Corona-Spaziergang – Polizist wird wegen Tritt in Wurzen zu achtmonatiger Bewährungsstrafe verurteilt

Für seinen Tritt gegen einen Teilnehmer eines sogenannten „Corona-Spaziergangs“ in Wurzen im Mai des vergangenen Jahres wurde am Mittwoch ein Beamter der Polizeidirektion Leipzig am Amtsgericht Grimma wegen einer gefährlichen Körperverletzung im Amt zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe und zum Zahlen von 3000 Euro verurteilt.

Grimma/Wurzen. Die am Mittwochmittag im Sitzungssaal 202 des Grimmaer Amtsgerichtes gehaltenen Plädoyers im Verfahren gegen den Polizeibeamten Florian W. hätten inhaltlich nicht weiter auseinander liegen können.

Während es die Staatsanwaltschaft für erwiesen hält, dass W. am 10. Mai des Vorjahres gegenüber einem Teilnehmer eines Wurzener „Corona-Spaziergangs“ eine mit einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe zu ahndende gefährliche Körperverletzung begangen habe, forderte dessen Verteidiger einen Freispruch.

Verteidiger: Freispruch „aus voller Überzeugung“

Und zwar, wie es der hallesche Rechtsanwalt Johann Christoph Schaar formulierte, „aus voller Überzeugung“. Dass Amtsgerichts-Richter Weimann mit seinem Urteil weitgehend der Staatsanwaltschaft folgen würde, dürfte für keinen Beobachter des Prozesses eine wirkliche Überraschung gewesen sein.

Weimann reduzierte lediglich die von der Staatsanwaltschaft geforderten zehn, um zwei Monate, weil er den zweiten Tatvorwurf der falschen Verdächtigung als nicht zu erhärten sieht. Dass der, in mehreren Videomitschnitten belegte Tritt des Florian W. gegen den Körper des Geschädigten allerdings nicht nur als eine Körperverletzung im Amt, sondern, weil mit Polizeistiefeln begangen, sogar als eine der schwereren Art zu bewerten sei, daran ließ der Grimmaer Amtsgerichts-Richter keinen Zweifel.

Richter rügt Uneinsichtigkeit des Angeklagten

Und Weimann verhehlte auch nicht, dass er sogar ein noch höheres Strafmaß in Erwägung gezogen hatte, sich aber im Ergebnis des wortreichen Plädoyers der Verteidigung anders besonnen hätte. „Polizisten sind auch nur Menschen, und es war sicherlich ein Scheiß-Einsatz damals in Wurzen“, so Weimann in seiner Urteilsbegründung. Und dass einem Beamten im Dienst in bestimmten Fällen die Sicherung durchbrenne, könne sicherlich auch vorkommen.

„Aber ich habe kein Verständnis dafür, wenn ein Polizist, der sich diese spezielle Tat im Nachgang in einer Videosequenz angeschaut hat, danach weiterhin für sich in Anspruch nimmt, nichts falsch gemacht zu haben“, so der Amtsgerichts-Richter.

Weimann: „Polizeidirektion hat massives Problem“

„Einen solchen Polizisten will ich nicht im Dienst sehen.“ Und Weimann schloss in seine Kritik gleich die gesamte Dienststelle des Verurteilten mit ein. „Wenn die Polizeidirektion Leipzig tatsächlich nicht dienstrechtlich gegen ihren Beamten im Nachgang dieser Tat vorgegangen sein sollte, dann hat sie aus meiner Sicht ein massives Problem.“

Weimann lag insbesondere mit der Einschätzung von W.s Verteidiger quer, dessen Mandant haben lediglich „seinen Job gemacht“. Schaar zufolge schreibt das Gesetz nicht zwingend den Einsatz des mildesten Mittels vor, sondern spreche vielmehr dem zweckmäßigsten das Wort. „Darin irren Sie, Herr Verteidiger“, hielt Weimann diesem entgegen. „Es geht um die Verhältnismäßigkeit. Und als verhältnismäßig ist dasjenige Mittel anzusehen, welches mit einer geringmöglichen Intervention die gleiche Wirkung erzielt“, so der Richter.

Richter sieht keine Bedrohungssituation

Das, was er auf den diversen Videomitschnitten im Zusammenhang mit W.s Reaktion erkenne, erachte er in jedem Fall als nicht verhältnismäßig. „Der Angeklagte entfernt sich vor seinem Tritt zwei Schritte von dem Geschädigten, der ihm nicht folgt und somit aus meiner Sicht auch keine konkrete Bedrohung darstellt“, so Weimann weiter. Ob der Tritt mutwillig oder nicht die Bauchpartie der Person traf, obgleich er eigentlich der, einen Zollstock haltenden Hand galt, sei irrelevant.

Neben weiteren am damaligen Tatort anwesenden Polizeibeamten trat am zweiten Verhandlungstag unter anderem ein Polizei-Ausbilder in den Zeugenstand. Dieser stützte die Argumentation der Verteidigung, wonach ein Polizist grundsätzlich auch präventiv mit körperlicher Gewalt gegen eine Person vorgehen könne, wenn er diese als bedrohlich einschätzt. Auch sei ein Videomitschnitt und dessen nachträgliche Bewertung das eine, die Einschätzung einer Situation vor Ort in Sekunden oder gar in Bruchteilen einer Sekunde, eine ganz andere.

Bewährungs- und 3000 Euro Geldstrafe

Auf Richter Weimann blieben diese Ausführungen indes ohne nennenswerte Wirkung. Neben der Bewährungsstrafe folgte er der Staatsanwaltschaft zudem mit der Verhängung einer Geldstrafe gegenüber W. in Höhe von 3000 Euro, die an einen im Bereich Kinderschutz engagierten Verein zu zahlen ist. Die Verteidigung kündigte indes bereits im Gerichtssaal an, gegen das Urteil in Widerspruch gehen zu wollen.