Protest-Veranstalter planen für Zeit nach einem Umsturz
Der Montagsprotest in Zwickau war in vielerlei Hinsicht bemerkenswert – nicht nur, weil sich der eine Teil der Organisatoren dezent vom anderen abgrenzt, sondern auch, weil man bereits über eine neue Staatsordnung nachdenkt.
Geht es nach Heike Pührer, die seit Beginn die Kundgebungen der „Bewegung“ organisiert und die am Montag als erste Rednerin auftrat, dann solle in einem künftigen parteilosen politischen System folgender Dreiklang erfolgen: Eine breite gesellschaftliche Diskussion über alle Bereiche des täglichen Lebens, eine Beschneidung des Einflusses der „Kapitalinteressen“, die das Land derzeit lenken würden, und schließlich ein allgemeiner Konsens über die Regeln der künftigen Zusammenlebens. Ihre Forderung lautet, unter Einbindung der Medien eine einjährige öffentliche Debatte in Deutschland stattfinden zu lassen. Vom Bundestag – solange er noch nicht zurückgetreten ist – verlangt sie ein „Ausführungsgesetz“ zum Selbstbestimmungsrecht der Völker, schließlich lebe man hierzulande in zu großen Abhängigkeiten von anderen Mächten und Interessen. Pührer warb zudem für einen Arbeitskreis, der in den Praxisräumen eines Zwickauer Frauenarztes stattfinden sollte und sich mit einem anthroposophischen Gesellschaftskonzept befassen wolle. Zudem sollten selbstverständlich die Russland-Sanktionen und die Waffenlieferungen an die Ukraine gestoppt werden.
Andere Redner warnten vor einem „apokalyptischen Höllensturz“ und vor Bill Gates, der die „ganze Welt impfen will“. Bemerkenswert aber war der Auftritt eines Sprechers, der versuchte, einen verfassungsgeschichtlichen Bogen von der Deutschen Revolution 1848 bis zur Wiedervereinigung 1989 zu schlagen. Nachdem zuvor die „Bewegung Zwickau“ schon klargemacht hatte, dass Parteien auf der Kundgebung unerwünscht seien, rief der Mann ins Publikum: „Passt auf, wem ihr hinterher lauft. Damit nicht die nächste Elite alles an sich reißt.“
Falls das als Warnung vor dem anschließenden Protest-Umzug gedacht war, hatte das aber keinen Effekt: Fast alle Besucher des Hauptmarkts – 400 zählte die Polizei – schlossen sich dem Aufzug der „Volksstimme“ an, erneut hinter Fahnen der „Freien Sachsen“ und Plakaten, die beispielsweise dazu aufriefen, den Wirtschaftsminister zu verhaften. Im Nachrichtendienst Telegram werben die „Freien Sachsen“ inzwischen nur noch für den Umzug, nicht mehr für die zuvor stattfindende Kundgebung. Vielleicht ist auch das eine Erklärung, wieso beim Protestmarsch regelmäßig deutlich mehr Teilnehmer gezählt werden als bei den Reden auf dem Hauptmarkt. 1300 waren es am Montag laut Polizei.