Angeklagte verteidigen Hausbesetzung in Leipziger Ludwigstraße
Im Prozess um eine illegale Hausbesetzung vor zwei Jahren in der Leipziger Ludwigstraße haben die Angeklagten ihre Tat verteidigt. Eine Geldstrafe per Strafbefehl wollen sie nicht akzeptieren.
Sie fühlen sich im Recht und wollen die Strafe nicht akzeptieren: Zwei Leipziger, die laut Anklage im Jahr 2020 ein leerstehendes Haus in der Ludwigstraße 71 im Stadtteil Volkmarsdorf besetzt hatten, mussten am Dienstag wegen Hausfriedensbruchs vor das Amtsgericht. Auf das erzwungene Ende der Besetzung nach knapp zwei Wochen am 2. September und ähnliche Aktionen wenig später in Connewitz hatte die linke Szene mit wiederholten schweren Krawallen reagiert. Bundesweit war aus diesem Anlass über gewaltbereite Linksextreme debattiert worden.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagten am 21. August 2020 widerrechtlich in das Gebäude eingedrungen waren und beantragte gegen beide jeweils einen Strafbefehl. Doch die verhängten Geldstrafen wollten Lisa H. (27) und Joris J. (23) nicht zahlen. Sie legten daher Einspruch ein und streben einen Freispruch an. Dass ihr Fall nunmehr in öffentlicher Hauptverhandlung behandelt wird, kam ihnen offensichtlich nicht ganz ungelegen.
Bei ihrer Erklärung zum Tatvorwurf bedienten sie sich eines vor Gericht eher unüblichen dramaturgischen Kniffs und trugen ihre Einlassungen abwechselnd vor. Man habe das Haus vor dem Verfall schützen wollen, sagten sie. Neben kollektiven Wohnräumen seien Projektwerkstätten, Probenräume für Bands und ein Schulgarten geplant gewesen. Zunächst aber sorgten die Hausbesetzer für massiven Eigenschutz und verbarrikadierten das Gebäude umfassend, wie sich Polizeibeamte vor Gericht erinnerten. Man habe sicher sein wollen vor Leistungsansprüchen und Zwängen der Gesellschaft, betonten Lisa H. und Joris J. „Freiräume zu schaffen, ist kein Verbrechen“, erklärten sie unter dem Applaus der anwesenden Unterstützerszene. Etwaige Nachfragen wiesen sie von Vornherein ab.
Pläne für ruinöses Gebäude ad acta gelegt
Umso mehr Fragen musste Hauseigentümer Udo H. (58) beantworten, der damals Anzeige erstattet hatte. Die Verteidiger Rita Belter und Christian Mucha wollten von dem Inhaber einer Firma mit 17 Mitarbeitern wissen, wann er zuletzt in dem Haus war, warum er nicht mit den Besetzern gesprochen hat, wieso er sich bedroht fühlte. 2017 habe er das damals schon ruinöse Gebäude erworben, berichtete H., um Platz für seine Firma, einen Konzertraum für junge Musiker und ein kleines Geschäft zu schaffen. Es habe Gespräche mit der Stadt gegeben, ein Architekt sei beauftragt worden. Doch weil sich Lebensumstände änderten, habe er diese Pläne vor etwa drei Jahren ad acta gelegt. Er überlege noch, was mit dem 1875 errichteten Haus nun geschehen soll. Durch die Hausbesetzung sei das Vorhaben unattraktiver geworden.
Ob er denn schon mal darüber nachgedacht habe, das Haus als Flüchtlingsunterkunft zur Verfügung zu stellen, fragte Belter. „Das ist doch so baufällig und vermüllt, wer will denn da drin wohnen?“, entgegnete der Eigentümer. Das Haus stelle eine Gefahr dar für Leute, die sich darin aufhalten, Treppen und Decken seine teilweise einsturzgefährdet. Auch die Polizei hatte damals berichtet, dass bei der Durchsuchung des besetzten Hauses Einsatzkräfte der Feuerwehr beteiligt waren. Sie sollten in jene Etagen vordringen, die aufgrund eines maroden Treppenhauses nicht sofort erreichbar waren. H. sagte, wegen des baulich schlechten Zustands sei das Gebäude auch verschlossen gewesen – ein Umstand, den die Angeklagten bestreiten. Er habe ja kein Problem damit, dass solche Häuser umgenutzt werden, stellte H. klar. „Aber ich lasse mich nicht gern erpressen.“
„Ich will ihn nicht gefährden“
Er tat sich auch sehr schwer, den Kontakt zu einem Beauftragten herauszugeben, der sich in seinem Auftrag um das Haus kümmert. Udo H. verwies auf Anschläge auf Bau- und Immobilienfirmen in Leipzig, auf Attacken gegen Mitarbeiter. „Ich will ihn nicht gefährden.“ Unter Ausschluss der Öffentlichkeit gab er dem Gericht schließlich einen Zettel mit Kontaktdaten des Mannes, der für das Gericht als Zeuge in Frage kommt. Da bereits geladene Zeugen sich krank gemeldet hatten, beriet das Gericht am späten Nachmittag mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung über einen Termin zur Prozessfortsetzung. Auf das Ansinnen der Verteidigung, das Verfahren einzustellen, wollte die Staatsanwaltschaft nicht eingehen.
Lisa H. und Joris J. sind die einzigen Angeklagten im Fall Ludwigstraße 71. Zwar konnten im Zusammenhang mit der Hausdurchsuchung am 2. September 2020 insgesamt vier Personen festgestellt werden, jedoch schieden zwei von ihnen von Vornherein als Tatverdächtige aus.