Kaum Hinweise nach Mordversuch an Polizeibeamten in Connewitz
Für die Staatsanwaltschaft ist es versuchter Mord: In der Silvesternacht 2019/2020 wurden am Connewitzer Kreuz Polizisten massiv attackiert. Doch die Suche nach den Tätern ist bis heute erfolglos – obwohl für Zeugenhinweise eine stattliche Belohnung ausgesetzt ist.
Leipzig. Auch eine hohe Belohnung für Zeugenhinweise nutzte bisher kaum etwas: Mehr als drei Jahre nach den Ausschreitungen zum Jahreswechsel 2019/2020 im Leipziger Stadtteil Connewitz sind die schwersten Straftaten noch immer nicht aufgeklärt. Im Zusammenhang mit brutalen Angriffen auf Polizeibeamte ermitteln das sächsische Landeskriminalamt (LKA) und die Staatsanwaltschaft Leipzig wegen versuchten Mordes in zwei Fällen. Doch die Täter sind noch immer unbekannt.
In jener Silvesternacht sei es ab 0.15 Uhr am Connewitzer Kreuz zu Angriffen auf Polizisten gekommen, so das LKA. Drei Einsatzbeamte seien aus einer Gruppe von dunkel gekleideten Personen heraus mit massiver körperlicher Gewalt angegriffen und verletzt worden. „Hierbei kam es unter anderem zu Tritten gegen die Köpfe von zwei Polizeibeamten“, so das LKA. „Einer der beiden Beamten wurde so schwer verletzt, dass er operiert werden musste.“ Nach Überzeugung der Ermittler nahmen die Täter lebensgefährliche Verletzungen und auch den möglichen Tod der beiden attackierten Polizeibeamten zumindest billigend in Kauf.
Ermittlungen in insgesamt 33 Fällen
Immerhin 90.000 Euro Belohnung hatte das ermittelnde Polizeiliche Terrorismus- und Extremismus- Abwehrzentrum (PTAZ) des LKA im Juli 2021 ausgesetzt für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen. Seither habe es lediglich einen Hinweis dazu gegeben, teilte LKA-Sprecherin Kathlen Zink auf LVZ-Anfrage mit. Dabei gehen die Behörden davon aus, dass es nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen zur Situation vor Ort Zeugen geben muss, die entweder den gesamten Vorgang oder zumindest Teile davon wahrgenommen haben.
Insgesamt 33 Ermittlungsverfahren wurden nach den Silvesterkrawallen eingeleitet, so Staatsanwalt Andreas Ricken gegenüber der LVZ. Dabei geht es unter anderem um Landfriedensbruch und tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte. 26 Verfahren richten sich gegen bekannte Tatverdächtige, wobei in zwei Fällen gegen denselben Beschuldigten ermittelt wird. In 20 Fällen führte das zur Anklageerhebung.
Noch neun Verfahren an Gerichten anhängig
Fünf Verfahren stellte die Staatsanwaltschaft ein – hauptsächlich deshalb, weil aus Sicht der Behörde kein für die Anklage notwendiger hinreichender Tatverdacht gegeben war. Darunter war auch ein Verfahren gegen einen Polizeibeamten wegen des Tatvorwurfs der Körperverletzung im Amt. Acht Angeklagte sind inzwischen rechtskräftig verurteilt, zwei wurden freigesprochen. Ein Verfahren stellte das Gericht wegen Geringfügigkeit ein. Neun Fälle sind noch bei den Gerichten anhängig, sieben beim Amtsgericht, zwei nach erstinstanzlichen Verurteilungen in der Berufung beim Landgericht
Jene Fälle, bei denen die Täter nicht ermittelt werden konnten, sind mittlerweile überwiegend eingestellt worden. Dies betraf sechs der sieben Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt, sagte Staatsanwalt Ricken, darunter auch zwei Verfahren gegen Polizeibeamte wegen des Tatvorwurfs der Körperverletzung im Amt. Lediglich ein Verfahren mit unbekannten Tätern legen die Ermittler noch nicht ad acta: „Das Verfahren wegen versuchten Mordes ist noch nicht abgeschlossen“, stellte Ricken klar, „hier laufen die Ermittlungen noch.“
29.07.2021 LVZ
Leipzig. Mehr als eineinhalb Jahre nach den Silvester-Ausschreitungen am Connewitzer Kreuz in Leipzig sucht die Polizei immer noch nach den Tätern. Eine Belohnung von 90.000 Euro soll nun dabei helfen. Diese Summe lobt das das sächsische Landeskriminalamt (LKA) seit Donnerstag für sachdienliche Hinweise zur Identifizierung der Angreifer aus.
In der Nacht vom 31. Dezember 2019 auf den 1. Januar 2020 kam es laut Polizeiangaben ab 0.15 Uhr am Connewitzer Kreuz in Höhe der Karl-Liebknecht-Straße 167 zu Angriffen auf Polizeibeamte, bei welchen drei Einsatzkräfte aus einer Gruppe von dunkel gekleideten Personen heraus mit massiver körperlicher Gewalt angegriffen und verletzt wurden. Hierbei kam es unter anderem zu Tritten gegen die Köpfe von zwei Polizeibeamten. Einer der beiden Polizisten wurde so schwer verletzt, dass er operiert werden musste.
Ermittlungen wegen versuchten Mordes
Laut Aussage der Polizei nahmen die Täter bei ihrem Handeln lebensgefährliche Verletzungen und auch den möglichen Tod der beiden angegriffenen Beamten zumindest billigend in Kauf. Die Staatsanwaltschaft Leipzig ermittelt deshalb wegen des Verdachts des versuchten Mordes in zwei Fällen. Daran änderte auch ein Video aus besagter Silvesternacht nichts, das die Wochenzeitung „Zeit“ einige Tage nach der Tat veröffentlichte.
Täter trotz Fahndungsaufrufen noch nicht gefasst
Trotz öffentlicher Fahndungen sei es bisher noch nicht gelungen, die Schuldigen zu ergreifen, so der Sprecher des LKA Sachsen, Kay Meier. Die Belohnung sei nun „ein weiterer Schritt, um alles zu versuchen, der Täter habhaft zu werden“. Sollten mehrere Privatpersonen mit Hinweisen zur Täterermittlung beitragen, werde der Betrag nach der Bedeutung der jeweiligen Informationen aufgeteilt.
Wer Informationen zu den Tätern oder Personen aus deren Umfeld hat, die mutmaßlichen Täter vor, während oder nach der Tat beobachtet hat oder im Besitz von Video- oder Bildaufnahmen ist, auf welchen die Tat oder Hinweise auf diese abgebildet sind, der kann sich unter der Telefonnummer 0800 855-2055 an das Landeskriminalamt Sachsen wenden, oder an jede andere Polizeidienststelle.
Von Tobias Wagner
16.01.2020 LVZ
Vorwurf der Polizeigewalt: Leipziger Staatsanwaltschaft findet keine Zeugen
Nach der Silvesternacht in Leipzig-Connewitz gibt es massive Vorwürfe gegenüber der Polizei. Doch ohne konkrete Zeugenaussagen sieht die Staatsanwaltschaft kaum Chancen zur Aufklärung.
Leipzig. Gab es in der Silvesternacht in Leipzig-Connewitz tatsächlich strafrechtlich relevante Polizeigewalt? Nach der Veröffentlichung von Videos zu den Ausschreitungen am Kreuz ist die Staatsanwaltschaft bei der Recherche etwaiger Vergehen von Beamten weiterhin auf sich allein gestellt. „Wir prüfen von Amts wegen, ob aufgrund der Veröffentlichungen Anhaltspunkte vorliegen, welche den Anfangsverdacht für eine Straftat begründen können“, sagte Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz. „Dazu benötigen wir allerdings Augenzeugen und natürlich das Rohmaterial, um zu sehen, ob das bearbeitet und vollständig ist. Bisher sind ja nur Ausschnitte veröffentlicht worden.“ Allerdings: Die Bereitschaft zur Kooperation mit den Behörden liegt zumindest bisher offenbar bei Null.
Schwere Beschuldigungen, aber keine Strafanzeigen
Hintergrund der erneuten Diskussion ist eine Veröffentlichung auf dem Portal „BuzzFeed“. Die dort präsentierten undeutlichen Aufnahmen zeigen, jedenfalls nach Auffassung der Autoren, „dass eine Reihe von Menschen Opfer von Polizeigewalt geworden sind“. Um diese massiven Vorwürfe genauer zu verifizieren, hatte die Staatsanwaltschaft mutmaßliche Geschädigte dazu aufgerufen, sich zu melden. Doch knapp eine Woche nach der Veröffentlichung der Aufnahmen gibt es keinerlei Resonanz. „Bisher hat sich niemand gemeldet“, so Schulz. „Und es liegen auch keinerlei Anzeigen vor.“
Polizei kann sich gegen Vorwürfe kaum wehren
Man könne betreffende Personen nicht weitergehend befragen, habe keine konkreten Zeugenaussagen und sei daher in den Möglichkeiten, umfangreich und objektiv zu ermitteln, sehr eingeschränkt, so der Behördensprecher. „Die Behauptungen stehen im Raum, aber mit den uns zur Verfügung stehenden strafprozessualen Mitteln ist es momentan nur bedingt oder gar nicht möglich, diese Sachverhalte weiter aufzuklären. Es ist sehr schwierig, Ermittlungen gegen unbekannte Polizeibeamte zum Nachteil unbekannter Personen zu führen, wenn man nicht halbwegs Anhaltspunkte hat, in welchem Zusammenhang sich das ereignet haben soll.“ Dabei sei es ja im Interesse aller, dass es aufgeklärt wird, erklärte der Oberstaatsanwalt. „Im Interesse möglicher Geschädigter, aber auch der Polizei, die sich bisher gegen diese Behauptungen kaum wehren kann.“ Eine sachgerechte weitergehende Prüfung sei bisher nur in den wenigen Fällen möglich, in denen es Hinweise darauf gibt, dass die betroffene Person durch die Polizei festgenommen wurde, da dort die Daten vorliegen. Auf die Mehrzahl der veröffentlichten Zeugenschilderungen treffe dies jedoch nicht zu.
Anfangsverdacht wird geprüft
Die Prüfung eines Anfangsverdachts ist die Vorstufe für die etwaige Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Ein solcher Verdacht liegt vor, wenn Indizien für eine Straftat festgestellt werden – im Unterschied zu einer bloßen Vermutung, welche keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich zieht. Sofern die Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht bejaht und „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat“ sieht, wie es in der Strafprozessordnung heißt, muss ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden.
Keine Zeugen zu versuchtem Mord
So wie hinsichtlich der Angriffe auf Polizeibeamte: Ein Mann wurde am 10. Januar in einem beschleunigten Verfahren zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe sowie zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Der Straßenkünstler (27) hatte gestanden, am Neujahrsmorgen einem Gruppenführer der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit, der am Connewitzer Kreuz zu einem Einsatz rannte, ein Bein gestellt zu haben. Darüber hinaus laufen gegenwärtig Ermittlungsverfahren gegen elf Tatverdächtige wegen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, wobei drei Beschuldigte (29, 30, 32) in Untersuchungshaft kamen. Gegen drei weitere Beschuldigte wird zudem wegen des Anfangsverdachts des Landfriedensbruchs ermittelt. Vor allem läuft nach dem brutalen Angriff auf einen Polizisten (38) weiterhin das Verfahren wegen versuchten Mordes. Konkrete Tatverdächtige gibt es bislang nicht. Oberstaatsanwalt Schulz: „Auch hier brachte unser Zeugenaufruf vom 2. Januar bisher keinerlei Reaktion, obwohl es nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen zur Situation vor Ort Zeugen geben muss, die entweder den gesamten Vorgang oder zumindest Teile davon wahrgenommen haben.“
Von Frank Döring