Gegenprotest in Leipzig – Wenn das Kind im Polizeikessel sitzt
Bei linken Protesten oder Straßenblockaden in Leipzig sind immer öfter Minderjährige dabei. Eltern sind besorgt und die Polizei hofft auf einen Dialog.
Leipzig. Auf dem Willy-Brandt-Platz herrscht gute Stimmung: Es läuft laute Musik, eine Konfetti-Kanone wird gezündet, jemand wirft Knallerbsen – was wie eine spontane Party wirkt, ist eigentlich eine Kundgebung. Versammelt haben sich viele Schüler, ein Großteil der Teilnehmer ist noch nicht volljährig, sie eint ein gemeinsamer Gegner.
Es ist Montag und wie jede Woche zieht „Leipzig steht auf“ durch die Stadt. Die Demonstranten sehen sich selbst als Friedensbewegte. Für die jungen Menschen, die sich auf dem Willy-Brandt-Platz versammelt haben, sind sie Nazis oder zumindest „Verschwörungsgläubige“, die Nazis in ihren Reihen dulden. Da prallen die Sichtweisen seit Wochen regelmäßig aufeinander. Als die ersten Teilnehmer von „Leipzig steht auf“ vorbeiziehen, schlägt die gute Stimmung neben der Konfetti-Kanone schlagartig um. Mittelfinger werden in die Höhe gereckt, Gebrüll ist zu hören.
Dazwischen steht die Polizei.
Die Mutter will ihren Sohn unterstützen, hat aber auch Angst
Es sind etwa 50 Menschen, die sich an diesem Abend auf dem Willy-Brandt-Platz versammelt haben. Sie tragen schwarze Hosen, schwarze Jacken. Schals und FFP2-Masken verdecken Mund und Nase, die Mützen sind tief ins Gesicht gezogen. Gegenproteste, ein schwarzer Block, Rangeleien mit Beamten – in Leipzig ist das nichts Neues. Auffällig ist jedoch das Alter der Vermummten. Manche sind 15 oder noch viel jünger. Sicherheitsbehörden, aber auch linke Initiativen beobachten schon länger, dass bei Demonstrationen immer häufiger Minderjährige mitmachen. Und sie stehen nicht einfach nur am Rand – sie setzen sich auf die Straße, wollen Demonstrationen stoppen. Sie geraten in Auseinandersetzungen. Mit Rechtsextremen, mit der Polizei. Und besorgte Eltern fragen sich, was das mit ihren Kindern macht.
Am Rand der Kundgebung steht Gabi. Sie hat schon in den Neunzigern gegen Rechtsextreme protestiert, später gegen Legida und Querdenken – jetzt ist sie wegen ihrem 17-jährigen Sohn hier. Gabi will ihn schützen, deswegen sollen die Namen der beiden nicht in der Zeitung stehen. Robert liest die Auflagen für die Kundgebung vor, geht mit der Spendenbox rum. „Ich will den Nazis nicht die Straße überlassen“, sagt Robert. Er ist fast jede Woche unterwegs, in Leipzig – oder wo sonst seine Unterstützung gebraucht wird. Vor ein paar Wochen war Robert bei einer Demonstration in Zwickau. Manchmal ist auch sein 15-jähriger Bruder dabei. „Ich verstehe nicht, warum derzeit nur die Jungen auf die Straße gehen – das sollte doch alle etwas angehen.“