Vereinigtes Schleenhain – Juliane Nagel im Prozess wegen Tagebau-Besetzung verurteilt
Fast drei Jahre ist es her, dass Klimaaktivisten den Tagebau Vereinigtes Schleenhain besetzt haben. Jetzt stand deswegen die Leipziger Linken-Politikerin Juliane Nagel vor Gericht – und wurde verurteilt.
Prominenter Besuch am Amtsgericht Borna: Dort wurde am Donnerstag gegen die Leipziger Linken-Politikerin Juliane Nagel verhandelt. Die Stadträtin und Landtagsabgeordnete saß wegen Hausfriedensbruchs auf der Angklagebank – und wurde für schuldig befunden.
Hintergrund waren Proteste des Klimaaktionsbündnisses „Ende Gelände“ vor knapp drei Jahren. Am 30. November 2019 waren rund 1200 Demonstranten auf dem Gelände des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain südlich von Leipzig ins Abbaufeld Peres vorgedrungen und hatten dabei den damaligen Erkenntnissen zufolge einen Zaun niedergetreten. Mit Juliane Nagel und Marco Böhme waren zwei Abgeordnete des sächsischen Landtages unter den Demonstranten.
Klimapolitik spielt vor Gericht keine Rolle
Die Verhandlung gegen Nagel war nicht die erste im Rahmen der juristischen Aufarbeitung der damaligen Geschehnisse, aber die erste gegen prominente Angeklagte. Zum Aktionsbündnis „Ende Gelände“ zählt nicht nur Nagels Fraktionskollege Böhme, sondern unter anderem auch die eigene Pressesprecherin Sina Reisch sowie der Journalist Marco Bras dos Santos.
In der vierstündigen Verhandlung spielten die klimapolitischen Absichten der Tagebaubesetzer jedoch keine Rolle. Stattdessen ging es einzig und allein um die Frage, ob Juliane Nagel sich des Hausfriedensbruches schuldig gemacht habe. Die Verteidigung sagte dazu nein und forderte Freispruch. Verteidigerin Rita Belter aus Leipzig begründete das einerseits mit dem angeblich nicht ausreichend eingefriedeten Gelände des Tagebaus und zum anderen mit der Rolle der Linken-Politikerin. Juliane Nagel äußerte sich zu den ihr gemachten Vorwürfen im Gerichtssaal nicht.
Google zeigt einen Radweg auf Tagebaugelände
Detailreich und langwierig diskutierten Verteidigerin Belter und Staatsanwalt Ricardo Schulz darüber, wann ein Privatbesitz hinreichend erkennbar als eingegrenzt gelte. Die Kontrahenten stritten über Zäune, ein offenes Tor, Betretungsrechte für Anwohner des Dorfes Kieritzsch direkt am Tagebau und über einen Radweg, den Google immer noch als öffentlich anzeigt, der aber über Mibrag-Gebiet verläuft.
Zäune standen damals offenbar nur auf rund zwei der ungefähr zehn Kilometer langen äußeren Umfassung des Tagebaus. Laut der Vertreter des Bergbauunternehmens Mibrag hätten ansonsten Schilder gestanden, Abbruchkanten hätten natürliche Grenzen gebildet. Der Verteidigerin reichte das als „äußerlich erkennbare Schutzwehr“ nicht aus. Ein Betreten des Tagebaus sei an einigen Stellen „ohne Weiteres möglich“ gewesen.
Nagel soll Vermittlerin gewesen sein
Belter stellte zudem in Frage, dass ihre Mandantin unberechtigt auf dem Mibrag-Gelände gewesen sei. Dafür führte sie deren orangefarbene Schutzweste ins Feld, die sie aus dem Meer der weißen Anzüge der anderen Demonstranten abhob. Außerdem habe Juliane Nagel am Nachmittag mit dazu beigetragen, dass die Demonstration friedlich endete und die Teilnehmer das Gelände verließen. Sie habe daher eine Rolle als Vermittlerin zwischen Polizei und Demonstranten eingenommen und sei „parlamentarische Beobachterin“ gewesen.
Staatsanwalt und Richter sehen Schuld als erwiesen an
Doch dafür, darauf wiesen Richter Thomas Sternberger und Staatsanwalt Schulz mehrfach hin, gebe es keinerlei offizielle Bestätigung des Landtages. Selbst wenn dem so wäre, so Schulz, hätte die Landtagsabgeordnete keine Sonderrechte gehabt. Auch sie hätte „das grundsätzliche Eigentumsrecht“ beachten müssen. „Frau Nagel ist einfach mitgelaufen über die niedergetretenen Zäune“, stellte Schulz fest. Und genau das sei eine Straftat gewesen. Er forderte eine Verurteilung der Politikerin zu einer Geldstrafe in Höhe von 6000 Euro.
Richter Sternberger sah die Schuld der Angeklagten ebenfalls als erwiesen an, blieb aber im Strafmaß unter dessen Forderung. Er verurteilte Juliane Nagel zur Zahlung von 2250 Euro, außerdem muss sie die Kosten des Verfahrens tragen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Verteidigung erwägt, das Urteil anzufechten, sagte Rita Belter der LVZ.