Notruf aus Sachsens Polizei: Stellenzuwachs droht am Geld zu scheitern
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) hat mehr Bürgernähe und Präsenz der Polizei versprochen. Doch der geplante Stellenzuwachs könnte auf unbestimmte Zeit verschoben werden.
Die Rechnung ist relativ einfach: Will Sachsen die Vorgaben der Polizei-Fachkommission und das Stellenziel von Innenminister Armin Schuster (CDU) erfüllen, müsste der Freistaat in den nächsten Jahren klotzen – und nicht kleckern, wie es aktuell der Haushaltsentwurf vorsieht.
Die ausgegebene Marke lautet 14.917 Bedienstete, womit sowohl Polizisten als auch Verwaltungsangestellte gemeint sind. Derzeit klafft allerdings eine Lücke von mehr als 900 Stellen, um dieses Vorhaben in die Realität umsetzen zu können. Laut den Haushaltsplanungen soll es sogar eine Reduzierung der Ausbildungsplätze geben.
Innenminister will mehr Polizei auf die Straße bringen
Deshalb räumt das Innenministerium auf LVZ-Nachfrage ein: „Wir bitten um Verständnis, dass wir an der Stelle keine Prognose abgeben.“ Mit den momentan für 2023 und 2024 geplanten Einstellungszahlen gehe „eine Stellenmehrung nicht einher“, heißt es weiter – „es handelt sich eher allenfalls um eine Auffüllung der bereits vorhandenen Stellen“. Schuster hatte im Frühsommer erklärt: „Für mich gilt der Bericht der Fachkommission. Der empfiehlt einen weiteren Stellenaufwuchs bei der Polizei.“ Zudem sprach sich der Innenminister für mehr Bürgerpolizisten und mehr Präsenz auf der Straße aus, insbesondere auf dem Land.
Aufstockung verläuft schon seit Jahren schleppend
Tatsächlich ist die Aufstockung schon in den vergangenen fünf Jahren nur sukzessive verlaufen: Im Vergleich zu 2017 verzeichnet das Innenministerium ein Plus von 745 Polizistinnen und Polizisten. Den größten Zuwachs gibt es im Bereich der Polizeidirektion Leipzig mit gut 200 zusätzlichen Beamtinnen und Beamten, Dresden folgt mit rund 100. Dagegen bekommen die Polizeidirektionen Zwickau und Görlitz lediglich 40 beziehungsweise 30 ab. Darüber hinaus gibt es im Landeskriminalamt auf dem Papier zwar eine Erhöhung – doch 86 der zusätzlich 151 Stellen sind nicht besetzt.
Versprochenes Stellenplus könnte in weite Ferne rücken
Damit ist auch klar: Aufgrund der aktuell veranschlagten Einstellungszahlen und der parallel steigenden Altersabgänge würde es geschätzt mindestens sieben bis acht Jahre dauern, um die versprochene Aufstockung umsetzen zu können. Deshalb hat die Gewerkschaft der Polizei (GdP) jetzt zu einem ungewöhnlichen Mittel gegriffen, um auf die hohe Belastung der Polizistinnen und Polizisten aufmerksam zu machen: Alle Landtagsabgeordneten der Regierungsfraktionen CDU, Grüne und SPD erhielten Post – und sollen bis diesen Freitag schriftlich erklären, wie sie zu den Zielmarken und Haushaltsansätzen stehen.
Gewerkschaften warnen vor Schließung der Leipziger Polizeischule
„Es müssen endlich die sachlichen Notwendigkeiten in den Blick genommen werden. Das Denken in Haushaltsjahren ist kreuzgefährlich“, sagt GdP-Landeschef Jan Krumlovsky. Sollte sich am Etat nichts ändern, würde im Endeffekt auf einen Abbau zugesteuert. „Das Schizophrene ist, dass man in dieser Not über die Reduzierung der Polizeifachschulen nachdenkt“, kritisiert Krumlovsky – also dass dort gestrichen werden solle, wo der dringend benötigte Nachwuchs für die Reviere und die Streifen ausgebildet wird.
GdP-Landeschef fordert Moratorium für Ausbildungsplätze
Laut Innenministerium sind in den beiden kommenden Jahren nur noch 500 beziehungsweise 450 Ausbildungsplätze vorgesehen, davon entfallen lediglich 350 beziehungsweise 300 auf die Polizeifachschulen. Sollte es dabei bleiben, müsste die Leipziger Schule mangels Nachwuchs notgedrungen schließen. „Wir fordern ein Moratorium, wenigstens den Status Quo mit mindestens 600 bis 700 Plätzen beizubehalten“, macht Krumlovsky klar. Die Fachkommission zur Evaluierung der Polizei hatte schon 2020 festgestellt, dass der Freistaat weiterhin jedes Jahr 700 Bewerber für den Polizeidienst einstellen müsse, um den angestrebten Zuwachs erreichen zu können.
Polizisten fallen überdurchschnittlich oft wegen Krankheit aus
Auch von der Deutschen Polizei-Gewerkschaft (DPolG) kommt deutliche Kritik. „Die Kollegen kommen kaum noch aus den Einsatzstiefeln heraus, Dienstpläne ändern sich innerhalb von kürzester Zeit“, berichtet die DPolG-Landesvorsitzende Cathleen Martin von der zunehmenden Belastung: „Das zehrt an den Nerven, macht die Kollegen weniger belastbar und bringt sie schnell an die Grenzen.“ Die „einzige Lösung“ sei, so Martin, die Einstellungen zu erhöhen und alle Polizeifachschulen zu erhalten.
Immerhin hat das Innenministerium durchschnittlich 27 Krankheitstage pro Polizist im vergangenen Jahr registriert, was erheblich über dem sächsischen Durchschnitt von 15 Tagen ist. Die Polizeidirektion Leipzig liegt mit 34,5 Krankheitstagen pro Bediensteten an der Spitze. Die Ausfälle haben in diesem Jahr noch zugenommen: Im ersten Halbjahr 2022 waren es bereits knapp 19 Tage.