Zwei Kader der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ gründen in Chemnitz Firma für Immobilienkauf

Sachsens Verfassungsschutz hat die jüngsten Aktionen der Rechtsextremen im Blick und warnt vor überregionaler Vernetzung. Firmengründer Vincenzo Richter äußert sich nicht zu Vorhaben, doch gibt es Beispielprojekte.

Eine reine Briefkastenfirma ist die „T & R Chemnitz Immobilien UG“ offenbar nicht. Ihre Firmenadresse in einem Chemnitzer Villenviertel deckt sich mit der privaten Adresse von Vincenzo Richter. Als Mitgründer der Firma und Geschäftsführer steuert er das R der „T& R“ Immobiliengesellschaft bei. Das T steht derweil für den laut Handelsregister anderen Geschäftsführer Philip Thaler. Beobachter der rechtsextremen Szene stellen bei den beiden Namen die Lauscher auf.

Beide gehören der „Identitären Bewegung“ (IB) an, die 2012 von Frankreich (dort Bloc Indentitaire) nach Deutschland und in andere europäische Länder schwappte. Sie sucht rassistische Denkweisen zeitgeistmäßig neu zu verpacken: Aus Rassismus wird „Ethnopluralismus“, statt biologischer Kriterien fußt die Ideologie der Ungleichheit bei der IB auf Kulturkreisen.

Als was sich die Identitäre Bewegung versteht, wird durch Symbolik klar. Ihr Emblem, der griechische Buchstabe Lambda, ziert im Hollywoodstreifen „300“ die Schilde von 300 griechischen Kämpfern, die sich der übermächtigen persischen Armee des Königs Xerxes entgegenstellen. Diese im Kern historische, aber filmisch sehr frei adaptierte Schlacht bei den Thermopylen bildet ein Gleichnis. Die Identitären sehen sich als letzte Kämpfer für die vom Islam bedrohte abendländische Kultur. Die Erlebnisorientierung ihrer Aktionen schaute sich die Bewegung bei Umweltaktivisten früherer Jahrzehnte ab. Im Jahr 2016 gelang es IB-Aktivisten, aufs Brandenburger Tor zu gelangen und dort Banner auszurollen. Solche Spektakel zielen besonders auf ein junges Publikum ab.

Die Identitäre Bewegung wird als rechtsextrem eingestuft. 2014 machten „Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen Schutzgüter der freiheitlich demokratischen Grundordnung“ die IB zunächst in Brandenburg zu einem Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Die Bundesländer Berlin, Hessen, Baden-Württemberg, Bremen, Thüringen, Niedersachsen, Bayern und schließlich Sachsen folgten dem Beispiel. Während das Landesamt für Verfassungsschutz den Identitären im Freistaat laut dem 2021er-Verfassungsschutzbericht zwar nur 50 Anhänger zuordnet, sieht er die IB im Bereich der „Neuen Rechten“ dennoch als zentralen Pfeiler.

„Die Identitäre Bewegung wie auch Pegida werden von zentraler Bedeutung sein.“ Bei der IB gingen Aktivitäten „weiterhin von regionalen Untergruppen“ aus, „wobei diese auf die Initiative von Einzelpersonen angewiesen sind“, schätzen die Verfassungsschützer ein. Während der eine Gründer der Chemnitzer Immobilienfirma, Philip Thaler, zum Bundesvorstand der IB zählt, leitet Vincenzo Richter die Chemnitzer Ortsgruppe.

Sachsens Verfassungsschutz ist die aktuelle Firmengründung nicht entgangen, wie Sprecherin Patricia Vernhold der „Freien Presse“ mitteilt. Ihre Einschätzung: „Grundsätzlich spielen Immobilien – ob gekauft oder gemietet – eine wichtige Rolle für Extremisten. Entsprechende, jederzeit für Rechtsextremisten zugängliche Objekte dienen einerseits szeneintern und anlassbezogen als Veranstaltungsorte (z. B. für Konzerte, Liederabende, Zeitzeugenvorträge oder Kampfsport) oder beispielsweise als feste Anlaufstelle für Mitglieder.“ In den Objekten sei die verfassungsfeindliche Ideologie sozusagen „im geschützten Raum“ auszuleben. Die Immobilien dienten durch Veranstaltungen dem „Szenezusammenhalt“ wie auch überregionaler Vernetzung.

Vincenzo Richter möchte sich auf Anfrage der „Freien Presse“ derzeit nicht zu Firmengründung und Unternehmenszweck äußern. „An- und Verkauf von Immobilien und deren Vermietung und Verwaltung; Beratung in- und ausländischer Unternehmen, insbesondere auf den Gebieten Management, Marketing und Controlling“, hält das Handelsregister als Gegenstand des Unternehmens fest. „Wenn wir dazu etwas mitzuteilen haben, melden wird uns von unserer Seite aus“, blockt Richter auf Telefonanfrage ab.

Eine Ahnung, was sich wohl hinter den Plänen verbirgt, lässt indes das „Schanze eins“-Projekt in Rostock zu. An dessen Gründung und Aktionen ist zumindest der Chemnitzer Firmenmitbegründer Philip Thaler ebenfalls beteiligt. Auf der eigenen Webseite der „Schanze eins“ wird der „Antrieb“ des Projekts geschildert. Als Erfolge präsentiert man zwei „Konservative Zentren“, de facto Szenetreffs mit Schaltzentralen-Charakter, eines in Rostock und eines im österreichischen Linz. Außerdem verweisen die Macher um Philip Thaler auf rund 600 IB-Aktionen der letzten Jahre. Einige seien gescheitert „oder wurden von der breiten Öffentlichkeit nicht rezipiert, viele andere hingegen haben sich tief ins Gedächtnis eingebrannt und nicht nur den gedanklichen Spielraum, sondern auch das Sagbare weiter ins Patriotische verschoben“, heißt es da.

Und weiter: „Doch ewig ausschließlich Bilder zu produzieren, kann nicht unser Ziel sein.“ Schanze Eins“ sei ein „patriotisches Großprojekt“ das „erfolgversprechende Investitionsmöglichkeiten“ biete. Es ziele auf eine Gegenkultur in Deutschland ab. Ob erfolgversprechende Investmentoptionen auch bei der Chemnitzer Firmengründung zum Tragen kommen, etwa durch die dort genannte „Beratung in- und ausländischer Unternehmen“, das ist bisher unklar.


Schutzräume für Extremisten

Von Jens Eumann über die Immobilienerwerbspläne der Identitären

In Chemnitz hat zumindest jener Teil der rechtsextremen Szene bereits ein Domizil, der sich um Rechtsanwalt Martin Kohlmann schart. Dieser hat den Vorsitz der Freien Sachsen inne. In der Partei sammeln sich Protestler vieler Couleur. Bewusst hatte die Partei zur Gründung sogar Doppelmitgliedschaften in mehreren Parteien akzeptiert. Motto: Nationale und Protestler anderer Lager vereinigt Euch! Schon 2018 hatte der rechtsextreme Rechtsanwalt sein Kanzleigebäude im Chemnitzer Zentrum zum Szenetreff gemacht. Seine ebenfalls rechtsextreme Wählervereinigung Pro Chemnitz gab Anleitungen für Bürgerwehrpatrouillen.

Wenn mit der in Chemnitz bisher wenig aktiven Identitären Bewegung jetzt ein weiterer Akteur um Immobilien für die Szene ringt, sollten bei demokratischen Kräften Alarmglocken schrillen. Solche Zentren, wie sie das Rostocker Schanze-eins-Projekt der Identitären Bewegung propagiert, entwickeln sich schnell zu Hochburgen. Nicht allein mit Veranstaltungen wie jenen Zeitzeugenvorträgen, bei denen Altnazis als Referenten zwar inzwischen aussterben, Neonazis der ersten Stunde aus den alten Bundesländern aber hoch im Kurs stehen.

In solch nationalen Zentren planen Rechtsextreme auch die von Greenpeace und Co. abgeschauten Aktionen. Actionspaß, der junge Leute ansprechen und mitreißen soll. Die Szene hat dazugelernt. Zum einen ist sie bemüht, ewig gestrigem Denken einen neuen Anstrich zu geben. Zum anderen gießt sie dieses Denken in „hippe“ Protestformen, die es vormals nur bei politischen Gegnern gab. Die eigenen vier Wände bieten dafür geschützten Raum.