungen.

Verein Frauenhauskoordinierung

Frauenhäuser und Fachberatungsstellen bieten Frauen Schutz vor Gewalt. Hier werden den Frauen Beratungen und begleitende Angebote empfohlen, die ihnen helfen, die erlebte Gewalt zu verarbeiten und neue Lebensperspektiven zu entwickeln.

Über den Verein Frauenhauskoordinierung können Frauen einen freien Platz in einem Frauenhaus suchen – die Informationen sind in elf Sprachen erhältlich. Hier kann nicht nur in einem bestimmten Bundesland oder Ort nach einem freien Platz in einem Frauenhaus gesucht werden. Auch die Sprache der Mitarbeitenden lässt sich auswählen. Ebenso kann nach möglichst barrierefreien Einrichtungen oder nach bestimmten Zusatzmerkmalen gesucht werden – wie etwa der Aufnahme von älteren Söhnen oder Haustieren.

Hier geht es direkt zur Suche nach einem freien Platz in einem Frauenhaus.

Bundesverband feministischer Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungstrainerinnen

Selbstverteidigung ist eine wirksame Gewaltprävention für Frauen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die vom Europäischen Parlament in Auftrag gegeben wurde. Der Bundesverband feministischer Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungstrainerinnen (BV FeSt) fördert daher die Verbreitung von feministischen Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskursen.

Frauen können laut dem BV FeSt in den Kursen lernen, frühzeitig aktiv zu handeln, sodass ein Ausbrechen von offener Gewalt möglichst verhindert werden kann. Der Bundesverband bietet eine Auflistung sämtlicher Trainerinnen in Deutschland, die entsprechende Kurse anbieten.

Weißer Ring

Der Weiße Ring wurde bereits im Jahr 1976 gegründet und gilt als „Gemeinnütziger Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten e. V.“. Opfer von Kriminalität erhalten beim Weißen Ring schnelle und direkte Hilfe – dazu zählt nach eigenen Angaben menschlicher Beistand und persönliche Betreuung, Begleitung zu Terminen (etwa bei Polizei und Gericht), Gewährung von Rechtsschutz sowie finanzielle Unterstützung von tatbedingten Notlagen.

Der Weiße Ring verfügt bundesweit über Außenstellen in 18 Landesverbänden – über eine Suche auf der Website lässt sich die nächste Außenstelle finden. Opfer von Kriminalität können den Weißen Ring auch über eine Onlineberatung erreichen oder am Telefon Hilfe bekommen. Das Opfertelefon ist kostenfrei, anonym und täglich von 7 bis 22 Uhr erreichbar.

Telefonnummer: 116006 (deutschlandweit)